Ludwig II. als Traumtänzer
Neumeier mischt gekonnt ländlich heitere, unbeschwerte Fröhlichkeit mit Handwerker-Tänzen, Fingerhakeln, Turnen, Sackhüpfen. Doch nichtnur deshalb wurde Neumeiers Werk in München frenetisch bejubelt.
"Meines Erachtens kann eine "Schwanensee"-Konzeption heute sich nicht auf die naive Nacherzählung eines Märchens beschränken. Sie findet ihren Sinn erst, wenn sie das überzeitliche Thema "Unverwirklichbare Liebe" und seine Interpretation, die es durch das 19.Jahrhundert erfahren hat, mit heutigen Mitteln darstellt."
So umriss John Neumeier 1976 den Ansatz seiner neuen Konzeption, die sich nun - 35 Jahre später – als zeitlos gültig, als Klassiker erwies. Das erwähnte Liebes-, dazu das Schwanen-Motiv und Tschaikowskys homoerotische Veranlagung verbindet Neumeier mit der gleichartigen Neigung Ludwigs II., dessen seit der "Lohengrin"-Aufführung 1861 Schwanenritter- und Architekturträumen, seiner Erkrankung und dem Tod im See.
Der neue Handlungsablauf gliedert sich in Wirklichkeits- und Traumpassagen der letzten Lebenstage Ludwigs II., so dass damit der "Märchenkönig" auf jener Bühne stand, die ihm seine größten Kunsterlebnisse ("Tristan"-Uraufführung!) vermittelte. Ludwig wird zu Beginn in einen kahlen Backsteinraum auf Schloss Herrenchiemsee oder Berg eingeliefert. Unerfüllte Liebeswünsche und Verzweiflung konkretisieren sich in einem begehrenswert schönen, schwarzen Todesengel, dem "Mann im Schatten" (faszinierend Marlon Dino); ein abgestelltes Neuschwanstein-Modell führt zur ersten "Erinnerung": in traumhaftem Lichtwechsel fahren die Mauern auf zur Alpenberghöhe, zum Richtfest in Neuschwanstein.
Neumeier mischt gekonnt ländlich heitere, unbeschwerte Fröhlichkeit mit Handwerker-Tänzen, Fingerhakeln, Turnen, Sackhüpfen - bis die höfische Welt eindringt, die Mutter, die Braut Natalia, der verhasste Prinz Leopold — und Dr.Gudden samt Pflegern in schwarzem Gehrock und Zylinder, die bereits "Krankheitssymptome" registrieren. Die Szene endet in gewollter Einsamkeit des Königs, der Raum verengt sich wieder zum rohen Zellenbau.
Durch ein Bühnenbildmodell des "Schwanensee" erinnert Ludwig sich glücklicher Theaterträume und vor seinen wie unseren Augen läuft der rekonstruierte 2. Akt in der Iwannow-Choreographie ab. Der König übernimmt mehrmals die Rolle des Prinzen Siegfried mit Daria Shukhorukovas klassisch nobler Schwanenprinzessin Odette. Der Zauberer Rotbart erweist sich als "Mann im Schatten" und zerreißt den Traum.
Zur pompösen Marschmusik des beginnenden dritten Akts stößt der König auf das berühmte Bild von sich im Krönungsmantel verliert sich in die Erinnerung an den letzten Maskenball, wo seine Braut als Schwanenprinzessin erschien — glückliche Momente inmitten des Tanz- und Maskentrubels — bis ein schwarzer Clown, abermals der "Mann im Schatten", alle Illusionen zerstört: Ludwig schlägt die Mutter und wird wahnsinnig.
In den Zellenraum kommt Natalia (hochsensibel Lucia Lacarra) zu einem Abschiedsbesuch. Doch der Schattenmann erweist sich als unwiderstehlich: er signalisiert nun eher Freiheit von einer verhassten Wirklichkeit – was Neumeier zu einem expressiven Männer-Pas-de-deux formt. Dazu hochtheatralisch fällt ein blauer segeltuchartiger Königsmantel aus dem Schnürboden über Ludwig und bedeckt ihn wie ein See.
Jürgen Roses hinreißende Ausstattung verschmilzt kongenial den Prunk- und Rohbau-Charakter der Räume von Herrenchiemsee, die Glanz, Anachronismus, Traum und Untergang signalisieren. Tänzerisch bietet die neue Handlung die Gelegenheit zu neuen Partien, klassischen Teilen und einer Sammlung von Charaktertänzen bis hin zur Gründerzeit. Ganz zeitgemäß laufen zwei, drei Handlungszüge parallel. Insbesondere der König hat neben der Tanzpartie eine durchlaufende Gestaltungsaufgabe — besetzbar wohl nur mit einem Künstler von der feinen Eleganz, der Intelligenz und dennoch männlichen Attitüde wie Tigran Mikayelyan, einem "Tänzerdarsteller", dem Ovationen dargebracht wurden.
