Nicht olympisch, aber Kult
"Lucha libre" heißt übersetzt "freier Kampf" und das heißt in Mexiko: Männer treten in Masken gegeneinander an, Gut gegen Böse. Seit Jahrzehnten gehört Lucha Libre hier zu den beliebtesten Vergnügungen.
Die Stimmung ist blendend in der Arena Mexico, der riesigen Halle mitten im Zentrum von Mexiko-Stadt. Fans nennen sie die Kathedrale der Lucha Libre. Es ist Domingo Familiar, und wie an jedem dieser Familiensonntage füllen tausende von Männern, Frauen und Kindern die Ränge. Es riecht nach Bier, Popcorn und Schweiß. Das Publikum feuert die maskierten Catcher nicht nur an, es springt auf, fuchtelt mit den Händen, bangt, jubelt, flucht. Egal ob auf den billigen Plätzen für umgerechnet 50 Cent oder direkt am Ring. Lucha Libre ist Kult in Mexiko. Kaum jemand weiß das besser als El Hijo del Santo, wohl der berühmteste Luchador des Landes. Seit 35 Jahren steht er im Ring. Wie zuvor sein Vater, El Santo, der vor gut 80 Jahren Lucha Libre populär machte und als Legende gilt:
"Lucha Libre ist in Mexiko vor allem ein Spektakel. Es entstand in den 30er-Jahren und ist auch deswegen so beliebt, weil die Tickets vergleichsweise günstig sind. Ein weiterer Punkt: Es ist Unterhaltung für alle. Bei uns haben Frauen und Männer Spaß, die Kinder, aber auch die Großeltern. Zu den Kämpfen kommen ganze Familien und haben zusammen Spaß."
Ein Kampf Gut gegen Böse
Es ist immer ein Kampf Gut gegen Böse. Lucha Libre erfüllt deswegen auch eine wichtige soziale Rolle, sagen die Kenner. Die Zuschauer schreien ihre Wut auf Ungerechtigkeiten des Alltags heraus, zum Beispiel wenn amerikanische Catcher wie Sam Adonis von einem einheimischen Helden vermöbelt werden. Dann zeigt man es – zumindest im Ring – endlich einmal dem übermächtigen Nachbarn im Norden, der so oft auf Mexiko herabschaut. Trotz aller Show: Die choreographierten Kämpfe sind extrem athletisch, Körper fliegen durch die Luft, es gibt akrobatische Würfe, die von den Fans bewundert werden. Vor allem wenn Ikonen wie El Hijo del Santo im Ring stehen:
"Das Spannende an der Lucha Libre ist die Technik, die ganzen Griffe und die passenden Konter. Man stelle sich vor, El Santo hat seit den 40er-Jahren 52 Filme gemacht. Für uns ist er eine Ikone. Er gehört zu unserem nationalen Erbe. Diese Familie ist eine Dynastie, und das auf Weltniveau."
Ein Lucha Libre-Abend dauert Stunden. Zuerst treten Nachwuchskämpfer oder Luchadores der B-Kategorie gegeneinander an, dann kommen die großen Namen, die vom Ansager voller Inbrunst regelrecht in den Ring gebrüllt werden.
"Das ist mein Lebenselixier"
Das putscht natürlich auch die Luchadores auf, sagt El Hijo del Santo, der auch zum Interview seine silberne Maske trägt:
"Wenn es so richtig voll ist und Du die Halle betrittst. Wenn das Publikum in Fahrt kommt, Dich bejubelt, Deinen Namen skandiert. Das ist mein Lebenselixier. Die Liebe des Publikums, das Gefühl, die Leute zu bewegen. Ich kann mir nichts Schöneres vorstellen, als das zu genießen und die Liebe des Publikums zu spüren."
Nicht zuletzt kann man mit der Lucha Libre auch den sozialen Aufstieg schaffen und reich werden. Auf dem Parkplatz der Athleten an der Arena stehen teure, aufgemotzte Sportautos und dicke Geländewagen. Sie gehören den Stars.