Lübeck

Die Hanse lebt und bekommt ein Museum

Eine freigelegte Freske im alten Burgkloster in Lübeck, das in das zukünftige Europäische Hansemuseum integriert ist.
Eine freigelegte Freske im alten Burgkloster in Lübeck, das in das zukünftige Europäische Hansemuseum integriert ist. © dpa / picture alliance / Bodo Marks
Von Dietrich Mohaupt |
Mehr als 180 Städte gehören dem 1980 neu gegründeten "Städtebund Hanse" an, der mehr sein will als nur Folklore oder ein Ausflugsprogramm für Kommunalpolitiker. Dem Bündnis soll nun auch das Europäische Hansemuseum in Lübeck Aufwind geben, das im Mai eröffnet.
Die Hanse – was genau ist das eigentlich? Teil der Geschichte Europas, Mythos, glorifizierte Überlieferung? War die Hanse ein Bündnis von Kaufleuten, also eine reine Handelsvereinigung, oder ein Städtebund? Sollte sie die Händler auf ihren Reisen schützen, ging es um Reichtum und Macht – was steckt hinter dem Image von den rechtschaffenen und ehrbaren Hansekaufleuten? Fragen über Fragen, denen sich der Architekt und Ausstellungsdesigner Andreas Heller lange vor Beginn der Bauarbeiten für das Europäische Hansemuseum im Jahr 2012 stellen musste.
"Also – erst einmal ist es so, dass man kapituliert vor der großen Vielfalt und der unglaublichen Vielschichtigkeit dieses Themas 'Hanse'. Und sich daran zu nähern bedeutet, verschiedene Blickwinkel einzunehmen, verschiedene Perspektiven einzunehmen."
Andreas Heller hat u.a. schon das preisgekrönte Deutsche Auswandererhaus in Bremerhaven entworfen – und er hat natürlich nicht wirklich kapituliert vor dem Thema „Hanse". Seine Grundidee für das Europäische Hansemuseum: Bloß nicht die klassische Vitrinen-Ausstellung mit zahllosen Ausgrabungsfunden, Urkunden oder hübsch anzuschauenden Modellen hinter dicken Glasscheiben.
Dem Besucher ein emotionales und intellektuelles Erlebnis geben
Wenn Andreas Heller über "modernes Museum" spricht, dann schaut er auch gerne mal zurück in die Vergangenheit, als Anfang des 20. Jahrhunderts z.B. das Altonaer Museum mit vielen Dioramen, Rauminstallationen und Inszenierungen für Furore in der Museumslandschaft sorgte.
"Das alte Altonaer Museum in Hamburg – das war nach heutigen Maßstäben ein richtiges Erlebnismuseum, wo man schon versucht hat, die Besucher auf verschiedene Weise anzusprechen. Das ist auf irgendeine Weise verloren gegangen, und dann hatte man diese ganz klassischen Vitrinen-Ausstellungen und dann irgendwo in der Ecke war dann so ein bisschen was zitiert. Ich glaube, dass es ganz wichtig ist, dass die Besucher ein sehr emotionales Erlebnis haben und gleichzeitig auf der anderen Seite intellektuell das auch verarbeiten."
Zeigen, was er damit konkret meint, kann Andreas Heller nicht – so kurz vor der geplanten Eröffnung im Mai herrscht Hochbetrieb auf der Museumsbaustelle, da ist einfach keine Zeit für Rundgänge mit neugierigen Journalisten. Es ist also ein bisschen Fantasie gefragt, wenn der Architekt des Europäischen Hansemuseum zu einem virtuellen Besuch in der Ausstellung einlädt. Der beginnt mit einer Fahrt im Aufzug – es geht hinab zu den Anfängen der Stadt Lübeck im Jahr 1143 und noch weiter zurück in die Vergangenheit. Tief unten im Museum sind alte Siedlungsreste zu bewundern – bei den ersten Bauarbeiten auf dem Gelände direkt am Ufer der Trave war man auf diese Funde gestoßen. Ein absoluter Glücksfall für das Museum, meint Andreas Heller.
