Lustvolle Geldverbrennung in Bayreuth
Etwas frecher hätte Jan Philipp Glogers braves Regie-Debüt am Grünen Hügel schon sein dürfen, aber musikalisch war der "Holländer" ein Genuss. Der kurzfristig eingesprungene Sänger der Titelpartie, Samuel Youn, wurde vom Publikum gefeiert.
Auf den Sturm vor der Premiere hätten wohl alle gern verzichtet. Der Eklat um das auf die Brust tätowierte Nazi-Symbol des ursprünglich vorgesehenen Titelhelden Jewgenji Nikitin sorgte für einen Sturm im Wasserglas der unschönen Art. Ein Hakenkreuz als "Jugendsünde" – kaum glaublich.
Kein sturmgebeuteltes Segelschiff, nur ein hölzernes Beiboot, in der Kapitän Daland und der Steuermann Zuflucht gefunden haben, kein Blitzen und Donnern, außer im Orchestergraben. Stattdessen wildes Zucken und Flackern im riesigen Server eines Computers auf der Bühne. Schaltkreise und unheimlich schnell laufende Digitalanzeigen. Nix Romantik, kein Schauermärchen. "Ich muss etwas von mir wiederfinden", erklärte der junge Regisseur Jan Philipp Gloger vor der Premiere.
Der Holländer ist kein Ahasver, der ruhelos über die Weltmeere segelt und vergeblich auf Erlösung wartet. Er ist gelangweilt von der Welt, in der man alles kaufen kann, auch die Ware Liebe. Er sehnt sich nach einem anderen Leben, nach dem wahren. Daland hingegen will für das Geld, das der Holländer in einem Rollkoffer bei sich führt, seine Tochter Senta verkaufen.
Die wiederum versucht, sich in des Vaters Fabrik, in der Ventilatoren hergestellt werden, dem Zwang zur Gleichförmigkeit zu entziehen. Aber in diesem Logistikzentrum läuft es nur am Schnürchen, wenn alle willenlos mitmachen. Das rote Kleid der Senta im Gegensatz zum sterilen Blassblau der gut funktionierenden Kolleginnen macht sie zu einer aktiven, revoltierenden Frau.
Der Holländer ist nicht, wie so oft, eine bloße Wahnvorstellung, er ist ein Mann aus Fleisch und Blut. Eva liebt ihn, bedingungslos. Das Geld im Koffer verbrennen sie beide lustvoll. Eine schöne Utopie, gerade in diesen Eurokrisenzeiten. Senta opfert sich für den Holländer, und am Ende stehen sie auf einem Berg von Pappkartons und der Vorhang fällt, aber die Musik ist noch nicht am Ende. Der Vorhang öffnet sich wieder und statt der Ventilatoren werden nun Statuen der beiden Liebenden versandfertig gemacht. Das Geschäft geht weiter. "Business as usual". Wie so oft: Der Protest gegen das System wird kurzerhand zum neuen Gewinn versprechenden Geschäftsmodell.
Immerhin, eine Idee hat Jan Philipp Gloger, der damit erst seine dritte Oper inszeniert hat. Da ist man nach dem Desaster mit Sebastian Baumgartens verunglücktem "Tannhäuser" bei den Festspielen 2011 schon zufrieden, aber ein bisschen brav wirkt die Inszenierung doch. Etwas mehr Frechheit hätte man sich schon gewünscht. Es scheint wie ein Atemholen nach der Aufregung vom Vorjahr und dem wahrscheinlichen, herbeigewünschten oder befürchteten Skandal, wenn im kommenden Jahr Volksbühnenintendant Frank Castorfs Version vom "Ring des Nibelungen" im Jubiläumsjahr präsentiert wird. Die Arbeiten daran sind schon im vollen Gange.
Von Gloger wird man gewiss noch mehr hören und sehen, sagt der Dirigent Christian Thielemann voller Hochachtung über den Novizen auf dem Grünen Hügel. Thielemann hat mit der Premiere vom "Holländer" seine 111. Vorstellung in diesem einmaligen verdeckten Orchestergraben dirigiert. Er meint, dass dieses Frühwerk das am schwersten zu dirigierende in Bayreuth sei, aber es ist wieder ein Genuss. Sportlich zügig geht es durch die Partitur, mit viel Piano, sehr sängerfreundlich, manchmal an Lortzing und das Singspiel erinnernd, kein lautes Scheppern.
Der kurzfristig als Holländer eingesprungene Samuel Youn geht bei den ihm vom Publikum dargebrachten Ovationen in die Knie, so erleichtert ist er. Es ist kein Meister- aber ein Gesellenstück, das er abgeliefert hat. Noch fehlt ihm die schwarze Melancholie, aber das kann noch werden. Die Bayreuth-erfahrene Adrianne Pieczonka als Senta flackert ein wenig, Franz-Josef Selig als geschäftstüchtiger Daland hat Statur. Besonders überzeugend ist als Steuermann Benjamin Bruns.
