Lufthauchdünn
Seit 13 Jahren lädt die Serpentine Gallery in Londons Kensington Gardens zu Sommernachtsträumereien in Sachen Architektur. Dieses Jahr ist der Japaner Sou Fujimoto am Zug. Sein Pavillon ist ein luftiges Spiel der Gegensätze, radikal und exzentrisch, ernst und heiter – eben typisch Fujimoto.
Als die Serpentine Gallery zur Jahrtausendwende in ihren allerersten Pavillon im Grünen lud – entworfen hatte ihn Zaha Hadid –, eröffnete Sou Fujimoto gerade sein eigenes Architekturbüro.
Der Mann aus Hokkaido – damals 29 – hatte Ingenieurswissenschaften studiert und wollte eigentlich Physiker werden. Noch heute hängt in Fujimotos Büro in Tokio ein Poster mit seinem Hausgott aus Uni-Zeiten.
"Albert Einstein war und ist mein großes Vorbild. Und wird es immer bleiben. Als Student las ich eine leicht verständliche Einführung in sein Werk. Die Art wie Einstein die Welt definierte und erklärte wie alles zusammenhängt, hat mich zutiefst beeindruckt. Er gab mir den Anstoß, selbst kreativ zu werden.” "
Mit 41 ist Fujimoto der Jüngste unter den bisher nach Kensington Gardens geladenen Planern für sommerlich Temporäres – und der dritte Japaner; der erste war 2002 sein Förderer Toyo Ito. Als Pavillon-Designer tritt Fujimoto in die Fußstapfen von Baukünstlern wie Daniel Libeskind, Oscar Niemeyer, Olafur Eliasson und Peter Zumthor.
Zuletzt gastierte das Baseler Architektenduo Herzog & de Meuron im Hyde Park. Ihr Pavillon war, wie schon ihr "Vogelnest”-Stadion für die Olympischen Spiele in Beijing, eine Ko-Produktion mit Chinas Kunststar Ai Weiwei. Klar fühle er sich geehrt, sagt Fujimoto.
""Aber so ein Projekt ist immer auch eine immense Herausforderung. London ist natürlich ein völlig anderes Pflaster als Japan, auch kulturell. Aber Herausforderungen sind dazu da, sich zu Neuem inspirieren zu lassen.”"
Er sei zufrieden mit dem Entwurf, sagt Fujimoto: "Und die Arbeit war ein schönes Erlebnis.” Und genau das ist es, womit er in London aufwartet: ein schönes Erlebnis.
Sein Pavillon ist ein präzise und komplex arrangierter Tiefenraum und eine spannende Komposition aus einfachen archetypischen Formen und moderner Offenheit.
Fast fingerdünne weiße Stahlstreben mit einer Gesamtlänge von 28 Kilometern sind zu Kuben mit 40 Zentimetern Seitenlänge verschweißt und zu einer Art Pyramide aufgeschichtet, die sich nach oben hin verflüchtigt, als löse sie sich in Luft auf. Das symmetrisch-assymmetrische, nach allen Seiten transparente filigrane Würfelgeflecht mutet an wie ein Irrgarten und Spielplatz, der auffordert zur Erkundung, zum Hangeln und Klettern. Man tritt auf rutschfestes Glas und spürt doch: Auf- und Abstieg sind gewöhnungsbedürftig.
Von einer Seite ist der Pavillon wie über einen Flur begehbar. Und wie seine Vorläufer ist auch dieser Pavillon konzipiert als Veranstaltungsraum für Lesungen und Vorträge oder auch nur als schlichter Ort der Begegnung. Einziges Inventar ist momentan ein Ensemble von Stühlen und Kaffeetischchen, ebenfalls in strahlendem Weiß.
Aber was heißt hier schon Innen und Außen. Fujimoto ist ein Meister der sich auflösenden Zwischenräume; er weiß, wie sich Architektur in Sphären der Unschärfe und Ambivalenzen überführen lässt.
Sein "Haus N” im japanischen Oita etwa. Dort sind drei weiße, zu allen Wand- und Deckenseiten durchfensterte Quader wie Matroschka-Puppen ineinander gestülpt. Durch den Lichteinfall entstehen zusätzlich gesteigerte, vielschichtige Überblendungen zwischen Innen- und Außenwelt mit dem Ergebnis, dass die Bewohner leben wie im Schneewittchensarg.
Gleiches gilt für das gläserne "Haus NA”, mit dem Fujimoto in Tokio eine Baulücke schloss. Auch dort wohnt sich’s wie in einer komplett transparenten Box: nomadenhaft unter Verzicht auf fast jegliche Privatsphäre.
Die Architektur des Einstein-Fans ist bestimmt von der Dialektik von Ordnung und Auflösung. Und doch sind seine Bauten viel mehr als nur zweckmäßig nüchterne Wohnmaschinen; er selbst nennt sie "Wahrnehmungsenvironments”. Ihm gehe es, sagt er, um das harmonische Zusammenspiel des Menschen mit der Umwelt, vor allem mit der Natur.
""Ich will, dass sich die Leute in ihrer Lebens- und Wohnwelt selbst zurechtfinden. Bei mir haben sie die Chance, sich selbst neu zu definieren – in aller Offenheit und Freiheit.”"
Und – so möchte man hinzufügen – in aller utopischen Leichtigkeit. Aus der Distanz wirkt Fujimotos Gerüstkonstruktion wie ein mit seiner topografischen Umgebung von Bäumen, Hecken und Himmel perfekt korrespondierendes Wolkenheim und Luftschloss: federleicht schwebend, ätherisch, ephemer – und so gar nicht artifiziell.
Außer ein paar Rundscheiben aus Plexiglas in seinen oberen Etagen kommt der Würfelbau ganz ohne Dach aus. Diese bewusste Obdachlosigkeit und Offenheit könnte im englischen Sommer problematisch werden; und auch das Kraxeln birgt gewisse Risiken.
