Superjachten ade

Warum Luxus dem Kapitalismus schadet

08:40 Minuten
Aus dem Wasser ragender Bug einer gesunkenen Motoryacht vor der franzöischen Küste im Mittelmeer
Früher prahlten die Reichen mit ihren teuren Pferden, heute mit ihrer Yacht, wenn sie denn nicht gesunken ist. Das Bedürfnis nach Luxus gab es jedenfalls schon immer. © imago
Ulrike Herrmann im Gespräch mit Martin Böttcher · 14.01.2023
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Ausgerechnet der Kapitalismus hat Luxusgüter demokratisiert, sagt die Journalistin Ulrike Herrmann. Was früher unerschwinglich war, kann sich heute jeder leisten. Generell wirke Luxus sich negativ auf unser kapitalistisches Wirtschaftssystem aus.
Luxus ist und war schon immer ein Statussymbol – heute und vor Tausenden Jahren. Das habe mit unserer heutigen Wirtschaftsform nichts zu tun, betont Ulrike Herrmann. Sie ist wirtschaftspolitische Korrespondentin der taz und hat vor Kurzem das viel beachtete Buch „Das Ende des Kapitalismus: Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind“ veröffentlicht.

Luxus als urmenschliches Bedürfnis

„Alle Menschen in allen Zeiten haben immer Luxus gewollt. Das war schon im antiken Rom so“, sagt Herrmann. „Sobald die Menschen sesshaft wurden, Eigentum hatten, also vor ungefähr 10.000 Jahren. Die soziale Hierarchie wurde sehr wichtig, und die hat man durch Luxus markiert.“

Luxus ist ein urmenschliches Bedürfnis. Es geht darum, sich von anderen Menschen abzugrenzen und abzuheben. Luxus ist ein Zeichen dafür, dass man in der Hierarchie ganz oben ist.

Ulrike Herrmann, wirtschaftspolitische Korrespondentin der taz

Die Vorstellungen von Luxus hätten sich dabei im Laufe der Zeit gar nicht so sehr gewandelt. Schmuck und Kleidung seien schon immer relevant gewesen. Auch die Größe und Ausstattung des eigenen Hauses war damals wie heute ein entscheidendes Kriterium für Luxus, so Herrmann.
„Was früher sehr wichtig war: Ob man über andere Menschen herrschen konnte, also die Sklaven.“ Was heute dazugekommen ist: die Technik – das Smartphone, die Jacht, das Privatjet.

Vom Luxusgut zur Ramschware

Eine Entwicklung kann Herrmann bezüglich Luxusgütern allerdings – getrieben durch den Kapitalismus – ausmachen: eine Art Demokratisierung. Heutzutage könne sich beispielsweise fast jeder ein Smartphone leisten, weil es ein solches Gerät nicht nur im extrem hohen Preissegment, sondern auch als günstige Massenware zu kaufen gibt.
„Diese Demokratisierung des Luxus ist typisch Kapitalismus. Man kann den Kapitalismus so beschreiben, dass Menschen sich heute Gegenstände leisten können – und zwar für wenige Cent –, die früher nur Könige hatten“, sagt Herrmann.
Als Beispiel verweist die Wirtschaftsjournalistin auf Nylonstrümpfe beziehungsweise entsprechende Seidenstrümpfe als Vorgängermodelle. „Das kostet heute praktisch nichts. Das wäre von 200 Jahren undenkbar gewesen.“ Der Kapitalismus mache Luxusprodukte billig. „Das haben wir natürlich dem technischen Fortschritt zu verdanken.“

Die Mittelschicht als Träger des Kapitalismus

Die These, dass der Luxus den Kapitalismus antreibe, ist aus Sicht Herrmanns falsch. „Der Kapitalismus wird nicht durch die Luxusprodukte der Reichen gefördert, sondern ganz im Gegenteil behindert.“
Denn Kapitalismus sei der Einsatz von Technik. „Technik lohnt sich nur, wenn man viele Produkte damit billig herstellen kann. Das heißt, der Kapitalismus als System lebt vom Massenkonsum der Angestellten.“

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Luxusgegenstände werden ganz im Gegensatz dazu meist noch handwerklich und in geringer Stückzahl hergestellt. „Wenn es nur noch ganz wenige Reiche gäben, wenn alle anderen arm wären, dann würde der Kapitalismus sofort zusammenbrechen.“
Der Kapitalismus funktioniere also umso besser, je weniger Unterschiede es zwischen Arm und Reich gibt, so Herrmann. „Der Träger ist die Mittelschicht.“

Immaterieller Luxus wie Zeit

Wenn man will, dass der Kapitalismus funktioniert, muss man diese Mittelschicht ausweiten. Auf gar keinen Fall darf man denken, dass die Reichen noch reicher werden müssen.

Ulrike Herrmann, wirtschaftspolitische Korrespondentin der taz

Luxus muss allerdings nicht immer eine große Jacht oder ein vergoldetes Steak sein. Oft sind es immaterielle Dinge wie etwa Zeit, sagt Herrmann. „Das ist jedem bekannt: Wir müssen sterben. Zeit ist das einzige wirklich knappe Gut im Leben eines Menschen. Die Leute sagen immer: Ich habe überhaupt gar keine Zeit.“
Gleichzeitig würden viele aber sehr verschwenderisch mit ihrer Zeit umgehen und beispielsweise Konsumgüter kaufen, die sie gar nicht brauchen würden, die aber Arbeit machen, weil sie repariert und gepflegt werden müssen. „Das ist schon erstaunlich, dass die Leute ihr wichtigstes Gut, die Zeit, ganz oft auch wegschmeißen.“
(lkn)
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