Als "Satchmo" den Sozialismus rockte
Vor 50 Jahren landete "Satchmo" Louis Armstrong am Flughafen von Ost-Berlin und wurde begeistert empfangen. Seine Tour durch die DDR und andere sozialistische Staaten begeisterte die Massen. Zugleich machte die Jazz-Legende den Weg frei für mehr Jazz im Sozialismus.
"Eine gefüllte Halle mit Menschen, Presseleute aus Ost und West, Rundfunk, Fernsehen. Er kam also ganz überrascht, ich habe das an seinem Gesicht gesehen, in die Empfangshalle. Dort spielte die damals beste Dixieland-Band der DDR, das waren die 'Jazzoptimisten Berlin'. Und die spielten 'Sleepy Time' zur Begrüßung. Als der Armstrong das hörte, aus der weiten Ferne, ließ er alle Leute stehen, die ihn umringt hatten und ging zur Band und sang mit."
Karlheinz Drechsel war Moderator beim Radiosender "Stimme der DDR" und begleitete Louis Armstrong und seine All Stars auf ihrer ersten Tournee durch die Deutsche Demokratische Republik. Das Lied, mit dem der weltberühmte Trompeter am 19. März 1965 am Ost-Berliner Flughafen Schönefeld empfangen wurde, war seine Erkennungsmelodie. "When it's sleepy time down south" spielte Armstrong damals zu Beginn jedes seiner Konzerte.
Der weltbekannte Jazzmusiker reiste mitten im Kalten Krieg nach Ost-Berlin. Mauerbau, Kuba-Krise und der Konflikt in Vietnam hielten die Welt in Atem.
Und doch gab es noch kulturellen Austausch, wenn auch nicht ohne politische Hintergedanken.
Karlheinz Drechsel: "Die Grundidee kam wahrscheinlich aus Washington, denn es war ja eine Tournee, die nur hinter dem Eisernen Vorhang lief. Also in Jugoslawien, Tschechoslowakei, DDR und Bulgarien war noch mit dabei."
Versuchte Vereinnahmung von Ost und West
Für die Regierung der USA war es auch ein Versuch, mit dem 64-jährigen Musiker und seiner Band Interesse an einer demokratischen Regierungsform zu wecken. Die Führung der DDR hingegen versuchte mit Louis Armstrong auf die Rassendiskriminierung in den Vereinigten Staaten aufmerksam machen. Vor dem Start der Tournee war es in Selma, Alabama, zu schweren Unruhen gekommen.
"Ein herzliches Willkommen für den großen Künstler, ein herzliches Willkommen aber auch dem Menschen Louis Armstrong, dem unsere ganze Achtung gehört."
Auf der Pressekonferenz zum Tourneebeginn im Ost-Berliner Hotel Berolina fragten Journalisten Louis Armstrong deshalb, ob er sich an der Seite der diskriminierten schwarzen Bevölkerung sähe. Armstrong erklärte, er sei in erster Linie Musiker. Das Beste wäre es, der Bürgerrechtsbewegung Geld zu spenden. Er werde dies tun. In erster Linie seien aber Politiker für diese Fragen zuständig.
"I've done so many travellin and blowin the horn and singing. The best we can do, I can do to an extend, is probably a donation or a thing like that. I mean, I can't because I don't know the situation. But still and all, they have other people, politicians."
Armstrongs Botschaft war ganz klar: seine Musik. Und die kam an! Vom 20. bis 22. März trat er mit seinen All Stars im sechs Mal ausverkauften Friedrichstadtpalast vor rund
Die Musik des Klassenfeindes war plötzlich genehm
18.000 begeisterten Zuschauern auf. In Leipzig sahen ihn anschließend in vier Konzerten fast 12.000 Menschen. Nach Auftritten in Rumänien, Jugoslawien und Bulgarien kamen Anfang April noch Konzerte in Magdeburg, Erfurt und Schwerin hinzu.
Die Begeisterung des Publikums führte bei den offiziellen Stellen, die Jazz bis zu Armstrongs Tournee eher kritisch gesehen hatten, zu einem neuen Umgang mit dieser Musik des sogenannten Klassenfeindes.
Karlheinz Drechsel: "Es war interessant, dass nach diesem Gastspiel die Zeitung 'Neues Deutschland', also das war die Presse der SED, positiv über das Konzert berichtete, und 'Solchen Jazz wollen wir hören', 'das war ja gekonnt', und und und. Und Armstrong hat, ohne es zu wissen, Tore geöffnet."