Luo Lingyuan: Du fliegst jetzt für meinen Sohn aus dem fünften Stock
In ihren Erzählungen zeichnet Luo Lingyuan ein düsteres Bild von China. Sie beschreibt ein Land, in dem sich niemand sicher fühlen kann. In dem Schwächere keine Chancen haben, aber auch die Arrivierten in einer Welt voller Verunsicherung und Misstrauen leben, ständig vom Absturz bedroht, weil das, was heute als richtig und wahr vorgeschrieben ist, morgen schon ganz anders bewertet werden kann.
"In China ist der Wille des Individuellen ziemlich klein. Das Leben ist häufig gelenkt von der Politik. "
Luo Lingyuan sieht sich selbst nicht als politische Autorin, schreibt aber über eine Gesellschaft, in der die Politik bis in die Intimsphäre der Menschen hineinreicht und Politik und Alltag nicht mehr zu trennen sind. So sind im Gewand kleiner Erzählungen hochpolitische Geschichten entstanden, die zunächst fast naiv daherkommen, um dann den Leser umso erbarmungsloser in eine Welt von Gewalt, Korruption, Behördenwillkür und Rechtlosigkeit zu stürzen.
"Im Pfefferminzgarten der Realschule Shanggao steht alles still. Am Fuß der Gartenmauer erwacht ein kleines Mädchen. Es blickt sich um: Kein Mensch ist zu sehen. Nur die Blätter der Pfefferminze breiten sich wie ein grünes Meer vor ihm aus. "
Luo: "Ich habe eigentlich ziemlich realitätsnah geschrieben. Kann man fast sagen alle Geschichten sind schon in China passiert. "
"Ein Mann steht vor ihr und grinst. Der Mann spuckt sich in die Hände und reibt sie gegeneinander. 'Du bist jetzt meine Frau, mein Kätzchen'…. "
Luo: "Es sind Einblicke, die man nicht so leicht bekommt und als Tourist nicht so leicht erfährt. "
"Der Mann kommt zurück. Er hat ein langes Messer in der Hand. Bai starrt ungläubig auf die schimmernde Klinge. Der Mann kommt zu ihr. Bai hört sich sehr laut schreien. Der Mann drückt mit einer Hand Bais Kopf auf den Boden, mit der anderen führt er die Klinge an ihr Gesicht und macht eine kurze geschickte Bewegung. An Bais Wange, neben dem linken Ohr, ist ein Schnitt...
Nach einer Weile kommt er mit einer Schale heraus, der ein Duft nach Ingwer und Schnittlauch entströmt. Er setzt sie auf den Tisch und löst Bais Fesseln. 'Ich habe heute zwei Schweine zu schlachten. Danach gehe ich zum Dorfvorsteher und melde unsere Ehe an. Mit dem Ritzer auf der Wange wissen alle, dass du zu mir gehörst. "
Was sich auf den ersten Blick wie eine eher unpolitische Beschreibung von Gewalt gegenüber Mädchen liest, zielt, wie die meisten anderen Erzählungen von Luo Lingyuan auch, gegen die Politik der herrschenden Kaste. In diesem Fall geht es um die bis vor wenigen Jahren brachial durchgesetzte Ein-Kind-Politik der chinesischen Regierung zur Kontrolle des Bevölkerungswachstums. Sie zwang Frauen nach der Geburt des ersten Kindes zur Abtreibung, wenn sie erneut schwanger wurden – mit weit reichenden sozialen Folgen: Weil Mädchen in traditioneller chinesischer Vorstellung als "ausgeschüttetes Wasser" gelten, ließen zahlreiche Paare weibliche Embryos abtreiben, damit ihr einziges erlaubtes Kind wenigstens ein Sohn war. Inzwischen herrscht Mädchenmangel und 40 bis 60 Millionen heranwachsende Männer werden in China keine Ehefrau mehr finden. Schon jetzt verunsichern im Auftrag lediger Bauern Schlepperbanden auf der Suche nach Frauen das Land.
Luo: "Mit dieser wirtschaftlichen Entwicklung merkt man, dass auch wieder viele neue Probleme entstanden sind. In China ist der Machtkampf innerhalb der Regierung häufig nicht durchschaubar, weil es eben Pressefreiheit nicht richtig gibt. Früher war nur Diktatur zu spüren. Es war noch härter als jetzt. Jetzt gibt es schon Leute, die doch ein bisschen reich geworden sind. Früher war Reichtum verpönt. Im politischen Bereicht, das sieht man, da läuft es sehr langsam. Ich würde sagen, China ändert sich insgesamt positiv. "
China ist ein Reich im Umbruch, ein kommunistisches Land, in dem rote Manchesterkapitalisten Arbeiter und Angestellte zu rechtlosen Befehlsempfängern machen. In dem High-Tech und glitzernde Megastädte aber auch für einen grandiosen Start in ein neues Zeitalter stehen. Ein Land, in dem Hoffnung und Scheitern, neuer Reichtum und alte Armut nahe beieinander liegen und neben der Ohnmacht gegenüber einem alles bestimmenden System der Wille zur Selbstbestimmung steht. Und darüber schreibt Luo.
