Ludwig Lugmeier: "Die Leben des Käpt'n Bilbo"
Verbrecherverlag, Berlin 2017
256 Seiten, 24 Euro
Sich neu zu erfinden, ist nicht schwer
Jack Bilbo bleibt vor allem durch eins in Erinnerung: zahlreiche, sich widersprechende Biografien, von ihm selbst geschrieben. Maler, Autor, Galerist, Lebemann - Ludwig Lugmeier hat seine Geschichte recherchiert. Zum 50. Todestag erscheint nun eine Biografie.
Hugo Baruch, so der Geburtsname des jüdischen Abenteurers, war zeitlebens ein Verfolgter und Getriebener, der sein Leben immer wieder neu erfinden musste, es aber auch mit Lust selbst erfand. Etwa 19 Jobs und drei Identitäten hatte Baruch, der sich später Jack Bilbo nannte, in seinem Leben. Seine Fangemeinde wächst: Zu ihr zählt der Künstler Daniel Richter, der dem erfindungsreichen Lebenskünstler im Frühjahr 2017 eine Ausstellung im Berliner Max Liebermann Haus widmete.
Ludwig Lugmeier, Autor des gerade erschienenen Buches "Die Leben des Käpt'n Bilbo", sagt, die wichtigste Identität – das Pseudonym Jack Bilbo – habe er angenommen, als er 1931 für eine Münchner Illustrierte seine Geschichte aufschreiben sollte. "Bilbo ist das baskische Wort für Bilbao, bedeutet Schwert." Bilbo, der 1907 in eine jüdische Familie geboren wurde, habe schon im Alter von sieben Jahren das erste Mal emigrieren müssen. Der Plan, dass er das Geschäftsimperium seines Großvaters übernehmen sollte, ging daher nicht in Erfüllung – eine mögliche Erklärung für seine wechselnden Identitäten. "Er hat immer versucht, jemand besonderes zu sein."
War Bilbo Leibwächter von Al Capone?
Bekannt wurde Bilbo schon als junger Mann von 24 Jahren, als er 1931, frisch zurück in Berlin nach einigen Jahren in New York, seine erste Autobiografie vorlegte: Eine zu großen Teilen erfundene Lebensgeschichte, in der er sich als Al Capones ehemaliger Leibwächter und "Gun Man" ausgab. Sie erschien passend zum Beginn des Prozesses gegen Capone in Chicago, verkaufte sich entsprechend gut und machte nebenbei aus Hugo Baruch den "Gangster" und Autor Jack Bilbo.
Sein bewegtes Leben führte Bilbo danach von Berlin über Frankreich nach Spanien, wo er im Bürgerkrieg kämpfte, später nach London, wo er vor allem weibliche Gesäße malte und eine erfolgreiche Galerie betrieb. Hinter den Tresen der verschiedenen Kneipen und Bars, die er im Laufe seines Lebens betrieb, wurde er als Original und brillanter Erzähler bekannt.
Bedeutend vor allem als Galerist in London
Nach seinem Tod 1967 geriet Bilbo schnell in Vergessenheit. Laut Lugmeier wurde er als "nicht so bedeutend" angesehen. Er hält vor allem Bilbos Zeit als Galerist in London während des Zweiten Weltkriegs für wichtig. "Das war eine Galerie, die eine Bresche geschlagen hat in die ganz traditionell versteifte englische Kunstwelt", sagt Lugmeier, indem er zuvor internierten Künstlern eine Chance gab und auch Bilder von französischen Impressionisten oder Künstlern wie Pablo Picasso oder Amedeo Modigliani ausstellte.
Er war während des Zweiten Weltkriegs in London Galerist - das war bedeutend. Da kamen Maler, die vorher in Internierungslagern waren, Galerien, die geschlossen hatten, gaben ihm Bilder, Impressionisten dabei bis zu Braques, Picasso, Modigliani
Persönlich habe er Jack Bilbo nur kurz getroffen. "Ich kann mich an ihn erinnern als einen sehr dicken Mann, der stark geschnauft hat", sagt Lugmeier. Im Nachhinein sei ihm aufgefallen: "Er hat eine sehr eigenartig helle, gedrängte Stimme gehabt, die so gar nicht zu seinem Volumen gepasst hat."
(kk/cre/ske)