Aber das wollen wir dem Luftikus aus Japan nicht wünschen: Schilder mit der Aufschrift "Betreten, Klettern, Spiel und Spaß verboten!”
Der Mann aus Hokkaido – damals 29 – hatte Ingenieurswissenschaften studiert und wollte eigentlich Physiker werden. Noch heute hängt in Fujimotos Büro in Tokio ein Poster mit seinem Hausgott aus Uni-Zeiten.
"Albert Einstein war und ist mein großes Vorbild. Und wird es immer bleiben. Als Student las ich eine leicht verständliche Einführung in sein Werk. Die Art wie Einstein die Welt definierte und erklärte wie alles zusammenhängt, hat mich zutiefst beeindruckt. Er gab mir den Anstoß, selbst kreativ zu werden.” "
Mit 41 ist Fujimoto der Jüngste unter den bisher nach Kensington Gardens geladenen Planern für sommerlich Temporäres – und der dritte Japaner; der erste war 2002 sein Förderer Toyo Ito. Als Pavillon-Designer tritt Fujimoto in die Fußstapfen von Baukünstlern wie Daniel Libeskind, Oscar Niemeyer, Olafur Eliasson und Peter Zumthor.
Zuletzt gastierte das Baseler Architektenduo Herzog & de Meuron im Hyde Park. Ihr Pavillon war, wie schon ihr "Vogelnest”-Stadion für die Olympischen Spiele in Beijing, eine Ko-Produktion mit Chinas Kunststar Ai Weiwei. Klar fühle er sich geehrt, sagt Fujimoto.
""Aber so ein Projekt ist immer auch eine immense Herausforderung. London ist natürlich ein völlig anderes Pflaster als Japan, auch kulturell. Aber Herausforderungen sind dazu da, sich zu Neuem inspirieren zu lassen.”"
Er sei zufrieden mit dem Entwurf, sagt Fujimoto: "Und die Arbeit war ein schönes Erlebnis.” Und genau das ist es, womit er in London aufwartet: ein schönes Erlebnis.
Sein Pavillon ist ein präzise und komplex arrangierter Tiefenraum und eine spannende Komposition aus einfachen archetypischen Formen und moderner Offenheit.
Fast fingerdünne weiße Stahlstreben mit einer Gesamtlänge von 28 Kilometern sind zu Kuben mit 40 Zentimetern Seitenlänge verschweißt und zu einer Art Pyramide aufgeschichtet, die sich nach oben hin verflüchtigt, als löse sie sich in Luft auf. Das symmetrisch-assymmetrische, nach allen Seiten transparente filigrane Würfelgeflecht mutet an wie ein Irrgarten und Spielplatz, der auffordert zur Erkundung, zum Hangeln und Klettern. Man tritt auf rutschfestes Glas und spürt doch: Auf- und Abstieg sind gewöhnungsbedürftig.
Von einer Seite ist der Pavillon wie über einen Flur begehbar. Und wie seine Vorläufer ist auch dieser Pavillon konzipiert als Veranstaltungsraum für Lesungen und Vorträge oder auch nur als schlichter Ort der Begegnung. Einziges Inventar ist momentan ein Ensemble von Stühlen und Kaffeetischchen, ebenfalls in strahlendem Weiß.
Aber was heißt hier schon Innen und Außen. Fujimoto ist ein Meister der sich auflösenden Zwischenräume; er weiß, wie sich Architektur in Sphären der Unschärfe und Ambivalenzen überführen lässt.
Sein "Haus N” im japanischen Oita etwa. Dort sind drei weiße, zu allen Wand- und Deckenseiten durchfensterte Quader wie Matroschka-Puppen ineinander gestülpt. Durch den Lichteinfall entstehen zusätzlich gesteigerte, vielschichtige Überblendungen zwischen Innen- und Außenwelt mit dem Ergebnis, dass die Bewohner leben wie im Schneewittchensarg.
Gleiches gilt für das gläserne "Haus NA”, mit dem Fujimoto in Tokio eine Baulücke schloss. Auch dort wohnt sich’s wie in einer komplett transparenten Box: nomadenhaft unter Verzicht auf fast jegliche Privatsphäre.
Die Architektur des Einstein-Fans ist bestimmt von der Dialektik von Ordnung und Auflösung. Und doch sind seine Bauten viel mehr als nur zweckmäßig nüchterne Wohnmaschinen; er selbst nennt sie "Wahrnehmungsenvironments”. Ihm gehe es, sagt er, um das harmonische Zusammenspiel des Menschen mit der Umwelt, vor allem mit der Natur.
""Ich will, dass sich die Leute in ihrer Lebens- und Wohnwelt selbst zurechtfinden. Bei mir haben sie die Chance, sich selbst neu zu definieren – in aller Offenheit und Freiheit.”"
Und – so möchte man hinzufügen – in aller utopischen Leichtigkeit. Aus der Distanz wirkt Fujimotos Gerüstkonstruktion wie ein mit seiner topografischen Umgebung von Bäumen, Hecken und Himmel perfekt korrespondierendes Wolkenheim und Luftschloss: federleicht schwebend, ätherisch, ephemer – und so gar nicht artifiziell.
Außer ein paar Rundscheiben aus Plexiglas in seinen oberen Etagen kommt der Würfelbau ganz ohne Dach aus. Diese bewusste Obdachlosigkeit und Offenheit könnte im englischen Sommer problematisch werden; und auch das Kraxeln birgt gewisse Risiken.
Aber das wollen wir dem Luftikus aus Japan nicht wünschen: Schilder mit der Aufschrift "Betreten, Klettern, Spiel und Spaß verboten!”