Louis Begley: "Killer's Choice"
Roman. Aus dem amerikanischen Englisch von Christa Krüger
Suhrkamp Verlag, Berlin 2019
253 Seiten, 22 Euro
Ideenloses Mischmasch
05:41 Minuten
Bestseller-Autor Jack Dana versucht, einen Mord aufzuklären. Nebenbei wird viel chinesisch gekocht und eine Bulldogge dauernd Gassi geführt. Bis auf den Showdown ist Louis Begleys zweiter Krimiversuch eine Story ohne viel Esprit, findet unser Rezensent.
Es gibt eine Stelle in diesem neuen Roman des amerikanischen Schriftstellers Louis Begley, die eine Art Stoßseufzer ist und darauf hinweist, wie schwer Begley sich dieses Mal getan hat, wie ihm auf halber Strecke womöglich die Puste ausgegangen ist.
Sein Held, der New Yorker Ex-Marine und Bestsellerautor Jack Dana; steckt mitten in einem neuen Roman. Nach der brutalen Ermordung des mit ihm befreundeten Ehepaars Lathrop wird er selbst massiv bedroht und kann sich deshalb kaum auf das Schreiben konzentrieren. Verständlicherweise, wie er findet. Seine Strategie:
"Da half nur am Ball bleiben. Weiterschreiben. Die Geschichte so gut wie möglich vorantreiben und dann überarbeiten, um dem Text die bestmögliche Gestalt zu geben. Mit Glück kommen dir neue Ideen, die diesen Mischmasch etwas ausbessern. Leichter gesagt als getan, aber diese Kümmernisse hatte ich mir selbst zuzuschreiben, (...). Niemand verpflichte mich, Romanautor zu sein."
Betuliche Kriminalprosa
Man könnte in diesem Fall sagen, dass vor allem niemand Begley dazu verpflichtet oder von ihm erwartet hat, Kriminalromane zu schreiben. 2015 erschien mit "Zeig dich Mörder" sein erster Krimi, der nicht besonders originell und spannend war. "Killer‘s Choice" baut darauf auf: Den Ich-Erzähler Jack Dana kennt man aus "Zeig dich Mörder", genau wie das schwerreiche Ostküsten-Milieu zwischen New York Citys Fifth Avenue und den East Hamptons weiter nördlich.
Und auch der kriminelle Industrielle und Immobilienmagnat Abner Brown, den Dana in dem Vorgänger zur Strecke gebracht hat, spukt hier in Form eines mysteriösen, missgestalteten Zwillingsbruders weiter herum.
Erschreckend ist vor allem, wie gemächlich und betulich Begleys Kriminalprosa ist. Jack Dana muss um sein Leben fürchten, eine größere Dramatik aber bedeutet das für ihn nicht. Er macht so weiter wie bisher. Klar, er tauscht sich mit einem Freund von der CIA aus, auch mit der Polizei, hat einen FBI-Agenten zur Seite. Doch viel wichtiger ist für ihn sein Haushälter, Diener, Koch, Berater und Beschützer, der aus China stammende Feng, den man ebenfalls aus "Zeig dich Mörder" kennt.
Zwischen Wotonsuppe und Gassigehen
Und genau so wichtig sind die Köstlichkeiten, die Feng für den ach so geschlauchten Jack Dana bereit hält, von pikanten Garnelen und Auberginenauflauf über Wonton-Suppe und Huhn mit roten Peperoni bis zur Wok-Pfanne mit Rindfleisch, Lauch und Peperoni, von guten Weinen bis zu den schottischen Oban-Whiskeys verschiedenster Jahrgänge.
Neben Dana und Feng gibt es überdies eine dritte bestimmende Figur: die französische Bulldogge Satan. Mag der Ex-Marine und Romanautor noch so oft beim Gassigehen überfallen werden, mag ihn das "Monster" online dauernd zur Schnecke machen (es hat Danas Laptop geknackt), nie vergisst Dana zu erwähnen, wann Satan wieder raus muss, um sein Häufchen zu machen und dass er stets das Häufchen mit einem Plastiktütchen einsammelt, in jedem Kapitel mindestens einmal.
Banale Hinweise auf das Trump-Amerika
Das hat etwas unfreiwillig Komisches, ist dem Autor von so großartigen Romanen wie "Lügen in den Zeiten des Krieges", "Ehrensachen" oder der "Schmidt"-Trilogie geradezu unwürdig.
Abgesehen davon ist es die Crux des Krimiautors Begleys, dass er sein Faible für das Milieu, in dem er ja selbst zuhause ist, nicht mit einem anständigen, temporeichen, die bigotten Verhältnisse dieses Milieus durchleuchtenden Plot verbinden kann. Viel zu banal sind auch die Hinweise auf das Trump-Amerika, das Dana empört, beispielsweise die Entlassung des FBI-Direktors James Comey durch Trump.
Mühsam geht die Geschichte ihren Gang
Nein, mit "Killer‘s Choice" hat Begley sich keinen Gefallen getan. Dieser Roman ist ein ödes, ideenloses Mischmasch ohne viel Esprit und Tiefgang. Mühsam geht die Geschichte ihren Gang, der Schauplatz wechselt von New York nach Sag Harbor, wo es eine Parallelhandlung gibt: Danas Schwiegerfamilie muss sich mit einer chinesischen Triade auseinandersetzen.
Und, nicht zu vergessen: Auch Satan erleichtert sich weiterhin und hat seinen Spaß am Meer und sonstwo, schnüffelt, buddelt und jagt Meeresgetier oder Springhörnchen.
Bei soviel Behäbigkeit und Leerlauf überrascht das Ende: Jack Dana gerät in einen unerwarteten, überaus brutalen Showdown. Der erinnert an "Das Schweigen der Lämmer", an die Suspense-Filme eines David Fincher, auch an Guantanamo - und hat nur den Nachteil, dass der Fall ungelöst bleibt. Begley hält sich die Option einer Fortsetzung offen, und das muss man leider als Drohung verstehen.