Luisa-Marie Neubauer wurde am 21. April 1996 in Hamburg geboren. Die Studentin der Geografie an der Universität Göttingen ist in Deutschland eine der Hauptorganisatorinnen des von der schwedischen Schülerin Greta Thunberg inspirierten Schulstreiks "Fridays for Future". Die Bewegung setzt sich für den Kohleausstieg bis 2030 und eine Klimapolitik ein, die mit dem Pariser Klimaabkommen vereinbar ist. Zudem engagierte sie sich für die "Stiftung für die Rechte zukünftiger Generationen" und die deutsche Nichtregierungsorganisation "Das Hunger Projekt". 2018 war sie eine der vier deutschen Delegierten beim Weltjugendgipfel Y7 im kanadischen Ottawa, einer Ergänzung des G7-Gipfeltreffens.
„Politiker, nehmt euch der Klimakrise an!“
29:27 Minuten
Seit Wochen streiken Schüler in Deutschland immer freitags für mehr Klimaschutz. Am 15. März werden weltweit junge Leute auf die Straße gehen. Doch es sei ernüchternd, wie wenig politische Antworten sie bekämen, sagt die Mit-Initiatorin Luisa Neubauer.
Deutschland komme beim Klimaschutz eine besondere Bedeutung zu: "Die Politik muss handeln", fordert die 22-jährige Geografie-Studentin Luisa Neubauer, Mit-Initiatorin der "Fridays for Future". "Ich glaube, eine Bewegung wie uns gab es in dem Sinne noch nicht."
Seit Wochen schon streiken in Deutschland und in einigen anderen Ländern jeden Freitag Schülerinnen und Schüler, Studierende und Auszubildende, um den Druck auf die Politik zu erhöhen, wirksam Politik zu machen, um die Erderwärmung zu stoppen.
"Wir bringen das Thema Klimaschutz auf die Abendbrottische und in die Rathäuser", freut sich Luisa Neubauer. Was in Deutschland mit der Forderung begann, schneller als geplant aus der Kohle auszusteigen, geht inzwischen darüber hinaus. "Wir müssen uns fragen, wie wir künftig wirtschaften, leben, arbeiten und wohnen, ohne den Planeten weiter an die Wand zu fahren."
Wir reden Tacheles.
Das Interview im Wortlaut:
Deutschlandfunk Kultur: Mit diesen Streiks wollen Schüler, Studenten, Auszubildende Druck aufbauen auf die politisch Verantwortlichen, um sie zu einer besseren Klimapolitik zu bewegen. Da schlägt ihnen viel Sympathie entgegen - aber nicht nur. Ich habe zum Beispiel bei Twitter folgenden Satz gefunden: "Diese Klimastreiks sind infantiler Aktivismus für infantile Leute." Haben Sie diese Art von Reaktion erwartet?
Luisa Neubauer: Ich glaube, wenn man sich in der Art und Weise, wie wir das tun, so öffentlich äußert, ganz bewusst auch vielleicht auch wunde Punkte anspricht, dann muss man wahrscheinlich damit rechnen. Das gehört dazu. Und die Kritik zumindest, die uns entgegenkommt, ist ja auch legitim. Das gehört bei einer Debatte, die wir auch ganz bewusst anstoßen wollen, wirklich dazu.
Deutschlandfunk Kultur: Ist aber zum Teil auch unter der Gürtellinie.
Neubauer: Absolut.
Deutschlandfunk Kultur: Es ist nicht alles nur inhaltliche Kritik. Wie geht man damit um?
Neubauer: Ich glaube, da ist es ganz wichtig, zwischen Hass und Kritik zu differenzieren. Letzteres, wie gesagt, hat Legitimität in diesem Kontext. Mit Hass ist es anders. Das sind Hate-Kommentare, die praktisch unter anderen Themen genauso stehen könnten, die sich ganz wenig auf Inhalt und wirklich auf Nebensächliches und Unergiebiges beziehen. Da probiere ich, mich nicht so viel damit zu beschäftigen. Praktischerweise habe ich auch gar nicht so viel Zeit dafür. Das heißt, ich verwende jetzt nicht meine Energie dazu, mir Hasskommentare auf Twitter durchzulesen. Aber sie sind da und ganz ausschalten kann ich das natürlich nicht.
Es geht um mehr als um den Ausstieg aus der Kohle
Deutschlandfunk Kultur: Seit Wochen laufen diese Schülerstreiks jetzt in diversen deutschen Städten. Gestreikt wird in Deutschland ganz konkret für einen schnelleren Ausstieg aus der Kohle. Das ist auf alle Fälle öffentlichkeitswirksam. Sie machen Interviews wie dieses. Sie sind beim Bundeswirtschaftsminister gewesen. Es gibt Vertreter, die in Talkshows auftauchen. Also, öffentlichkeitswirksam ist das auf alle Fälle. Ist das schon mehr als Sie geglaubt haben, was man erreichen kann, also wenigstens gehört zu werden?