"Für uns als Architekten war es eine unglaubliche Herausforderung. Wir haben eine Ausgrabungsfläche von etwa 150, 180 Quadratmetern, die mit einer schwebenden Geschossplatte überbaut werden sollte. Der Besucher fährt ja in einem halboffenen Aufzug in diese Ausgrabung und gelangt dann bis zu Funden, die aus dem 8./9. Jahrhundert sind. Das ist natürlich einzigartig, das ist unser größtes Original – war so nicht geplant, war auch in der Fülle und in der Tiefe nicht erwartet, dass wir so viele Exponate oder so viele wertvolle Ausgrabungssituationen dort finden werden."
Bauverzögerung durch archäologische Funde
Eine Fahrt mit dem Aufzug in die Vergangenheit bis in Zeiten weit vor der Blüte der Hanse – man bekommt so ein bisschen einen Eindruck, was gemeint sein könnte mit "emotionalen Erlebnissen" und ihrer "intellektuellen Verarbeitung". Die archäologischen Funde waren übrigens auch Schuld daran, dass der Zeitplan für die Fertigstellung des Museums völlig durcheinander geriet. Der ursprüngliche Termin – Herbst 2013 – konnte nicht gehalten werden, denn die Ausgrabungsfunde sollten auf jeden Fall in die Ausstellung integriert werden.
"Zum Beispiel haben wir Befestigungen gefunden – eben aus der Slawen-Zeit, aus dem 8./9. Jahrhundert, wo dieser Hang befestigt wurde. Wir haben aber auch kleine, wertvolle Stücke gefunden, wie einen Silbersporn von einem ... wohl einem Ritter, der dort durchgegangen, durchgeritten ist. Wir haben ganz viele Krüge gefunden, Spielzeug, Würfel. Wir haben alte Drainageleitungen aus dem Mittelalter gefunden – wir wissen jetzt noch besser, wie die Lübecker die Trave dort trockengelegt haben, wie sie das Grundstück dort befestigt haben."
All das hat natürlich ordentlich gekostet – nicht nur Zeit, sondern auch Geld. Seit dem Start des Projekts "Europäisches Hansemuseum" im Januar 2012 haben sich die Baukosten nahezu verdoppelt. Den Löwenanteil daran trägt die Possehl-Stiftung – eine gemeinnützige Stiftung, die Anfang des 20. Jahrhunderts aus dem Nachlass des Lübecker Kaufmanns Emil Possehl entstand. Stiftungs-Vorsitzende ist Renate Menken – sie weiß genau, wieviel Millionen Euro für den Bau des Hansemuseum bisher bereitgestellt werden mussten.
"Wir sind mit 24,7 oder so etwas an den Start gegangen – und sind jetzt bei etwa 45, 46 Millionen."
Rund neun Millionen davon hat die Landesregierung aus EU-Mitteln dazugetan.
Die Hansestadt Lübeck mit der St. Petri Kirche.
Lübeck - einst die mächtige Hauptstadt der Hanse © picture-alliance / dpa / Klaus Nowottnick
Der Anstieg der Baukosten, immer wieder neue Verzögerungen – schnell war in Lübeck die Rede von der "Elbphilharmonie an der Trave". Kritiker meinten, Parallelen zu dem finanziell und zeitlich völlig aus dem Ruder gelaufenen Neubau der Elbphilharmonie in der Hamburger Hafencity erkennen zu können. Ein Vergleich, der Renate Menken gar nicht gefällt.
"Es kam auch Berliner Flughafen, Stuttgarter Bahnhof und was da alles kam. Das ist natürlich kompletter Unsinn. Es war hier der Baugrund, der ausgesprochen schwierig war, wir mussten ja ganz viele Bohrpfähle hineinbringen, um den Hügel zu stützen – das erforderte einfach etwas mehr Zeit. Deswegen sind es aber nicht – wie bei anderen Großprojekten – Planungsfehler oder Streitereien mit irgendwelchen Unternehmen. Wir haben die Zeit gerne gegeben, weil es ja auch was Ordentliches werden sollte."
