Leben an der Grenze
In Deutschland sind die Grundstückspreise günstiger als in Luxemburg. Deswegen ziehen immer mehr aus dem Großherzogtum ins Saarland. In der kleinen 8.700-Einwohnergemeinde Perl leben schon 2500 Luxemburger – und pendeln zur Arbeit über die Grenze.
Fünf Eselstuten drängen sich in Richtung Gartentor. "Es sind sehr neugierige Tiere", erzählt Annemie Marson. Paula, Ida, Lili, Lola und Lisa heißen sie - und sind Marsons ganze Stolz.
"Da wir so ein schönes Bauernhaus mit Ställen gefunden haben und auch ein bisschen Grundstück, war das ein Traum, den wir dann verwirklichen konnten", sagt Annemie Marson. Sie ist eine von 2500 Luxemburgern, die in den letzten Jahren auf die deutsche Seite der Mosel, nach Perl gezogen sind.
Verständigungsprobleme gibt es kaum
Zu Hause in Luxemburg, wo die Familie ihr Häuschen verkauft hat, hätten sie sich ihren Traum vom Leben auf dem Land gemeinsam mit ihren vier Kindern nicht erlauben können, sagt ihr Mann Jean-Claude. Das sei einfach zu teuer gewesen. "Die Grundstückspreise sind definitiv viel höher als hier in Deutschland." Über ein Jahr hätten sie in Luxemburg nach einem Haus gesucht. "Weil wir in Luxemburg anfangs bleiben wollten, aber es war unbezahlbar und hier hatten wir nach zwei Wochen unser Grundstück gefunden, Gott sei Dank."
Im Luxemburger Norden, weit ab vom pulsierenden Süden des Landes, wäre mit viel Glück eine erschwingliche Immobilie vielleicht zu finden gewesen, aber dort, sagt Annemie Marson, wollten Sie nicht hin. Weil sie ihre Freunde und ihre Familie eher im Süden hätten und ihnen die Moselgegend sehr gut gefällt, seinen sie dann irgendwann in Deutschland gelandet. "Und seit zehn Jahren sehr froh, dass wir hier sind."
Jetzt leben sie in Sichtweite von Schengen, die Stadt Luxemburg ist – sofern man nicht im Stau steht – in 20 Minuten erreichbar. Und Verständigungsprobleme gibt es keine, weil die Einheimischen vor Ort Moselfränkisch sprechen, einen Dialekt, der dem Luxemburgischen sehr ähnelt.
Darüber hinaus lernen alle Luxemburger in der Schule Französisch und Deutsch. Es sei von daher kein Problem gewesen, die Kinder ins deutsche Schulsystem einzugliedern. Auch emotional habe die Familie den Sprung über die Mosel geschafft.
"Ich denke schon, dass wir integriert sind"
"Ich denke schon, dass wir integriert sind", sagt Annemie Marson. "Wir machen mit bei Festen, beim Tag der offenen Gartentür, jetzt mit den Eseln auch. Die Leute sind sehr offen gewesen. Ich habe anfangs ein bisschen Angst gehabt, weil jetzt mehr Luxemburger auch hierherkommen. Aber dann hat mir jemand im Dorf gesagt: Wir gehen rüber zum Arbeiten und ihr kommt rüber zum Wohnen."
Über 70 Prozent der Luxemburger wohnen im Eigenheim, sie investieren in Steine und nicht in Finanzanlagen. Und wenn das im eigenen Land nicht funktioniert, wird der Weg ins Ausland beschritten.
Auch Anne-Marie Castro ist vor acht Monaten vom luxemburgischen Remig über die Brücke nach Perl gekommen und hat gekauft. Sie hätte sich auch fünf Kilometer weiter im französischen Appach umschauen können.
"Ich war mir auch Häuser in Frankreich anschauen, aber das ist nicht das Gleiche", sagt sie. "Frankreich hat nicht einmal einen Bürgersteig, einen Bürgersteig, das nennt man doch so? Oder die Müllabfuhr, alles ist anders." Die Einstellung wäre einfach eine andere.
"Und ich glaube, die luxemburgische Einstellung gut zu der deutschen Einstellung passt. Auch von der Sprache, fühle ich mich wohler mit dem Deutschen, als wenn ich täglich Französisch reden müsste, obwohl ich fließend Französisch spreche, ohne Fehler."