Ovationen für die Musik, Buhs für die Regie, beinahe der Regelfall im Bayreuther Festspielhaus.
Informationen der Bayreuther Festspiele zur Inszenierung "Der fliegende Holländer"
Kein sturmgebeuteltes Segelschiff, nur ein hölzernes Beiboot, in der Kapitän Daland und der Steuermann Zuflucht gefunden haben, kein Blitzen und Donnern, außer im Orchestergraben. Stattdessen wildes Zucken und Flackern im riesigen Server eines Computers auf der Bühne. Schaltkreise und unheimlich schnell laufende Digitalanzeigen. Nix Romantik, kein Schauermärchen. "Ich muss etwas von mir wiederfinden", erklärte der junge Regisseur Jan Philipp Gloger vor der Premiere.
Der Holländer ist kein Ahasver, der ruhelos über die Weltmeere segelt und vergeblich auf Erlösung wartet. Er ist gelangweilt von der Welt, in der man alles kaufen kann, auch die Ware Liebe. Er sehnt sich nach einem anderen Leben, nach dem wahren. Daland hingegen will für das Geld, das der Holländer in einem Rollkoffer bei sich führt, seine Tochter Senta verkaufen.
Die wiederum versucht, sich in des Vaters Fabrik, in der Ventilatoren hergestellt werden, dem Zwang zur Gleichförmigkeit zu entziehen. Aber in diesem Logistikzentrum läuft es nur am Schnürchen, wenn alle willenlos mitmachen. Das rote Kleid der Senta im Gegensatz zum sterilen Blassblau der gut funktionierenden Kolleginnen macht sie zu einer aktiven, revoltierenden Frau.
Der Holländer ist nicht, wie so oft, eine bloße Wahnvorstellung, er ist ein Mann aus Fleisch und Blut. Eva liebt ihn, bedingungslos. Das Geld im Koffer verbrennen sie beide lustvoll. Eine schöne Utopie, gerade in diesen Eurokrisenzeiten. Senta opfert sich für den Holländer, und am Ende stehen sie auf einem Berg von Pappkartons und der Vorhang fällt, aber die Musik ist noch nicht am Ende. Der Vorhang öffnet sich wieder und statt der Ventilatoren werden nun Statuen der beiden Liebenden versandfertig gemacht. Das Geschäft geht weiter. "Business as usual". Wie so oft: Der Protest gegen das System wird kurzerhand zum neuen Gewinn versprechenden Geschäftsmodell.
Immerhin, eine Idee hat Jan Philipp Gloger, der damit erst seine dritte Oper inszeniert hat. Da ist man nach dem Desaster mit Sebastian Baumgartens verunglücktem "Tannhäuser" bei den Festspielen 2011 schon zufrieden, aber ein bisschen brav wirkt die Inszenierung doch. Etwas mehr Frechheit hätte man sich schon gewünscht. Es scheint wie ein Atemholen nach der Aufregung vom Vorjahr und dem wahrscheinlichen, herbeigewünschten oder befürchteten Skandal, wenn im kommenden Jahr Volksbühnenintendant Frank Castorfs Version vom "Ring des Nibelungen" im Jubiläumsjahr präsentiert wird. Die Arbeiten daran sind schon im vollen Gange.
Von Gloger wird man gewiss noch mehr hören und sehen, sagt der Dirigent Christian Thielemann voller Hochachtung über den Novizen auf dem Grünen Hügel. Thielemann hat mit der Premiere vom "Holländer" seine 111. Vorstellung in diesem einmaligen verdeckten Orchestergraben dirigiert. Er meint, dass dieses Frühwerk das am schwersten zu dirigierende in Bayreuth sei, aber es ist wieder ein Genuss. Sportlich zügig geht es durch die Partitur, mit viel Piano, sehr sängerfreundlich, manchmal an Lortzing und das Singspiel erinnernd, kein lautes Scheppern.
Der kurzfristig als Holländer eingesprungene Samuel Youn geht bei den ihm vom Publikum dargebrachten Ovationen in die Knie, so erleichtert ist er. Es ist kein Meister- aber ein Gesellenstück, das er abgeliefert hat. Noch fehlt ihm die schwarze Melancholie, aber das kann noch werden. Die Bayreuth-erfahrene Adrianne Pieczonka als Senta flackert ein wenig, Franz-Josef Selig als geschäftstüchtiger Daland hat Statur. Besonders überzeugend ist als Steuermann Benjamin Bruns.
Ovationen für die Musik, Buhs für die Regie, beinahe der Regelfall im Bayreuther Festspielhaus.
Informationen der Bayreuther Festspiele zur Inszenierung "Der fliegende Holländer"