Neubauer: Vielleicht zum ersten Punkt: Wir streiken ganz bewusst für einen schnellen Kohleausstieg bis 2030. Wir streiken aber grundsätzlich auch für eine Politik, die sich der Klimakrise annimmt. Das geht weiter als ein Kohleausstieg. Ich glaube, eine Bewegung wie uns gab es in dem Sinne noch nicht. Deswegen ist es ganz schwer, irgendwie Erwartung an das zu stellen, was wir gerade erreichen können und was wir erreicht haben.
Deutschlandfunk Kultur: Aber man wirft sich ja in so etwas nicht rein, ohne dass man nicht eine bestimmte Zielvorstellung hat.
Neubauer: Ich glaube, ich bin nicht die Einzige, die schon auch positiv überrascht ist, wie viel wir an medialer Aufmerksamkeit bekommen, gleichzeitig aber natürlich auch, wie ernüchternd es ist, wie wenig politische Antworten wir bekommen.
"Wir politisieren gerade eine ganze Generation"
Deutschlandfunk Kultur: Also, Sie werden gehört, aber Sie haben das Gefühl, so richtig bewegen tun Sie momentan jedenfalls noch nicht?
Neubauer: Na ja, das kann man, glaube ich, nicht so verallgemeinern. Auf der einen Seite bewegen wir natürlich ganz viel in unserer Generation. Wir mobilisieren gerade so viele junge Menschen, wie das praktisch niemand vor uns gemacht hat, in diesem Format. Das heißt, wir politisieren gerade eine ganze Generation. Das sind auch alles irgendwann mal zukünftige Wählerinnen und Wähler. Wir bringen das Thema auf die Abendbrottische, aber auch in die Klassenzimmer und in die Rathäuser. Das ist sicherlich ein Erfolg an sich. Menschen setzen sich mit der Klimakrise auseinander. Und zum ersten Mal erleben wir dabei auch eine ganz lebhafte Generationendebatte. Und das ist ganz wichtig.
Das bringt aber natürlich fürs Klima überhaupt nichts. Das heißt, was gerade in der Atmosphäre los ist, was in unseren Ökosystemen passiert, ist praktisch nicht betroffen von diesen lebhaften Debatten, die wir hier so gerne führen – gesellschaftlich viel erreicht bisher, medial auch, physikalisch praktisch nichts.
Zwei Stunden bei Präsident Macron
Deutschlandfunk Kultur: Die Politiker nehmen Sie ernst oder tun so, als ob sie Sie ernst nehmen, weil sie dadurch, dass es eine Bewegung ist, zukünftige Wähler, vielleicht auch schon aktuell Wählende, kommen sie nicht an Ihnen vorbei. Aber die werden ja kaum die Politik für Sie ändern.
Neubauer: Ich kann, ehrlich gesagt, mit der Frage gar nicht so viel anfangen. Ehrlich gesagt: Ob wir ernst genommen werden oder die Tür fällt zu, die Politik muss handeln – aus Eigeninteresse oder weil sie jetzt auf uns hören, das ist ja zweitrangig. Präsident Macron hat sich letzte Woche zwei Stunden Zeit genommen für uns, um ins Gespräch zu kommen. Das, finde ich, ist schon mal ein starkes Zeichen auf jeden Fall. Das war – ohne Presse – ein relativ ergiebiges Gespräch vielleicht.
Deutschlandfunk Kultur: Waren Sie mit dabei?
Neubauer: Ja, ich war mit dabei. Das sind, denke ich, schon gute Zeichen, dass Menschen zumindest Interesse haben, uns mal zuzuhören. Aber ja, ob die jetzt die Politik ändern – da braucht es natürlich deutlich mehr.
Deutschlandfunk Kultur: Es soll in zwei Wochen einen weltweiten Streik geben, also weit über Deutschland hinaus. Es gibt diese Streiks ja schon in den USA, in Großbritannien, in Japan, in Belgien schon länger. Gibt es da so etwas wie einen gemeinsamen Nenner, der sich finden lässt? Denn der Kohleausstieg ist ja nun doch ein speziell deutsches Thema.
Neubauer: Grundsätzlich ja. Gemeinsamer Nenner ist auf jeden Fall diese Generationenfrage, die wir aufwerfen. Wir reißen ganz bewusst Konfliktlinien zwischen Generationen auf und sagen: "Alte Generationen sorgen gerade dafür, dass unsere Zukunft verbaut wird." Und das vereint enorm und das überwindet Ländergrenzen und bringt uns international sehr zusammen.
Die Frage vom Kohleausstieg ist ja auf einer Metaebene eigentlich eine andere. Das ist ja eher die Frage: Wo ist der politische Wille, sich unserer Zukunft anzunehmen? In Deutschland manifestiert sich das am Kohleausstieg, in anderen Ländern an anderen Fragen. Das ist aber fast zweitrangig für die globale Vernetzung.