Luo Lingyuan sieht sich selbst nicht als politische Autorin, schreibt aber über eine Gesellschaft, in der die Politik bis in die Intimsphäre der Menschen hineinreicht und Politik und Alltag nicht mehr zu trennen sind. So sind im Gewand kleiner Erzählungen hochpolitische Geschichten entstanden, die zunächst fast naiv daherkommen, um dann den Leser umso erbarmungsloser in eine Welt von Gewalt, Korruption, Behördenwillkür und Rechtlosigkeit zu stürzen.
"Im Pfefferminzgarten der Realschule Shanggao steht alles still. Am Fuß der Gartenmauer erwacht ein kleines Mädchen. Es blickt sich um: Kein Mensch ist zu sehen. Nur die Blätter der Pfefferminze breiten sich wie ein grünes Meer vor ihm aus. "
Luo: "Ich habe eigentlich ziemlich realitätsnah geschrieben. Kann man fast sagen alle Geschichten sind schon in China passiert. "
"Ein Mann steht vor ihr und grinst. Der Mann spuckt sich in die Hände und reibt sie gegeneinander. 'Du bist jetzt meine Frau, mein Kätzchen'…. "
Luo: "Es sind Einblicke, die man nicht so leicht bekommt und als Tourist nicht so leicht erfährt. "
"Der Mann kommt zurück. Er hat ein langes Messer in der Hand. Bai starrt ungläubig auf die schimmernde Klinge. Der Mann kommt zu ihr. Bai hört sich sehr laut schreien. Der Mann drückt mit einer Hand Bais Kopf auf den Boden, mit der anderen führt er die Klinge an ihr Gesicht und macht eine kurze geschickte Bewegung. An Bais Wange, neben dem linken Ohr, ist ein Schnitt...
Nach einer Weile kommt er mit einer Schale heraus, der ein Duft nach Ingwer und Schnittlauch entströmt. Er setzt sie auf den Tisch und löst Bais Fesseln. 'Ich habe heute zwei Schweine zu schlachten. Danach gehe ich zum Dorfvorsteher und melde unsere Ehe an. Mit dem Ritzer auf der Wange wissen alle, dass du zu mir gehörst. "
Was sich auf den ersten Blick wie eine eher unpolitische Beschreibung von Gewalt gegenüber Mädchen liest, zielt, wie die meisten anderen Erzählungen von Luo Lingyuan auch, gegen die Politik der herrschenden Kaste. In diesem Fall geht es um die bis vor wenigen Jahren brachial durchgesetzte Ein-Kind-Politik der chinesischen Regierung zur Kontrolle des Bevölkerungswachstums. Sie zwang Frauen nach der Geburt des ersten Kindes zur Abtreibung, wenn sie erneut schwanger wurden – mit weit reichenden sozialen Folgen: Weil Mädchen in traditioneller chinesischer Vorstellung als "ausgeschüttetes Wasser" gelten, ließen zahlreiche Paare weibliche Embryos abtreiben, damit ihr einziges erlaubtes Kind wenigstens ein Sohn war. Inzwischen herrscht Mädchenmangel und 40 bis 60 Millionen heranwachsende Männer werden in China keine Ehefrau mehr finden. Schon jetzt verunsichern im Auftrag lediger Bauern Schlepperbanden auf der Suche nach Frauen das Land.
Luo: "Mit dieser wirtschaftlichen Entwicklung merkt man, dass auch wieder viele neue Probleme entstanden sind. In China ist der Machtkampf innerhalb der Regierung häufig nicht durchschaubar, weil es eben Pressefreiheit nicht richtig gibt. Früher war nur Diktatur zu spüren. Es war noch härter als jetzt. Jetzt gibt es schon Leute, die doch ein bisschen reich geworden sind. Früher war Reichtum verpönt. Im politischen Bereicht, das sieht man, da läuft es sehr langsam. Ich würde sagen, China ändert sich insgesamt positiv. "
China ist ein Reich im Umbruch, ein kommunistisches Land, in dem rote Manchesterkapitalisten Arbeiter und Angestellte zu rechtlosen Befehlsempfängern machen. In dem High-Tech und glitzernde Megastädte aber auch für einen grandiosen Start in ein neues Zeitalter stehen. Ein Land, in dem Hoffnung und Scheitern, neuer Reichtum und alte Armut nahe beieinander liegen und neben der Ohnmacht gegenüber einem alles bestimmenden System der Wille zur Selbstbestimmung steht. Und darüber schreibt Luo.