Louwrens Langevoort über Corona-Maßnahmen

"Als ob Kultur nur Bespaßung wäre"

07:02 Minuten
Intendant der Kölner Philharmonie Louwrens Langevoort
Sieht die Shutdown-Pläne der Politik sehr kritisch: Louwrens Langevoort, Intendant der Kölner Philharmonie. © picture alliance / Horst Galuschka
Moderation: Carsten Beyer |
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Die Regierung hat neue Maßnahmen gegen die Pandemie beschlossen. Betroffen sind erneut viele Kultureinrichtungen. Louwrens Langevoort, Intendant der Kölner Philharmonie, sorgt sich um seine Branche.
Restaurants, Schwimmbäder und Fitnessstudios, aber auch Kultureinrichtungen wie Theater und Konzerthäuser, müssen ab kommenden Montag wieder schließen. Das hat die Bundesregierung gestern zusammen mit den Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten der Länder beschlossen, um die Coronapandemie einzudämmen. Die Entscheidung wurde einstimmig getroffen und gilt vorerst bis Ende November.

Kanonen auf Spatzen

Für Louwrens Langevoort sind die Maßnahmen wie der Versuch, mit Kanonen auf Spatzen zu schießen. Der Intendant der Kölner Philharmonie glaubt nicht daran, dass so die Pandemie bezwungen werden kann. Der Plan der Bundesregierung sei nicht konsequent genug, weil die Orte, wo die Ansteckungsgefahr tatsächlich am höchsten sei, geschont würden, sagt er.
"Ich verstehe natürlich, dass die Bundeskanzlerin das sagt. Ich hätte das auch an ihrer Stelle gesagt. Allerdings weiß ich nicht, ob sie in letzter Zeit mal in einem Theater oder Konzerthaus war. Wir sitzen so weit auseinander! Man bleibt eigentlich konsequent auf anderthalb Meter Distanz und genießt einen Saal, der eigentlich für 2.200 Personen gedacht ist, mit nur 250 Personen."

Kultur dient auch der Persönlichkeitsbildung

Währenddessen könne man immer noch durch Einkaufszentren gehen, in denen die Menschen wesentlich weniger Abstand halten würden. Dazu komme, dass durch die Entscheidung der Politik eine ganze Branche gefährdet werde:
"Als ob Kultur nur eine Bespaßung wäre. Man kann auch sagen, dass die Kultur gerade ein Standbein vom deutschen Gesellschaftsleben ist. Und das hat nichts mit Bespaßung zu tun, sondern auch mit Bildung und Persönlichkeitsbildung."

Unterstützung ist gut, aber sie muss auch kommen

In der Branche arbeiteten viele Freiberufler, die jetzt zum zweiten Mal dieses Jahr vor dem Aus stünden, weil sie keine Einnahmen generieren könnten, warnt Langevoort. Deshalb sieht er das Versprechen der Bundesregierung, finanziell zu helfen, als starkes Zeichen – jedoch unter Vorbehalt:
"Ich bin sehr gespannt und werde es deshalb mit Argusaugen verfolgen, wie das tatsächlich in der Realität umgesetzt wird. Auch am Anfang der Pandemie - März, April - gab es viele Bekenntnisse von der Bundesregierung. Diese wurden aber sehr langsam umgesetzt, bestimmte Institutionen und Firmen fielen total durch dieses Netz. Es ist ein gutes Versprechen, aber vergessen Sie nicht: Ein Künstler möchte auftreten, möchte Kontakt mit seinem Publikum haben und nicht ein Sozialhilfeempfänger sein."
Auch hinsichtlich des Zeitplans der Bundesregierung, den Shutdown nur bis Ende November laufen zu lassen, ist Langevoort skeptisch:
"Ich bin Optimist. Ich würde gerne glauben, dass es dann tatsächlich stattfinden wird. Aber mit den jetzigen Erfahrungen ist man natürlich auch ein bisschen ein gebranntes Kind. Wir werden alles machen, damit es wieder weitergeht. Aber das könnte die nächste Quelle für großen Frust sein."
(hte)
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