Unterschiede im Bildungssystem
Ihre Freunde vermisst die Familientherapeutin nicht. Denn die "wohnen fast alle hier". Zwei von ihnen, Danny und Mandy, sind mit ihren beiden Kindern zu Besuch. Sie sind vor vier Jahren, als das erste Kind unterwegs war, nach Deutschland umgezogen. 20 Kilometer weiter ins saarländische Hinterland. Inzwischen sind sie auch dort nicht mehr allein, sagt Danny. "In letzten Jahr ist die Nachbarin ausgezogen und da kamen jetzt Luxemburger hin, ein Paar. Er ist fast 60 und es gibt auch da keine Altersgrenze, man kann nicht sagen, alle jungen Leute ziehen aus. Es zieht auch die Älteren an, um einfach Ruhe zu haben."
Sie haben Deutschland auch wegen der Kinder den Vorzug gegeben, ergänzt Mandy.
"Ich weiß, was das Pädagogische anlangt, dass sie uns um einig Jahre voraus sind. Es wird bei kleinen Kindern viel spielerischer an vieles herangegangen, weniger Druck viel mehr Bedürfnisorientiert, das war mir halt sehr wichtig für meine Kinder."
Vor einigen Jahren hat die Gemeinde Perl ein sogenanntes Schengen-Lyceum aufgebaut, eine Schule, an der vom Hauptschaulabschluss bis zum Abitur sämtliche Abschlüsse erworben werden können, deutsche wie luxemburgische.
"Ich fühle mich als Luxemburger"
Hierhin kommen deutsche Schüler, ein paar französische, Luxemburger, die in Luxemburg wohnen, und Luxemburger, die in Deutschland wohnen. Die am häufigsten gesprochene Sprache ist Deutsch, aber Luxemburger wollen die meisten Schülerinnen und Schüler der Oberstufe bleiben.
"Ich wohne seit sieben Jahren hier und fühle mich immer noch als Luxemburger, weil ich die ersten Jahre meiner Kindheit in Luxemburg verbracht habe."
"Ich wohne erst seit knapp drei Jahren hier, und es ist nicht wirklich ein großer Unterschied zu Luxemburg, man lebt zwar auf der anderen Seite der Grenze, aber es macht keinen großen Unterschied für mich."
"Ich fühle mich als Luxemburger, weil die wir auch zu Hause Luxemburgisch reden. Ich find auch nicht, dass es einen Unterschied macht, in welchem Land man lebt, es ist halt einfach eine Gegend, es macht nicht wirklich was aus, zu welcher Nationalität das gehört."
Das einzige was die Schülerinnen und Schülern extrem stört, sind die miserablen Busverbindungen auf deutscher Seite. Auf der anderen Seite der Grenze ist jedes noch so kleine Kaff mehrmals in der Stunde mit dem Bus erreichbar, und der Transport ist für Schüler kostenlos. In Deutschland sieht das anders aus. "Von Besch bis nach Perl, 45 Euro im Monat für fünf Kilometer", erzählt einer der Schüler.
Die Steuern werden in Luxemburg gezahlt
Der Perler Bürgermeister Ralf Uhlenbruch holt seine Kinder von der Schule ab. Er kennt das Problem des ausgedünnten und zudem teuren ÖPNV. Aber, er hat auch ein kleines Problem: Die Bewohner seiner Kommune zahlen kaum Steuern.
"Generell ist es so, dass auch die Einheimischen, die in Luxemburg arbeiten, ihre Steuern in Luxemburg abführen, an der Quelle." - Ob Luxemburger oder Deutsche, fast alle arbeiten im Großherzogtum und versteuern auch dort. So will es das zwischen Deutschland und Luxemburg ausgehandelte Doppelbesteuerungsabkommen. "Und da wäre es natürlich schön, wenn wir einen Teil vom Kuchen abbekämen. Aber andererseits wird das Geld ja hoffentlich auch hier in der Gemeinde Perl ausgegeben."
Das tun sie. Die Gehälter sind wesentlich höher als in Deutschland und die Besteuerung – insbesondere für Familien – sehr viel günstiger. Es ist also Geld im Portemonnaie, und davon profitieren das Handwerk, der Handel, die Gastronomie und natürlich der Immobiliensektor.