Für konkrete Aktionen im Verkehrssektor streiken
Deutschlandfunk Kultur: Nun ist es ja so: Wenn man eine einfache Botschaft hat - da nehme ich jetzt mal eine einfache Botschaft "früher raus aus der Kohle", nicht 2035 frühestens und 2038 spätestens, sondern 2030 - dahinter können sich viele versammeln. Aber wenn es sich darauf reduziert, bleibt man an dieser einen Ecke hängen. Deshalb die Frage: Müssen Sie weitergehen? Es gibt ja andere politisch wichtige Entscheidungen, die zu fällen sind, in Sachen Klima.
Neubauer: Genau. Das machen wir auch. Also, wir haben uns am 25. Januar, das stimmt, ganz bewusst auf die Kohlekommission fokussiert. Das war ein tagesaktuelles Thema. Ich war auch mit in der Kohlekommission und habe da gesprochen. Das war absolut sinnvoll, das in dem Augenblick zu thematisieren. Jetzt im März werden wir ganz bewusst die Verkehrskommission bestreiken, denn die tagt ja im März.
Der Verkehrssektor ist eine riesengroße Emissionsquelle für Deutschland. Die selbst gesteckten Ziele von Deutschland, die Emissionen insgesamt bis 2030 auf bis zu 42 Prozent zu reduzieren, sind in weiter Ferne. Und wir fordern zum Beispiel jetzt im Rahmen dieser Streiks im März ganz konkrete Aktionen im Verkehrssektor.
Deutschlandfunk Kultur: Das heißt aber auch, dass in verschiedenen Ländern verschiedene Forderungen im Mittelpunkt stehen, wenn es weltweit organisiert werden soll.
Neubauer: Grundsätzlich geht es global ja um die Frage von: Politik, bitte wacht auf! Nehmt euch der Klimakrise an! Das gab es so noch nie. Dafür braucht es auch Maßnahmen, die es bisher noch nicht gegeben hat. Und natürlich gibt es aber pro Land Unterschiede in der Art und Weise, was da bestreikt wird, was gefordert wird. Das ist ja auch nur sinnvoll.
Deutschland hat enorme globale Verantwortung
Deutschlandfunk Kultur: Raus aus der Kohle so schnell wie möglich - es gibt Kritiker dieser Ihrer Forderung. Sie sagen: "Wenn wir jetzt überstürzt rausgehen aus der Kohle, dann bedeutet das, dass wir die Wirtschaft schwächen. Und mit einer schwachen Wirtschaft kann man letztendlich keine Politik machen, auch keine Klimapolitik."
Neubauer: Na ja, das ist ja eine paradoxe Argumentation. Denn je schneller wir aus der Kohle aussteigen, desto weniger teuer werden zum Beispiel die Maßnahmen, die wir sonst ergreifen müssen.
Gleichzeitig ist die Frage von dem deutschen Kohleausstieg ja auch, eine kurzfristige Schwächung der deutschen Wirtschaft muss ins Verhältnis gesetzt werden zu Milliarden Menschen, die darauf warten, dass Länder wie Deutschland - sehr, sehr reiche Länder, sehr wirtschaftlich erfolgreiche Länder - anfangen, echte Maßnahmen durchzusetzen.
Deutschlandfunk Kultur: Schnellerer Ausstieg heißt aber auch, dass man natürlich die erneuerbaren Energien schneller hochfahren muss. Und das führt dazu, dass Energie – zumindest für eine gewisse Zeit – teurer wird. Das trifft in erster Linie diejenigen Menschen, die nicht gut betucht sind. Das ist Ihnen schon bewusst?
Neubauer: Das ist uns natürlich bewusst. Wir sind die allerersten, die sagen, jeder Kohleausstieg, jede Maßnahme muss gerecht sein und darf halt nicht die Menschen treffen, die ohnehin schon weniger gut situiert sind.
Wie werden klimaschädliche Industrien gefördert?
Deutschlandfunk Kultur: Aber wie soll das gehen, wenn beispielsweise Energie, was ja wirklich ein elementares Element von Leben ist, teurer wird?
Neubauer: Wir erleben gerade, dass der Sektor, der mit am meisten subventioniert wird in Deutschland, der Fossile-Energien-Sektor ist. Also, da muss man sich natürlich auch politisch überlegen: In welcher Art und Weise werden denn gerade die klimaschädlichen Industrien staatlich gefördert? Und wie kann das gerecht umgeschichtet oder verteilt werden, so dass zum Beispiel ein teurerer Energiepreis nicht zu Lasten weniger reicher Menschen fällt?
Deutschlandfunk Kultur: Sie müssen die Antwort nicht geben, aber die Frage steht natürlich im Raum: Wie kann man das machen?
Neubauer: Genau. Dafür gibt’s Menschen, das ist deren Job, das rauszufinden. Die wurden dafür gewählt. Und was wir am Ende des Tages einfach fordern, ist, dass Menschen ihren Job machen.
Deutschlandfunk Kultur: Sie haben schon das Thema Generationenkonflikt angesprochen. Ist dieses Thema Klima im Kern auch ein Generationenkonflikt? Die Älteren sagen buchstäblich "nach uns die Sintflut". Und die Jüngeren sagen: "Hey, wenn ihr jetzt nicht handelt, verspielt ihr letztendlich unseren Zukunft".
