Kampf den Keimen
Vor 150 Jahren stellte der französische Chemiker Louis Pasteur seine Erkenntnisse über die Wirkung und Bekämpfung von Keimen in einem Vortrag an der Pariser Sorbonne vor. Er wurde damit zu einem der Gründerväter der Mikrobiologie und Bakteriologie.
"Ein Liter pasteurisierte Vollmilch ... Babybrei, pasteurisiert… Frischkäse aus pasteurisierter Milch, haltbar bis ..."
Sein Name begegnet uns täglich. Die meisten Milchprodukte und auch andere Lebensmittel werden heute so behandelt, wie es der Forscher Louis Pasteur schon vor über 150 Jahren vorgeschlagen hat: durch kurzes Erhitzen, um schädliche Keime abzutöten. Dabei ging es ihm jedoch zunächst nicht um Gesundheit. Pasteur war Chemiker, lehrte in Straßburg, Lille und später in Paris, und hatte mit seinen Forschungen zum Beispiel die französische Seidenraupenindustrie vor dem Ruin bewahrt, erzählt der Wiener Medizinhistoriker Professor Michael Hubenstorf:
"Die Chemische Wissenschaft im 19. Jahrhundert hat eine enorme Nähe zu Wirtschaftsfragen jeglicher Art."
Der Jubel der Fachwelt blieb aus
So baten ihn auch die Weinbauern um Hilfe, deren wertvoller Traubensaft sich allzu oft in ungenießbaren Essig verwandelte. Denn Pasteur untersuchte seit Mitte der 1850er Jahre Gärungs- und Fäulnisprozesse und hatte herausgefunden, wie sie entstehen: Durch winzige Organismen, die er "Spaltpilze" nannte. Am 9. April 1865 präsentierte der Chemiker seine Entdeckung in einem Vortrag an der Pariser Universität Sorbonne und berichtete auch darüber, wie man diese Mikroben eben durch kurzes Erhitzen unschädlich machen kann. Doch der Jubel der Fachwelt blieb zunächst aus: Denn solche Kleinstlebewesen - Bakterien, Pilze oder Hefen - hatten schon andere entdeckt. Aber nach damaliger Schulmeinung galten sie als "spontane Erscheinung", gegen die man deshalb nichts ausrichten kann:
"Das ist sozusagen ein fast weltanschaulicher Streit, nämlich der Kampf gegen die Idee der spontanen Generation, der Entstehung von Leben aus einem Zufallsprodukt von Elementen."
Pasteur wütete gegen seine Kritiker:
"Vorhandene Ideen zu überprüfen, das ist die lebende Flamme der Wissenschaft. Im Gegensatz dazu sind fixe Ideen eine Gefahr."
Pasteur setzte sich schließlich durch. Seine zahlreichen Experimente hatten eindeutig bewiesen, dass die Mikroorganismen nicht "zufällig", sondern nur dann in den Lebensmitteln entstehen und sie verderben, wenn diese mit Luft in Berührung kommen. Und er war außerdem überzeugt, dass nicht nur Gärungsprozesse, sondern auch viele Krankheiten bei Mensch und Tier durch solche Kleinstlebewesen verursacht werden. Damit aber brachte er nun die Mediziner gegen sich auf.
"Die klinischen Mediziner mussten sich überhaupt erst daran gewöhnen, dass quasi Biologen, Mikrobiologen oder Chemiker hierbei etwas mitzureden haben, also dasselbe trifft auch auf Robert Koch in Deutschland zu, dessen Theorien etwa von etablierten Medizinern lange Zeit sehr zurückhaltend betrachtet wurden."
Verschärfte Konkurrenz
Aber Pasteur hielt an seinen Forschungen fest und ebnete damit den Weg für eine neue Wissenschaft: die medizinische Mikrobiologie oder Bakteriologie. Und auch hier war er ein Mann der Praxis: Er beriet Ärzte, wie sie ihre Instrumente sterilisieren sollten, und suchte nach Möglichkeiten der Immunisierung gegen die gefährlichen Krankheitserreger. Tatsächlich gelang es Pasteur, Impfstoffe gegen Milzbrand bei Schafen und gegen Tollwut beim Menschen zu entwickeln.
Mit den Erfolgen verschärfte sich aber auch die Konkurrenz in diesem neuen Forschungsgebiet, insbesondere die zwischen Louis Pasteur und Robert Koch. Allerdings ging es dabei nicht nur um Wissenschaft:
"Der wichtigste Punkt dabei ist, dass Pasteur im Zusammenhang mit dem Krieg von 1870/71 ganz heftig gegen Deutschland, die Besatzung und so weiter Stellung genommen hat, sein Ehrendoktorat der Universität Bonn zurückgab und ähnliche Dinge, wobei es auch teilweise um wirtschaftliche Auseinandersetzungen, um Patente und Ähnliches ging."
In Frankreich feierte man Pasteur wie einen Nationalhelden. Eigens für ihn wurde 1888 eine Forschungseinrichtung gebaut, das heute noch berühmte und erfolgreiche "Institut Pasteur", das er bis zu seinem Tod 1892 selbst leitete. In seiner letzten Rede an junge Wissenschaftler mahnte er sie, ihre Arbeit nicht allein am Erfolg zu messen:
"Mögen die Bestrebungen mehr oder weniger glücklich ausfallen - jeder muss sich, wenn die letzte Stunde naht, sagen können: Ich habe getan, was ich konnte."