Eine Investition in die Zukunft
06:41 Minuten
Nach anfänglichem Zögern steigt bei den Schulen die Nachfrage nach Filteranlagen. In Hessen gibt es dafür Geld vom Land und vom Bund. Doch die Mittel reichen nicht für alle Klassenräume. In denen ohne Filter heißt es weiterhin: Lüften!
Katja Wecker schließt die Tür zu einem Schulflur auf, der in einen großen Gemeinschaftsraum mündet - dem sogenannten "Aktionszentrum". An den Wänden hängen Infotafeln zu Anne Frank. Denn die Grundschule in Hanau, an der bis zu 360 Schülerinnen und Schüler aus 25 Nationen unterrichtet werden, trägt den Namen der weltberühmten Tagebuchschreiberin, die von den Nationalsozialisten 1945 ermordet wurde. Katja Wecker leitet die Schule. Sie geht voran in das "Aktionszentrum", dem Kommunikationsraum ohne Außenfenster.
An der Decke brummen zwei rund ein Meter lange Luftfilter:
"Die sind Anfang des Jahres eingebaut worden. Weil dieser Raum hier schlecht zu belüften ist, wie Sie sehen können. Und von daher ist das hier eingebaut worden von der Stadt Hanau. Wir hatten erst dort oben eine Belüftungsanlage. Die war aber nicht ganz ausreichend. Und dann hat Heraeus diese Luftfilter zur Verfügung gestellt."
Heraeus – so heißt eine Hanauer Technologie-Firma, die die Luftfilter herstellt, die in rund einer Stunde die Raumluft im "Aktionszentrum" der Anne Frank-Schule viermal nahezu komplett von Viren säubern können. Für die Schulleiterin Katja Wecker ist es ein Glück, dass die Firma in Absprache mit der Stadt als Schulträger die Filteranlagen auch wartet:
"Die größte Angst war eigentlich, bevor es eingebaut wurde, dass der Lärmpegel zu groß ist. Aber mir wurde gesagt, es hört sich ungefähr wie ein laufender Kühlschrank an. Da konnte man sich dann ganz gut drauf einstellen. Und es stört auch im laufenden Schulbetrieb überhaupt nicht."
Steigende Nachfrage bei den Schulen
"Die Landesregierung hat sich dieses Themas schon seit letztem Herbst, Oktober und November, angenommen", sagt Philipp Bender. Es ist einer der Sprecher des hessischen Kultusministeriums in Wiesbaden. Geld für den Einbau von Filteranlagen vor allem in Räumen, die schlecht gelüftet werden können, sei bis heute genug da, betont er:
"Angefangen hat es zuerst mit einem Zehn-Millionen-Euro-Programm, das dann aufgegangen ist in ein 75- Millionen- beziehungsweise 100-Millionen-Euro-Programm, wenn man die Eigenbeteiligung der Schulträger hinzuzieht, mit dem wir grundsätzlich die Hygiene in den Klassenzimmern und auch in den Kitas, die auch dazugehören, fördern."
Erst rund 60 Millionen Euro seien davon bis heute schon ausgegeben worden, so Philipp Bender. Das Kultusministerium registriert jedoch gerade in den letzten Wochen eine steigende Nachfrage nach hochwertigen Filteranlagen aufseiten der Schulträger. Am Anfang seien sie noch zögerlich gewesen:
"Bei den Schulträgern hat ein Umdenken stattgefunden. Das haben wir schon gemerkt in den letzten Wochen und Monaten, das jetzt zumindest beispielsweise in den Jahrgangstufen eins bis sechs - in Frankfurt hat man das jetzt gehört in Wiesbaden, aber auch in anderen Schulträger-Bereichen - zumindest diese Klassen vollständig damit auszustatten."