Ob das gelungen ist, können die Museumsbesucher – nach der Stippvisite bei den Anfängen der Lübecker Stadtgeschichte – auf einem Rundgang durch halb Europa und die Jahrhunderte der Hanse selbst herausfinden. Dabei geht es an das Ufer der Newa nach Nowgorod in Russland, ins belgische Brügge und nach London, wo die Hanse mit dem Stalhof ihr wohl wichtigstes Kontor betrieb – der größte Raum im ganzen Museum, betont Architekt Andreas Heller.
Meilensteine der Hansegeschichte, multimedial aufbereitet
"Hier sind wir in einem der Meilensteine der Hansegeschichte, in London hauptsächlich im 15. Jahrhundert. Einer der wirtschaftlichen Hochpunkte der Hansezeit; und hier ist der Raum so ausgebildet wie ein Experimentarium, also hier tauchen Sie ein in die wirtschaftliche Lebenswelt der niederdeutschen Kaufleute."
Und wenn Andreas Heller "eintauchen" sagt, dann meint er das auch. An den Längswänden des Raums befinden sich große Multimediainstallationen, an denen die Besucher selber aktiv eingreifen und sich so detaillierte Informationen z.B. über das weit gespannte Netzwerk und die wirtschaftliche Potenz der hanseatischen Kaufleute in London anzeigen lassen können. An einer Stirnseite des Raums prangen zwei große Gemälde – aufbereitet im Stil eines Breitwand-Kinos.
"Da ist einmal der Triumphzug des Reichtums und der Triumphzug der Armut – das waren zwei Bilder, die damals in dem Kontor der hansischen Kaufleute platziert waren und wo man dann davor Verhandlungen geführt hat oder auch gegessen hat. Eine unglaubliche ethisch-moralische und auch eine sehr bigotte Botschaft, die die hansischen Kaufleute platziert haben. Und der Besucher befindet sich sozusagen in diesem Gedankenraum. Und so ist dieser Raum ein ganz anders medialisiertes Thema als z.B. im Raum davor, wo wir jetzt mitten in der Pest des 14. Jahrhunderts in Lübeck uns befinden."
Szenische Darstellungen von historischen Ereignissen, wie z.B. der Pest-Epidemie oder einer politischen Versammlung der Hanse im Lübecker Ratssaal, interaktive Multimediainhalte, archäologische Fundstücke – das Museum soll alle Sinne ansprechen. Der Rundgang durch die Geschichte führt schließlich bis ins norwegische Bergen, wo das Ende der Hanse dokumentiert werden soll.
Netzwerk mit Modellcharakter für die Gegenwart?
Dem benachbarten Hamburg ist übrigens keine Station gewidmet. Dafür kommt aber die erste Museumschefin aus der wesentlich größeren Hansestadt: Lisa Kosok war bisher Direktorin des Hamburger Museums am Holstenwall – in Lübeck will sie mit dem Europäischen Hansemuseum mehr als nur einen Blick zurück in die Geschichte werfen. Hanse ist für die Museumschefin eben nicht nur eine längst vergangene Epoche, ein Teil der europäischen Geschichte. Das finde sich auch in allen Aspekten der Ausstellung wieder, betont sie.
"Ich freue mich riesig darüber, dass das konzeptionell auch mitgedacht ist und dass man diesen so wichtigen Wirtschaftsverbund, der sich mit Kaufleuten im Mittelalter und in der frühen Neuzeit auseinandersetzt, aber auch mit Städten, die durch sie geprägt wurden, dass man diesen Wirtschaftsverbund befragt – vielleicht auf seinen Modellcharakter oder auf seine Verwendbarkeit für die Gegenwart, denn wir haben es ja hier mit einem Netzwerk zu tun..."
... und genau damit ist das Thema "Hanse" auch tatsächlich in der Gegenwart angekommen. Dieses kleine Zauberwort „Netzwerk" steht für eine moderne Interpretation des historischen Hansebundes – unter den Stichworten Europa und Globalisierung wird all das seinen Platz finden in dem neuen Museum, kündigt Lisa Kosok an.
"Das Museum ist natürlich in seinen Infrastrukturen auch ganz modern – es hat Appartements, es kann Gäste einladen und wir haben die Möglichkeit neben schönen Ausstellungen auch Vortragsprogramme und anzubieten und da den Europa- oder auch den internationalen Gedanken zu zelebrieren."
