Lippenlesen ist ein unglaublich komplexer Prozess. Das kann man sich so vorstellen: Wenn man „Mutter“ und „Butter“ sagt, also ohne Laut, dann kann man den Unterschied nicht herstellen. Das heißt, es braucht immer einen Kontext und einfach eine permanente Aufmerksamkeit auf die Lippen, auf das, was gesprochen wird. Das ist wahnsinnig anstrengend.
Louisas Entscheidung
Gehörlos zu sein, ist kein Defizit, findet Louisa Pethke. © Katharina Pethke
Ist Hören wirklich besser?
34:42 Minuten
Louisa Pethke ist taub. Sie könnte sich ein Implantat einsetzen lassen. Doch sie hat Bedenken: Ist Gehörlosigkeit etwas, was repariert werden muss? Ihre Schwester, die Filmemacherin Katharina Pethke, hat Louisa bei ihrer Entscheidung begleitet.
„Eigentlich ist es das Ziel, wieder hörend zu werden“, sagt der Arzt. Für Louisa Pethke ist der Fall aber gar nicht so einfach.
Zwar hat sie ihr gesamtes Leben mit aller Kraft versucht, sich ihrem hörenden Umfeld anzupassen: Louisa ist ohne die Gebärdensprache aufgewachsen, hat Lippenlesen gelernt und logopädischen Unterricht genommen. Aber die Kommunikation war immer ungleich.
Nicht Louisa, die Welt muss sich ändern
Die anderen haben ihr Ding gemacht – und Louisa musste mithalten. Doch darauf hat sie keine Lust mehr. Louisa beginnt, die Gebärdensprache zu lernen, und wünscht sich von ihrer Familie, sich mit ihrer neuen Kommunikationsform auseinanderzusetzen.
Zu Gast im Studio ist die Filmemacherin Katharina Pethke. Sie ist Louisas Schwester und eigentlich wollten die beiden zusammen einen Experimentalfilm übers Hören und Sehen machen.
„Und dann habe ich aber gemerkt, dass Louisa einfach total brennt gerade. Dass da gerade etwas passiert, wo ich eben nicht mit experimentellen Filmmitteln rangehen kann und darf. Dass sie Mut hat, da reinzugehen und sich Sachen zu stellen – oder auch eben unseren Eltern endlich zu sagen: Warum wolltet ihr die ganze Zeit, dass ich 'normal' bin, also in der hörenden Welt?"
Gehörlosigkeit ist kein Defizit
"Ich habe auch Angst davor, dass mir dann meine anderen Sinne voll weggenommen werden, meine visuelle Wahrnehmung, mein Gefühl", sagt Louisa zu ihrer Mutter über das Hör-Implantat.
Louisa liebt Musik – und auch wenn sie nichts hört, ist sie vor allem eines nicht: stumm. Im Gegenteil, die junge Frau drückt sich eloquent aus und vertritt ihren Eltern und dem Rest der Welt gegenüber selbstbewusst die Haltung: Taubheit ist kein Defizit.