Neubauer: Ich glaube, es muss kein Generationenkonflikt sein. Idealerweise hätten wir alle so viel moralisches Verständnis, dass wir das Gefühl haben, wir würden gerne den Planeten beschützen. Wir wollen alle gerne auf einem intakten Planeten leben und den Planeten so verlassen, wie wir ihn gerne vorfinden würden. Das würde ja schon reichen.
Nur, wir erleben gerade, dass das nicht funktioniert. Deswegen machen wir diese Generationenkonflikte auf.
Deutschlandfunk Kultur: Vielleicht funktioniert es auch deshalb nicht, weil es natürlich für die ältere Generation bedeutet, nicht nur tolle politische Forderungen aufzustellen, sondern auch Verhalten zu ändern - Verhalten, die sich vielleicht in Jahrzehnten eingespielt haben. Also, von der älteren Generation wird letztendlich Verzicht erwartet.
Neubauer: Ich muss bei dem Begriff "Verzicht" schmunzeln, denn ich habe letztens ein Gespräch mit Mojib Latif darüber gesprochen. Der sagt dann so was: "Das macht mich wahnsinnig, dass man von Verzicht spricht. Es ist doch großartig, wenn wir den Planeten einfach schützen können. Es ist mehr ein Nichtstun, ein Unterlassen, das Klima zerstört."
Leben, ohne den Planeten an die Wand zu fahren
Deutschlandfunk Kultur: Das sind Worte. Tatsächlich bedeutet das ganz aktiv, dass man bestimmte Dinge…
Neubauer: … weniger tut. Zum Beispiel: Fleisch essen. Ich glaube, um nochmal auf die Frage von der Kritik zurückzukommen, über die wir am Anfang gesprochen haben, diese Verzichtangst, dieser Kontrollverlust, der da gefürchtet wird, ist ein Faktor, der für ganz viel Kritik und Hass gegenüber uns sorgt, dass Menschen mit Klima als erstes assoziieren: "Ich muss zurückstecken."
Wir werden uns langfristig Gedanken machen müssen, wie wir wirtschaften, leben, wohnen können, ohne andauernd den Planeten gegen die Wand zu fahren oder immer weiter gegen die Wand zu fahren – auf jeden Fall! Und das ist für alle Menschen in irgendeiner Form verbunden mit Veränderung, Veränderung im persönlichen Leben, im Alltag.
Gleichzeitig kann das uns nicht hindern, weil wir effektiv keine andere Wahl haben. Im Idealfall strengen wir uns jetzt alle an, steigen in eine gemeinsame Debatte über die Art und Weise ein, wie wir auf dem Planeten leben möchten und welche Zukunft wir gestalten können, und probieren diese Debatte so offen und so gerecht zu gestalten, dass Menschen, die jetzt gerade befürchten, sie können damit nicht umgehen, gehört werden.
Deutschlandfunk Kultur: Da knüpft direkt daran an meine nächste Frage: Was darf eine Klimaaktivistin tun und was darf sie nicht tun, damit man ihr nicht Unglaubwürdigkeit vorwerfen kann? Ich schließe an die persönlichen Vorwürfe an: Sie reisen natürlich auch gern, logisch. Muss man vegan sein, damit man ernst genommen wird? Darf man eigentlich nur in einem kleinen Wohnraum leben, weil das ja sonst auch wieder eine Frage von Energieverbrauch ist? Wie weit muss man sich ständig auch selber an dem, was man sagt, messen und messen lassen?
Neubauer: Genau das ist ein wichtiger Punkt. Ich glaube zum einen: Menschen, die mir vorwerfen, ich würde zum Beispiel unverantwortlich reisen, denen würde ich doch mal empfehlen, zu einem von unseren Streiks zu kommen und auch mal genau zuzuhören, was wir eigentlich fordern. Abgesehen davon, dass viele von den Vorwürfen nicht stimmen, die da in den Raum gestellt werden, zum Beispiel zu meinen Flugreisen - was wir ja fordern ist essenziell eine strukturelle Veränderung, Rahmenbedingungen von der politischen Seite, die es Menschen ermöglichen, klimafreundlich zu leben.
Was ich nicht tue, ist, Menschen verbieten zum Beispiel zu fliegen, obwohl ich natürlich alle von uns ermutige zu hinterfragen, wie oft man fliegen muss, genauso wie ich das bei mir selbst tue, und im Zweifelsfall die Flüge zu kompensieren. Ich glaube aber, die Debatte, die wir gerade führen, wer darf eigentlich noch Klimaschützerin sein und wer nicht, ist eine Stellvertreterdebatte.
Klimaschutz darf kein Privileg von Besserverdienern sein
Deutschlandfunk Kultur: Stellvertretend für was?