Ein Musical für die Multi-Kulti-Hanseband
Rückblende: Mai 2014 – die "Königin der Hanse" hatte geladen und etwa 500.000 Gäste waren der Einladung nach Lübeck gefolgt, um den Internationalen Hanse-Tag und damit auch den Europagedanken zu zelebrieren. Kein Zweifel, meinte damals Lübecks Bürgermeister Bernd Saxe: Die "Hanse" ist immer noch sehr lebendig. Mehr als 350 Einzelveranstaltungen an vier Tagen, darunter auch eine "Kinderhansestadt", auf deren Bühne u.a. Schülerinnen und Schüler der Lübecker Pestalozzi-Grundschule den "Hansetanz" präsentierten durften – unter Anleitung des Musiklehrers Bernd Baumann.
"Wir haben ja beim internationalen Hanse-Tag in Lübeck es geschafft, ein Lied in alle 13 Sprachen der Hanse nicht nur zu übersetzen, sondern auch so zu übersetzen, dass sie den Sinn wiedergeben. Da ist die Melodie 'Spannenlanger Hansel' genommen worden, daraus wurde 'Spannend find' ich Hanse' und mit diesem kleinen Wortspiel kann man auch Kinder packen und begeistern."
Das Lied ist Teil einer Idee, mit der Bernd Baumann schon den Jüngsten das Thema "Hanse" näher bringen möchte. Er hat deshalb ein langfristig angelegtes Projekt für Kindergärten und Grundschulen entwickelt. Sein Ziel: "Hanse" nicht nur vergangenheitsbezogen im Schulunterricht lernen, sondern auch in der Gegenwart leben. Das Projekt basiert auf einem zumindest teilweise schon fertigen Musical – in dem es natürlich um das Thema "Hanse" geht. Am Anfang der Geschichte steht eine fiktive Schülerband.
"Die Schülerband ist entstanden in einer Grundschule während einer Projektwoche, und da die Schule in Lübeck war haben sich die Schüler gesagt: 'Wir sind doch Königin der Hanse, es gibt aber kaum Lieder über die Hanse. Dann lasst uns mal anfangen.' Und so ist dann am Ende der Projektwoche die Multi-Kulti-Hanseband entstanden mit Mitgliedern aus allen 16 Hanseländern."
Soweit der Kern der Geschichte, die er auch der Konrektorin der Pestalozzi-Schule in Lübeck vorgestellt hat. Das Thema "Hanse" als langfristiges Projekt im Musikunterricht – keine schlechte Idee, meint Petra Hensel.
"Für mich wäre der Gedanke für die Kinder: Hanse heißt Zusammenhalt, zusammen sind wir stark, gemeinsam können wir etwas erreichen. Wir sind eine Schule, die sehr viele Migrationskinder hat, und auch das spielt eine große Rolle, dass wir dann auch die Lieder in anderen Sprachen singen, dass das auch wieder verbindet. Und das ist eigentlich so der Hauptgedanke, dass das Thema Hanse, was ja im dritten Schuljahr im Heimat-, Welt- und Sachunterricht unterrichtet wird, einfach mal eine andere Dimension bekommt."
Musikalische Reise durch die Welt der Hanse
Mal weg von den üblichen Unterrichtsmethoden – was Neues ausprobieren. „Hanse" war im Unterricht der Grundschule schon Thema, aber eben doch eher im klassischen Sinne.
"Wir haben natürlich erst einmal Sachtexte gelesen, wir sind ins Museum gegangen, wir haben den Kindern gezeigt, womit gehandelt wurde in der Hanse, haben Ausstellungen gemacht, haben gebastelt, haben kleine Projekte gemacht – weniger mit Musik – und zu dem Ganzen kommt eben jetzt der musikalische Teil, was die Kinder sehr motiviert und was auch nachhaltiger ist. Ich denke mal, alles was mit Rhythmik und mit Musik zu tun hat, bleibt länger in den Köpfen der Kinder, als wenn man nur liest oder einfach nur Texte hat."