Eltern fordern Filter für alle Klassenzimmer
Das hessische Landesprogramm alleine würde nicht ausreichen, um in allen Grundschulen des Landes in allen Räumen hochwertige Filteranlagen wie in Hanau einzubauen, betont der Sprecher des Kultusministeriums. Aber auch der Bund gibt Geld. 200 Millionen Euro sollen bereitgestellt werden. Das aber reicht nicht ansatzweise, um alle Klassenzimmer hierzulande mit hochwertigen Filteranlagen auszustatten. Genau das aber fordern viele Eltern. Zum Beispiel Tina Vieweber, die Vorsitzende des Kreiselternbeirates Offenbach im Fernsehsender SAT 1:
"Wir hoffen halt, dass es nicht wieder zu Schulschließungen kommt. Das ist das, was wie so eine bedrohende Wolke drüber schwebt, vor dem die meisten Eltern wirklich Angst haben. Das ist das, was auf keinen Fall passieren darf, dass es wieder zu Schulschließungen kommt. Die Schüler haben jetzt in der Pandemie so viel gelitten und so viel eingesteckt und deshalb sollte man das Geld jetzt in die Hand nehmen und in Luftfilter investieren."
Viele Elterninitiativen hierzulande sammeln schon seit längerem Geld, um Luftfilter aus eigener Tasche zu bezahlen und den Schulen zur Verfügung zu stellen. Gekauft werden dabei vor allem mobile Luftfilter. Das helfe kurzfristig, so Ministeriumssprecher Philipp Bender:
"Das Umweltbundesamt sagt auch, mobile Luftfilter sind, eine schöne Sache, das kann helfen. Aber sie empfehlen grundsätzlich - und darauf zielt auch das andere Förderprogramm des Bundes - eigentlich die festinstallierten Lüftungsanlagen, das hilft auch grundsätzlich vor Erkältungs- und Grippeviren, die immer durch die Schulen ziehen. So wie in den Kitas im Herbst."
Luftfilter helfen auch gegen Grippe und andere Viren
So sieht das auch Tina Vieweber, die Vorsitzende des Kreiselternbeirates Offenbach:
"Wir sehen eben auch in der Anschaffung der Luftfiltergeräte oder Raumluftfilter eine Investition in die Zukunft. Denn unabhängig von Corona wird es immer irgendwelche Wellen von Viren oder Grippewellen geben, die dann eben weniger Chancen im Klassenzimmer haben."
Dass nun rasch alle Klassenräume in Deutschland mit Luftfilteranlagen ausgestattet werden, ist dennoch eher unwahrscheinlich. Das liegt vor allem am Geld, aber nicht nur. Ungeklärt ist zum Beispiel die Frage, wer die Luftfilter auf Dauer wartet. Im Fall der fest eingebauten Luftfilter in der Hanauer Anne-Frank-Schule übernimmt das die Stadt als Schulträger in Kooperation mit dem Hersteller. Philipp Bender vom hessischen Kultusministerium:
"Das wäre eigentlich eine langfristige Lösung, denn die anderen Geräte landen möglicherweise irgendwann im nächsten Jahr auf dem Müll."
Weil sie kaputt sind und das Personal für Wartung fehlt. "Und dann sind viele Millionen Euro umsonst investiert worden. Deswegen ist natürlich eine langfristige Lösung der bessere Weg mit einer entsprechenden Wartung, die das Land im Moment durch das Förderprogramm unterstützt."
Alle 20 Minuten Stoßlüften
Auch in der Anne Frank-Schule in Hanau geht es nun darum, dass die Stadt die Wartung der fest eingebauten Filteranlagen im "Aktionszentrum" langfristig absichert. Alle anderen Klassenräume müssen auch in Zukunft ohne Luftfilter auskommen. Dort bleibt nur ein Ausweg: Alle 20 Minuten Fenster auf und Durchlüften:
"Die Kinder achten da sehr genau drauf. Bei gutem Wetter haben wir natürlich die Fenster und auch die Türen permanent offen. Und wenn es kalt wird, dann ist es natürlich schon eine Herausforderung. Gerade die Kinder, die am Fenster sitzen, sitzen dann mit Jacke und Mütze da. Aber anders lässt es sich halt nicht bewerkstelligen."