Neubauer: Stellvertretend für die eigentlichen Fragen, die wir uns stellen müssen, nämlich: Wie können wir schnell Rahmenbedingungen schaffen, die es faktisch verhindern, dass es auf einmal eine Frage ist von Privileg und von Geldbörse, ob ich es mir leisten kann, das Klima zu schützen?
Deutschlandfunk Kultur: Die Politik kann natürlich - und das ist ihr Job, da haben Sie völlig recht - Strukturen schaffen, über Gesetze, über Verordnungen und Ähnliches. Aber sie ausfüllen, sie leben müssen Menschen wie Sie und ich und der Rest.
Neubauer: Ja und nein. Was diese Individualisierung des Klimaschutzes, die wir gerade auch ganz viel thematisieren, wie Sie jetzt gerade auch hier im Gespräch, finde ich persönlich ganz kritisch. Was wir erleben, ist, dass wir neoliberale Strukturen in den Klimaschutz einfädeln: Es geht um dich und dein persönliches Verhalten. Es geht darum, was kannst du machen, was kannst du dir leisten? Kannst du es dir leisten mit der Bahn zu fahren und nicht zu fliegen, was oft absurderweise teurer ist? Kannst du es dir leisten, nicht den Planeten zu zerstören? Es geht ganz viel darum: Was habe ich persönlich getan? Und dann das Wohlfühlmoment: Jetzt habe ich alles gemacht. Jetzt bin ich fein raus. – So funktioniert die Klimakrise nicht.
Das heißt, wir brauchen jetzt eigentlich eine Debatte, weg davon, was kannst du dir gerade leisten, hin zu: Was für eine Gesellschaft wollen wir gestalten? Dafür brauchen wir ganz, ganz viele politische Maßnahmen, die es dann Menschen leichter machen, attraktiver machen, selbst das persönliche Verhalten zu ändern.
Deutschlandfunk Kultur: Ich kann Sie trotzdem noch nicht ganz aus der Diskussion rauslassen. Man weiß ja, dass gerade in den grün-alternativen Milieus, die sehr viel Sympathie für Ihre Botschaft haben und Ihre Bewegung, die sehr für erneuerbare Energien sind, sehr für Klimaschutz sind, ganz besonders viel Ressourcen verbraucht wird. Das sind nämlich oft diejenigen Milieus, die es sich leisten können, große Wohnungen zu haben, die es sich leisten können, viel in die Ferne zu reisen. Und der Vorwurf ist natürlich nicht ohne Berechtigung - auch wenn man das ernst nimmt, was Sie gerade gesagt haben -, dass da viel Wasser gepredigt und Wein getrunken wird.
Neubauer: Auch da wieder ja und nein. Was wir predigen oder was ich zum Beispiel predige - das ist ein komisches Wort - was ich zum Beispiel erzähle, wenn ich Reden halte bei unseren Streiks, ist nicht: Leute, fühlt euch schlecht, wenn ihr fliegt. Wenn ihr fliegt, seid ihr ein schlechter Mensch. Sondern ich stelle die Frage: Warum besteuern wir nicht Kerosin? Wieso ist es so günstig, innerhalb von Deutschland oder innerhalb von Europa zu fliegen? Wieso ist es attraktiver, bequemer, intuitiver, das Flugzeug zu nehmen als die Bahn? Wieso kann der Öffentliche Nahverkehr nicht so gestaltet sein, dass Menschen einfach von selbst ihr Auto stehen lassen? – Das sind die Fragen, die ich und viele andere aufwerfen.
"Jeder von uns sollte Klimaschützer sein"
Deutschlandfunk Kultur: Also, Sie wollen nicht sozusagen zum 11. Gebot erheben, du sollst nicht fliegen, sondern Sie wollen Fliegen teurer machen, Kerosinabgabe, CO2-Steuer, was auch immer da angedacht ist.
Aber auch da ist natürlich wieder der Punkt und die Gefahr, dass man sagt: Die Leute, die viel verdienen, denen ist das Wurscht. Dann zahlen die halt mehr. Es sind diejenigen, die sich momentan aufgrund von Billigflügen beispielsweise Reisen leisten können, die in früheren Jahrzehnten nicht möglich waren. Diese Menschen würden davon betroffen.
Neubauer: Absolut. Deswegen müssen ja auch Anreize und Verbote absolut im Gleichgewicht stehen. Das heißt: Wieso gibt es nicht die Möglichkeit, dass Menschen mit geringem Einkommen eine vergünstigte Bahncard bekommen? Da gibt es Mittel und Wege, zumindest innerhalb von Europa durchaus auch Mobilität gerecht zu denken.
Was Sie gerade angesprochen haben, was ich einen sehr spannenden Aspekt finde, ist tatsächlich die Tatsache, dass Menschen aus irgendwie so links-grünen Milieus oft einen größeren CO2-Fußabdruck haben als aus anderen Milieus. Das ist ja auf einer anderen Ebene eher die Frage: Wieso ist Klimaschutz und Bildung so eng vernetzt? Im Endeffekt erleben wir, dass, wer sich für Klimaschutz engagiert, in irgendeiner Form oft privilegiert ist, ob es das Einkommen ist oder ob es irgendwie das sozialökonomische Umfeld ist.