Im Sommer soll es losgehen mit einer musikalischen Reise durch die Welt der Hanse – ein paar Lieder dazu gibt es ja schon, alle neu getextet nach bekannten Melodien. Für eine kleine Präsentation des Projekts haben Kinder der Lübecker Marienschule einige Lieder schon einmal einstudiert – u.a. eine Strophe zur niederländischen Hansestadt Groningen.
"Holland oder Niederlande? An Europas Nordseestrande da gibt's einen Hanse-Staat, der bei uns zwei Namen hat! Tulpen, Holzschuh, Käse satt – doch von dort 'ne Hansestadt? Ich sag lässig: Ich könnt's singen – die größte heißt Groningen."
Groningen in den Niederlanden ist eine von mehr als 180 Städten in 16 europäischen Staaten, die inzwischen wieder zur Hanse gehören. Allerdings zu einer "neuen Hanse", die 1980 in Zwolle in den Niederlanden gegründet wurde. Damals entstand ein Städtebund, eine grenzübergreifende Lebens- und Kulturgemeinschaft mit dem Ziel, den Handel, vor allem aber auch den Tourismus zu fördern. So richtig ernst nimmt manch ein Kritiker diese "Neue Hanse" nicht: Hinter vorgehaltener Hand ist schon mal die Rede von einem "Reise- und Ausflugsprogramm für Kommunalpolitiker". Bunte Mittelaltermärkte, viel Showprogramm – jedes Jahr präsentiert sich so eine der Hansestädte mit dem internationalen Hanse-Tag. Aber das ist eben nicht nur Folklore, betont Bernd Saxe, der als Lübecker Bürgermeister traditionell auch wieder Vormann der "Neuen Hanse" ist.
"Es ist Identität, es ist kulturelle Gemeinsamkeit, es ist auch ein gemeinsames Wertesystem von Weltoffenheit und Toleranz, das die Hanse über Jahrhunderte gelebt hat und das Hansestädte prägt. Und all dies wach zu halten ist natürlich auch für das gesellschaftliche Leben in der einzelnen Stadt von großer Bedeutung."
Darsteller des "Hansevolk zu Lübeck" zeigen am 27.04.2014 in Lübeck (Schleswig-Holstein) ihre Fahne.
Auferstanden aus der Geschichte: Darsteller des "Hansevolk zu Lübeck"© dpa / picture alliance / Carsten Rehder
Der Städtebund Hanse versteht sich heute als ein aktives Netzwerk mit dem Ziel, "einen Beitrag zur wirtschaftlichen, kulturellen, sozialen und staatlichen Einigung Europas zu leisten und in diesem Sinne das Selbstbewusstsein der Städte und Gemeinden zu stärken, damit sie ihre Aufgaben als Ort der lebendigen Demokratie wahrnehmen können". So ist es auf der Internetseite hanse.org zu lesen. Klingt gut – ist aber nur eine Seite der Medaille, betont Bernd Saxe. Die Aktivitäten des Städtebunds haben auch einen ganz pragmatischen Hintergrund:
"Das tun wir, um den Gedanken der Hanse wach zu halten, um die Erinnerung, die Tradition aufrecht zu erhalten – aber natürlich tun wir das auch, weil es touristische Effekte gibt. Wir wissen heute, dass es Reiseveranstalter gibt, die darauf spezialisiert, Reisen durch Hansestädte, Rundreisen: Besuchen Sie die sieben Hansestädte an der Ostsee in zehn Tagen, Busreise-Veranstalter... Selbst Kreuzfahrten werden schon gemacht, um Hansestädte zu besuchen, und das ist für uns natürlich auch ein Wirtschaftsfaktor."
Die neue Hanse als Wirtschaftsfaktor – das hieß am Ende des 20. Jahrhunderts, direkt nach dem Fall des "Eisernen Vorhangs", vor allem wirtschaftliche Kooperation im Ostseeraum. Große Hoffnungen waren damit verbunden – von denen aber nicht allzu viel geblieben ist. Vor allem die EU sei vieles schuldig geblieben, kritisiert Wolf Rüdiger Janzen. Der langjährige Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer zu Kiel und Ehrenpräsident der Vereinigung der Handelskammern im Ostseeraum hat sich jahrelang darum bemüht, den Boden für eine engere wirtschaftliche Kooperation im Ostseeraum, vor allem mit den baltischen Staaten, zu bereiten.