Aus dem ausdrucks- und spielfreudigen Ensemble ragte das jugendlich unbeschwerte Kontrastpaar Ilana Werner(Claire) und Lukas Slavický(Graf Alexander) hervor. Im klassischen Bereich, auch den umjubelten "vier kleinen Schwänen" war ersichtlich, dass das Staatsballett zu den Spitzencompagnien Europas zählt. Die teils umgestellten, teils hinzugefügten Musiknummern dirigierte Michael Schmidtsdorff oft vordergründig deftig. Doch Neumeiers tanzdramaturgisch neue Horizonte wurden zurecht frenetisch bejubelt.
So umriss John Neumeier 1976 den Ansatz seiner neuen Konzeption, die sich nun - 35 Jahre später – als zeitlos gültig, als Klassiker erwies. Das erwähnte Liebes-, dazu das Schwanen-Motiv und Tschaikowskys homoerotische Veranlagung verbindet Neumeier mit der gleichartigen Neigung Ludwigs II., dessen seit der "Lohengrin"-Aufführung 1861 Schwanenritter- und Architekturträumen, seiner Erkrankung und dem Tod im See.
Der neue Handlungsablauf gliedert sich in Wirklichkeits- und Traumpassagen der letzten Lebenstage Ludwigs II., so dass damit der "Märchenkönig" auf jener Bühne stand, die ihm seine größten Kunsterlebnisse ("Tristan"-Uraufführung!) vermittelte. Ludwig wird zu Beginn in einen kahlen Backsteinraum auf Schloss Herrenchiemsee oder Berg eingeliefert. Unerfüllte Liebeswünsche und Verzweiflung konkretisieren sich in einem begehrenswert schönen, schwarzen Todesengel, dem "Mann im Schatten" (faszinierend Marlon Dino); ein abgestelltes Neuschwanstein-Modell führt zur ersten "Erinnerung": in traumhaftem Lichtwechsel fahren die Mauern auf zur Alpenberghöhe, zum Richtfest in Neuschwanstein.
Neumeier mischt gekonnt ländlich heitere, unbeschwerte Fröhlichkeit mit Handwerker-Tänzen, Fingerhakeln, Turnen, Sackhüpfen - bis die höfische Welt eindringt, die Mutter, die Braut Natalia, der verhasste Prinz Leopold — und Dr.Gudden samt Pflegern in schwarzem Gehrock und Zylinder, die bereits "Krankheitssymptome" registrieren. Die Szene endet in gewollter Einsamkeit des Königs, der Raum verengt sich wieder zum rohen Zellenbau.
Durch ein Bühnenbildmodell des "Schwanensee" erinnert Ludwig sich glücklicher Theaterträume und vor seinen wie unseren Augen läuft der rekonstruierte 2. Akt in der Iwannow-Choreographie ab. Der König übernimmt mehrmals die Rolle des Prinzen Siegfried mit Daria Shukhorukovas klassisch nobler Schwanenprinzessin Odette. Der Zauberer Rotbart erweist sich als "Mann im Schatten" und zerreißt den Traum.
Zur pompösen Marschmusik des beginnenden dritten Akts stößt der König auf das berühmte Bild von sich im Krönungsmantel verliert sich in die Erinnerung an den letzten Maskenball, wo seine Braut als Schwanenprinzessin erschien — glückliche Momente inmitten des Tanz- und Maskentrubels — bis ein schwarzer Clown, abermals der "Mann im Schatten", alle Illusionen zerstört: Ludwig schlägt die Mutter und wird wahnsinnig.
In den Zellenraum kommt Natalia (hochsensibel Lucia Lacarra) zu einem Abschiedsbesuch. Doch der Schattenmann erweist sich als unwiderstehlich: er signalisiert nun eher Freiheit von einer verhassten Wirklichkeit – was Neumeier zu einem expressiven Männer-Pas-de-deux formt. Dazu hochtheatralisch fällt ein blauer segeltuchartiger Königsmantel aus dem Schnürboden über Ludwig und bedeckt ihn wie ein See.
Jürgen Roses hinreißende Ausstattung verschmilzt kongenial den Prunk- und Rohbau-Charakter der Räume von Herrenchiemsee, die Glanz, Anachronismus, Traum und Untergang signalisieren. Tänzerisch bietet die neue Handlung die Gelegenheit zu neuen Partien, klassischen Teilen und einer Sammlung von Charaktertänzen bis hin zur Gründerzeit. Ganz zeitgemäß laufen zwei, drei Handlungszüge parallel. Insbesondere der König hat neben der Tanzpartie eine durchlaufende Gestaltungsaufgabe — besetzbar wohl nur mit einem Künstler von der feinen Eleganz, der Intelligenz und dennoch männlichen Attitüde wie Tigran Mikayelyan, einem "Tänzerdarsteller", dem Ovationen dargebracht wurden.
Aus dem ausdrucks- und spielfreudigen Ensemble ragte das jugendlich unbeschwerte Kontrastpaar Ilana Werner(Claire) und Lukas Slavický(Graf Alexander) hervor. Im klassischen Bereich, auch den umjubelten "vier kleinen Schwänen" war ersichtlich, dass das Staatsballett zu den Spitzencompagnien Europas zählt. Die teils umgestellten, teils hinzugefügten Musiknummern dirigierte Michael Schmidtsdorff oft vordergründig deftig. Doch Neumeiers tanzdramaturgisch neue Horizonte wurden zurecht frenetisch bejubelt.