Deutschlandfunk Kultur: Da gibt’s einen Zusammenhang zwischen Bildung und den Vorstellungen, dass Klimaschutz richtig, wichtig und gut ist. Und gleichzeitig sind das aber genau die, die gebildet sind und diese Einstellung haben, die einen größeren Abdruck von CO2 durch ihr Leben und ihre Lebensführung hinterlassen als die anderen, die vielleicht nicht viel darum wissen.
Neubauer: Was das ja im Endeffekt ist, runtergebrochen: je höher dein Einkommen, desto höher ist im Zweifel auch dein CO2-Fußabdruck. Und das ist ja das Absurde. Da, denke ich, brauchen wir definitiv eine Entkopplung.
Ich glaube aber, diese Grundfrage, wer darf Klimaschützer oder Klimaschützer sein und wer nicht, ist in dem Sinne eine etwas absurde. Jeder von uns sollte Klimaschützer sein. Und das fängt natürlich im Privaten an, aber darf da auf gar keinen Fall aufhören.
Einschnitte beim Flugverkehr müssen sein
Deutschlandfunk Kultur: Wenn man sagt, wir wollen das Ganze politisch und strukturell diskutieren und losgelöst von dem persönlichen Verhalten, wäre es dann eine legitime Forderung zu sagen, die Politik sollte Fliegen einfach verbieten - zumindest mal Inlandsfliegen? Und Auslandflüge limitieren - jeder hat das Recht auf, was weiß ich, zwei, fünf, sechs, wie auch immer. Also, ist die Politik aus Ihrer Sicht gefragt, da auch ganz klare Grenzen zu setzen, innerhalb derer sich dann der Einzelne verhalten kann?
Neubauer: Ja, in irgendeiner Form werden wir den Flugverkehr einschneiden müssen. Ich glaube aber, wir müssen uns ein bisschen darauf besinnen, was die großen Emissionsquellen sind. Und das ist ja beim Fliegen, ich glaube, zwischen zwei und fünf Prozent der globalen Emission. Das ist natürlich ein Anteil. Aber daran hängen wir uns auch, glaube ich, gerade sehr auf, weil das irgendwie eine sehr bildliche Geschichte ist. Und wir alle hängen da so ein bisschen mit drin.
Ich würde uns aber dazu ermutigen, uns davon ein bisschen loszulösen und andere große Emissionsquellen anzugehen, die im Zweifel viel schlimmer sind für den Planeten gerade, wenn wir zum Beispiel von der Energieerzeugung sprechen.
Wenn schon fliegen, dann CO2-neutral
Deutschlandfunk Kultur: Letzter Satz zum Fliegen: Es gibt eine Tendenz - wieder in dem berühmten grün-alternativen Milieu, dass man CO2-neutral fliegt, dass man also, wenn man einen Flug bucht, schon gleich Aufforstung oder Ähnliches unterstützt. Manche sagen, das ist eine Art Ablasshandel, wie es früher die Katholische Kirche gemacht hat - nach dem Motto: Ich mache weiter das, was dem Planeten schadet, aber ich mache es mit einem guten Gewissen, weil ich ja auf der andere Seite etwas Gutes tue.
Neubauer: Ja, das höre ich auch öfter. Natürlich, ich kompensiere auch die Flüge, die ich nicht vermeiden kann. Wir leben in einer wahnsinnig globalisierten Welt. Manchmal lässt es sich nicht wirklich vermeiden zu fliegen. Und wenn man es nicht vermeiden kann, dann ist auf jeden Falle eine Kompensation das Mindeste, was man tun kann – also, lieber so rum als gar nicht.
Deutschlandfunk Kultur: Es gibt Stimmen, die sagen, gerade wenn man so etwas machen wollen würde, wie zum Beispiel Fliegen gesetzlich limitieren, dass man dafür in einer Demokratie niemals die notwendigen Mehrheiten bekommen würde. Dementsprechend gibt es durchaus Umweltaktivisten, Klimaaktivisten, die sagen: Wir brauchen letztendlich eine andere Regierungsform, um so extreme Maßnahmen durchzusetzen – Stichwort Öko-Diktatur, Stichwort China.
Neubauer: Also, inwieweit Kapitalismus und Demokratie an ihre Grenzen kommen, wenn es um schnellen Klimaschutz geht, ist natürlich eine spannende Debatte. Ich denke nicht, dass sich irgendein demokratisches Land an der Art und Weise, wie China gerade Klimaschutz durchsetzt, ein Beispiel nehmen sollte, zumindest nicht auf der Ebene, wenn wir von Menschenrechten sprechen, wenn wir von Gerechtigkeit sprechen und Transparenz und Mitbestimmung.
Und gleichzeitig braucht es irgendwo natürlich eine Debatte darüber: Wie geht eigentlich Klimaschutz in dem Tempo, in dem wir das brauchen, in einer Demokratie? Ich glaube, auch da müssen wir über den Tellerrand gucken, "outside the box" denken und feststellen, dass wir in einer Krise sind, die es, wie gesagt, noch nie so gegeben hat und wir deswegen Maßnahmen und Prozesse brauchen, die es auch vielleicht so noch nie gegeben hat.
