Lubaina-Himid-Retrospektive

Eine Ausstellung, die Mut machen soll

05:16 Minuten
Ein farbenfrohes Gemälde zeigt dunkelhäutige Menschen bei einer Party auf einem Schiff.
Unterschwellige Andeutungen: "Ball on Shipboard" von Lubaina Himid. © 2018 Lubaina Himid / Rennie Collection Vancouver
Von Robert Rotifer |
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Obwohl sie seit den 1980er-Jahren eine einflussreiche Aktivistin der schwarzen britischen Kunst war, blieb Lubaina Himid im Mainstream unsichtbar. Bis sie 2017 den Turner Prize gewann. Nun zeigt die Tate Modern eine große Werkschau ihres Schaffens.
Eines der Herzstücke dieser großen Retrospektive ist eine Installation namens "A Fashionable Marriage", eine modische Hochzeit, aus den Jahren 1984-86: eine Ansammlung von Gemälden, Skulpturen und Töpfereien, die die damals noch junge Lubaina Himid als hochpolitische Künstlerin ausweist.

Lubaina Himids langer Weg zur Anerkennung

Pinke Teller, bemalt mit detaillierten Vulven, eine gesichtslose schwarze Frau im Hochzeitskleid, ein Mann mit überlangem Phallus, Margaret Thatcher beschriftet als "standhafte Unterstützerin der Apartheid", und dazu als Soundtrack abwechselnd feierliche Barockmusik und fröhliche Taarab-Musik aus Sansibar – eine expressive Szenerie.

Mir ist aufgefallen, dass sich die Haltung der durch die Galerien wandelnden Menschen verändert, wenn diese Partymusik aus Ostafrika in Barockmusik übergeht, die wir mit Palästen und elitären Institutionen assoziieren.

Kurator Michael Wellen

Als elitäre Institution könnte man freilich auch die Tate Gallery selbst bezeichnen. Es brauchte wohl nicht ohne Grund erst den Turner Prize 2017, um der seit fast vier Jahrzehnten im fernen Nordengland vor sich hin arbeitenden Himid erst mit 67 Jahren zu ihrer ersten großen Schau in der Metropole zu verhelfen.
Die Installation "A fashionable marriage" von Lubaina Himid. Bunte, an Pappmaché-Aufsteller erinnernde Figuren, im Halbkreis.
Expressive Szenerie: Die Installation "A fashionable marriage" in der Lubaina Himid-Retrospektive in London.© 2017 Nottingham Contemporary / Foto: Andy Keate / Courtesy the artist and Hollybush Gardens
Prompt wurde sie von Jonathan Jones, Kunstkritiker des Guardian, ordentlich zurechtgestutzt. Ihre jüngeren, figurativen Bilder, schreibt er in seiner Kritik, seien viel zu zahm, zu höflich. Wo sei hier das Schreien, die Ohrfeige, die Wut, der Zorn?
Es hat schon seine Ironie, wenn ein weißer männlicher Kritiker einer schwarzen weiblichen Künstlerin vorwirft, nicht dem Klischee der Angry Black Woman zu entsprechen.

Der Reifeprozess einer Künstlerin

Tatsächlich zeichnet die Ausstellung Himids Reifeprozess nach, von klaren Symbolen hin zu unterschwelligen Andeutungen, wie etwa der Bilderserie "Le Rodeur", benannt nach einem französischen Sklavenschiff, dessen Kapitän 1819 36 Westafrikaner über Bord werfen ließ. Himid zeigt dieses Verbrechen nicht, sondern schwarze Menschen in guter Kleidung auf einem modernen Kreuzfahrtschiff. Implizite Botschaft: Jede Interaktion mit der Welt, wie wir sie vorfinden, ist historisch vorbelastet.
So was kann ein weißer Kritiker schon übersehen, genauso wie die positive Kraft, die Bildern wie „Three Architects“ oder "Six Tailors" innewohnt, die schwarze Menschen in Situationen der Planung und Zusammenarbeit zeigen.
"Dies ist eine Ausstellung darüber, wie man Veränderungen erwirkt. Im eigenen Leben und in der Gesellschaft. Und bevor man die Entscheidung trifft, kein leichtes Leben zu haben, braucht man ein bisschen Hoffnung, Kraft, Ermutigung, Liebe und Licht, vor allem in dieser düsteren Welt, die wir bewohnen. Meine Hoffnung ist, dass diese Ausstellung eine Plattform dafür ist, diesen Mut zu fassen, da hinauszutreten und Dinge zu tun, die nicht leicht sind. Und zu wissen, dass es eine Welt von Menschen gibt, die einen dazu ermutigen, das zu tun."
Der Kurator bezieht sich damit konkret auf den letzten Raum der Retrospektive, eine von einem jazzigen Soundtrack untermalte Installation in Form einer Busstation, auf deren Gestänge der Satz "Do you want an easy life?" geschmiert ist. Eine Frage, die sich Angehörigen von Minderheiten täglich stellt, wenn sie sich etwa entscheiden müssen, ob sie bei alltagsrassistischen Vorfällen lieber weghören oder sich Gehör verschaffen.
Lubaina Himid tut Letzteres auf mit zunehmendem Alter zunehmend subtilere Weise, und die Werkschau der Tate weiß das auch eindrucksvoll zu vermitteln. Allerdings nur, solange das Publikum auch dazu bereit ist, sich in die nicht-weiße Perspektive der Künstlerin einzufühlen. Und so viel darf man von ihnen im Jahr 2021 wohl schon verlangen.

Lubaina Himid
bis 3. Juli 2022
Tate Modern, London

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