"Allerdings, wenn man das immer nur betrachtet unter den sterilen Zahlen Import und Export, dann sind natürlich die Märkte nicht so riesengroß wie z.B. der Warenaustausch zwischen Deutschland und den Niederlanden oder Frankreich. Aber es sind erhebliche Anteile, die wir in diesen Ländern und mit diesen Ländern haben. Und hier, glaube ich, gibt es noch Reserven, hier könnte noch ein bisschen mehr getan werden."
Feuertaufe beim G7-Treffen im April
Und dafür, so Wolf Rüdiger Janzen, könnte tatsächlich der Hansegedanke einen gewissen Modellcharakter haben – denn:
"Unter dem Gesichtspunkt Hanse verstehen wir in unserer Region eine enge Zusammenarbeit: Grenzen darf es nicht mehr geben, eine Zusammenarbeit mit dem Austausch nicht nur von Ideen, sondern auch der Bevölkerung."
Das Europäische Hansemuseum soll künftig ein Ort für diesen Austausch sein. Und in dieser Rolle wird der Neubau schon vor der offiziellen Eröffnung im Mai seine Feuertaufe erleben. Am 14. und 15. April tagen die Außenminister der G7-Staaten in dem Museum – also quasi unter dem Dach der Hanse. Das ist schon ein starkes Symbol, meint Lübecks Bürgermeister Bernd Saxe.
"Die Historiker sagen, dass Lübeck, dass die Hanse in bestimmten Zeiten des Mittelalters eine der mächtigsten Organisationen der Welt war. Heute ist es so: Es treffen sich die G7 hier und damit auch die Mächtigen der Welt – da kann man eine Parallele sehen."
Es wird in erster Linie um Krisen gehen bei dem Treffen der G7-Außenminister, um Islamismus, kriegerischen Dschihadismus, um die Konflikte in der Ukraine – und einer wird dabei fehlen: Der russische Außenminister Lawrow. Vor gut einem Jahr wurde Russland aus dem Kreis der G8 ausgeschlossen, als Folge seines Verhaltens in der Krimkrise.
Ohne Russland in "Nowgorod"
Die G7 werden also ohne Russland im Hansemuseum tagen – pikanterweise in einem Sitzungssaal direkt oberhalb von "Nowgorod", also ausgerechnet dem Teil der Ausstellung, der sich mit dem heute russischen Teil der Hanse befasst. Angesichts des weiter schwelenden Konflikts in der Ukraine ist auch das vielleicht so etwas wie ein Symbol, meint Bernd Saxe.
"Bei aller Macht, die da versammelt ist, zeigen diese Entwicklungen der Welt doch auch, dass auch die Mächtigsten letztlich begrenzt sind in den Möglichkeiten der Einflussnahme. Alle Macht der Welt hat bislang jedenfalls nicht geholfen, den gewalttätigen, den abscheulichen Islamismus zurück zu drängen, hat nicht dazu beigetragen, Friede in der Ukraine zu schaffen – also, es ist sicher wohltuend auch gerade im Hansemuseum sich bewusst zu machen, dass alle Macht der Welt erstens endlich ist und zweitens auch nicht in der Lage ist, alles zu bewerkstelligen, was man sich vornimmt."
Was auch immer die G7-Außenminister bei ihrem Treffen im Europäischen Hansemuseum in Lübeck bewerkstelligen werden, rund 1000 Journalisten aus der ganzen Welt werden sie dabei genau beobachten. Und die werden natürlich auch über das Drumherum – also über das Museum – berichten. Dieser Gedanke löst beim verantwortlichen Architekten Andreas Heller ein verschmitztes Lächeln aus. Einen kleinen Seitenhieb zum Abschluss kann er sich einfach nicht verkneifen.
"Wir sind wahnsinnig stolz darauf und ich freue mich schon darauf, dass wir dann mit den Außenministern da in drei oder vier Räume, die dann auch wirklich fertig sind, gehen werden und dann vor einer großen Karte stehen, wo Nowgorod im Mittelpunkt ist."
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