Ein Anfang: gesetzlich festgelegte CO2-Reduktionsziele
Deutschlandfunk Kultur: Eine Maßnahme, die die Bundesregierung gerade kontrovers diskutiert, ist ein Klimaschutzgesetz, was die Bundesumweltministerin gerade vorgelegt hat. Da wird erstmals gesetzlich vorgeschrieben, welche verschiedenen Sektoren – verortet in verschiedenen Ministerien – Zielvorgaben bei der CO2-Reduzierung zu erfüllen hätten. Und wir würden auch dafür verantwortlich gemacht, dass das so funktioniert. Wie sie das dann erreichen, wäre offen.
Ist das etwas, wo man sagen kann: Holla, da macht doch die Politik tatsächlich mal ernst und geht über das Setzen von mehr oder weniger verbindlichen Zielen hinaus?
Neubauer: Ja, das ist sicherlich ein Anfang, was da Frau Schulze plant. Wir erleben hier aber auch, dass sie gegen ganz viele Wände da läuft, weil natürlich die Ministerien ja gerade auf der Fußmatte stehen und sich beschweren, wie sie es wagen würde, irgendwelche Emissionsvorschriften zu machen.
Was Frau Schulze plant, ist sicherlich ein kleiner zaghafter Anfang, natürlich nicht schnell und nicht ambitioniert genug, wie das in der deutschen Klimapolitik so üblich ist. Aber da wird sich zeigen, wenn das Gesetz durchkommt, wäre das vielleicht tatsächlich ein erster Schritt hin zu echtem Klimaschutz und echten Emissionsreduktionen in Deutschland.
Deutschlandfunk Kultur: Vielleicht muss es auch andere Hebel geben. Sie sind Geografiestudentin und Sie schreiben gerade ihre Bachelor-Arbeit über Strategien für nachhaltige Finanzanlagen. Ist das vielleicht letztendlich so ein Hebel, wenn man schaut, wie wird Geld investiert? Wo wird Geld investiert? Was für eine klimarelevante Art des Wirtschaftens unterstütze ich da etwa als Investor? Ein Hebel, der vielleicht sogar wirksamer ist als die Politik?
Neubauer: Das ist ein spannender Punkt. Wir vergessen oft in dieser Klimadebatte, dass die Politik ein Adressat der Aktivitäten sein muss, aber halt auch nur einer von vielen. Denn die Macht der fossilen Brennstoffindustrie ist unglaublich. Da sitzen die stärksten Lobbyisten der Welt und sorgen dafür, dass unabhängig von irgendwelchen politischen Entscheidungen weiterhin Kohlekraftwerke gebaut oder Pipelines verlegt werden. Da müssen wir definitiv genauer hingucken.
Denn was wir erleben, ist, dass trotz eines Paris-Abkommens und trotz eines überwältigenden Konsens auf wissenschaftlich-politischer Ebene, dass wir effektiven Klimaschutz vorantreiben müssen, Finanzinstitute praktisch unberührt davon Kohle-, Öl- und Gasindustrien unterstützen und in diese Industrien investieren. Was wir brauchen, ist natürlich da ein sehr kritischer Blick.
Nachhaltig investieren und Umweltverbrauch einpreisen
Deutschlandfunk Kultur: Da tut sich ja doch einiges. Was ich sehr spannend finde, ein Schweizer Rohstoffkonzern, der viel mit fossiler Brennenergie zu tun hat, Glencore, hat sich jetzt auf die Pariser Klimaziele verpflichtet - und zwar auf Druck einer Investorengruppe, hinter der 400 Investoren stehen, Billionen, die die im Portfolio haben, 31 Billionen sind es. Also müsste letztendlich, wenn man Lobbyarbeit machen will für Klimaschutz, dieser Weg mindestens genauso beschritten werden wie der, auf die Politik Druck zu machen?
Neubauer: Passiert ja aber auch schon. Die Divestment-Bewegung, die seit mehreren Jahren sehr erfolgreich Großinstitutionen dazu bringt, ihr Geld nachhaltig anzulegen und aus Kohle, Öl und Gas zu de-investieren - kurz Divestment - sind sehr erfolgreich. Das hat nicht nur einen finanziellen Effekt, denn der ist relativ gering im Vergleich zu dem moralischen Effekt. Was diese Bewegungen schaffen, ist eine ganz bewusste Stigmatisierung der Kohle-, Öl- und Gasindustrien. Und das ist sehr wichtig, dass wir anfangen, von dieser Selbstverständlichkeit von Kohle-, Öl- und Gasindustrie als einem Teil der legitimierten Industrie wegzukommen.
Deutschlandfunk Kultur: Ein anderer Punkt wäre vielleicht mindestens genauso wichtig wie die Stigmatisierung, von der Sie sprechen: dass ehrliche Preise aufgerufen werden, dass also das, was an Ressourcenverbrauch, was an Klimaschädigung in Investitionen in der Wirtschaft mitläuft, einen Preis bekommt. Dann würden wir nämlich möglicherweise auch nicht mehr darüber reden, ob sich Klimaschutz, Nachhaltigkeit lohnt – es wäre also ein marktwirtschaftliches Instrument.
Neubauer: Ja, wenn wir die Klimakrise im Kapitalismus angehen wollen, dann braucht es sicherlich so etwas. Es gibt ja schon Ansätze. Der große Haken an diesen marktwirtschaftlichen Instrumenten ist ja mehr, dass es zu viele gerade gibt, die schlecht vernetzt sind und einen zu geringen CO2-Preis ansetzen. Da ist sicherlich noch ganz, ganz viel Potenzial drin, was ja eine ganz wichtige Grundfrage angeht, nämlich: Wer zahlt denn eigentlich für die Klimazerstörung?
Gerade jetzt tun Menschen so, wie zum Beispiel auch Herr Altmeier, der sich über das deutsche Wirtschaftswachstum freut, auch im Gespräch, als gäbe es de facto keinen Preis dafür, was wir gerade mit der deutschen Wirtschaft oder mit der internationalen Wirtschaft leisten können. Und diesen Preis gibt es ja. Es gibt diese riesenlange Rechnung an externen Kosten, die gerade massiv auf den globalen Süden ausgelagert werden, aber halt auch auf den Planeten, auf die Ökosysteme und auf junge und zukünftige Generationen.
Deutschlandfunk Kultur: Das Problem ist nur, dass die, die diese Kosten verursachen, bisher nicht dafür zahlen.
Neubauer: Genau. Indem man diese Kosten einpreisen würde, würde man sicherlich einen wichtigen Schritt gehen.
Klimaschutz sozial verträglich gestalten
Deutschlandfunk Kultur: Hat Ihnen der französische Präsident Macron auch von den grünen französischen Staatsanleihen, die aufgelegt werden sollen, erzählt? Also, auch da die Frage: Wenn es so was gäbe, wäre es sinnvoll aus Ihrer Sicht? Aber auch: Wie wirksam kann das sein? Oder ist das nicht ein weiteres grünes Mäntelchen – nach dem Motto: schaut her, wir tun doch tatsächlich etwas für die Nachhaltigkeit.
Neubauer: Darüber hat er nicht gesprochen. Herr Macron hat allerdings sehr viel die Gelbwesten in Frankreich thematisiert. Er macht ja gerade im Endeffekt die Erfahrung, die Deutschland und auch viele Staaten erleben werden, was passiert, wenn Klimaschutz nicht gerecht ist oder nicht sozial verträglich gestaltet wird. Er stellt, glaube ich, gerade als einer der Ersten fest, wie groß eigentlich die Herausforderung ist, die auf alle Staaten der Welt zukommen wird. Nämlich: Wie funktioniert eigentlich politischer Klimaschutz?
Deutschlandfunk Kultur: Das heißt aber eben auch, anknüpfend an die Erfahrung von Macron, dass man Klimaschutz mit der sozialen Frage verbinden muss, was wieder auf das zurückgeht, was vorhin schon thematisiert wurde.
Neubauer: Genau.
Deutschlandfunk Kultur: Also, ohne die sozialen Folgeschäden, zum Beispiel von Einpreisung, von CO2-Abgaben, von Steuererhöhungen kann man das Ganze nicht diskutieren.
Neubauer: Absolut nicht. Und das gilt auf nationaler Ebene genauso wie auf internationaler Ebene. Wir reichen Länder im Norden sind die ersten, die anfangen müssen, massiv Emissionen zu reduzieren und dann dem globalen Süden und gerade den least developed countries ganz, ganz stark unter die Arme greifen müssen, um dort dafür zu sorgen, dass sich Länder entwickeln können, dass Wirtschaften aufgebaut werden können, die so CO2-neutral wie möglich sind.
Gestaltungsmacht auf der Straße und weniger in Parlamenten
Deutschlandfunk Kultur: Ihr Berufsziel nach all dem, was Sie jetzt in diesen Wochen und Monaten erleben? Sie studieren Geographie - also, wollen Sie damit was anfangen? Wollen Sie grüne Anlagenberaterin werden, aufgehängt an Ihrem Bachelor-Thema? Wollen Sie vielleicht sogar in die Politik gehen? Was geht in Ihnen vor?
Neubauer: Also, gerade erlebe ich zumindest, dass ganz viel Gestaltungsmacht auf den Straßen und in der Gesellschaft ist und nicht notwendigerweise nur in Parlamenten. Das heißt, die letzten Wochen habe ich definitiv nicht mehr an ein politisches Amt gedacht. Das steht gerade nicht auf der Agenda.
Ich glaube, in irgendeiner Form werde ich mich wohl noch sehr lange mit der Klimakrise beschäftigen – in welchem beruflichen Kontext weiß ich nicht.