Luxuskinder, Discountkinder
Das alte Denkmodell des Erziehungsgeldes ging davon aus, dass diese Gesellschaft Kinder braucht und will, weshalb Eltern prinzipiell und unabhängig von ihrem sozialen Status zu unterstützen seien. Das neue Modell betrachtet die Unterstützung von Eltern nicht mehr als Aufgabe der Gesellschaft, sondern als wirtschaftliche Investition.
So werden in einer seltsamen sozialpolitischen Umkehrung Gutverdiener zu Empfängern von Transferzahlungen. Man könnte aber genauso gut, der zugrunde liegenden Marktlogik folgend, von Anschubfinanzierung sprechen. Der Staat, um es sehr zugespitzt zu sagen, investiert so gezielt in ein interessantes und zukunftsträchtiges Produkt: das Kind von gut ausgebildeten Eltern, denen materielle Sicherheit wichtig ist. Von Eltern, die ökonomisch denken und auch in der Lage sind, ihrerseits in die Bildung, die Gesundheit, die Leistungsfähigkeit ihres Kindes zu investieren.
Ein Freund, Vater von fünf Kindern, wurde beim Einwohnermeldeamt von der Beamtin entsetzt gefragt: "Wie viele Kinder? Fünf?" Auf die bejahende Antwort fiel ihr nichts ein als ein Achselzuckendes: "Na, wenn Sie sich das leisten können."
Kinder sind etwas, das man sich leisten muss: Wir leben in einer Gesellschaft, in der nach und nach alles Warencharakter annimmt, Bildung ebenso wie Sexualität. Wer es sich also leisten kann, investiert in sein Kind: Ein Platz im privaten Kindergarten, mehrsprachig, mit zwei Jahren; danach Privatschule mit fünf; Musik- und Sportunterricht, Führerschein mit 18, Business School mit 20. Die richtige Schule für das Kind ist inzwischen ein Statussymbol für Eltern, wie das Auto und die Wohnanschrift, ein Distinktionsmerkmal. Das Kind, das eine solche Bildungskarriere durchläuft – die entsprechende äußere Ausstattung inklusive -, ist ein hochwertiges Produkt mit ausgezeichneten Marktchancen.
Und dann gibt es eben die Kinder, in die nicht investiert wird: Kein Eltergeld, kein Kindergartenplatz, öffentliche Schule in heruntergekommenen Gebäuden und zu großen Klassen, für zusätzliche Bildung haben die Eltern kein Geld und kein Interesse. Diesen Kindern wird kein ökonomischer Wert beigemessen, und damit, das ist das Bittere daran, auch kein sozialer. Marktlogik eben. Sie werden wahrgenommen wie Billigprodukte, wie Massenware. Zynisch ausgedrückt: Ramsch. Dieser Zynismus ist die vielleicht zwangsläufige Folge, wenn eine Gesellschaft sich als Konsumgemeinschaft wahrnimmt und der Staat wie ein Unternehmen agiert.
Doch an den Kindern hängt die Zukunft, unser aller Zukunft. Und es wäre jetzt ganz falsch, zu sagen: wir können uns nicht leisten, so viele Kinder nicht zu unterstützen, zu bilden und auszubilden, weil das dann später wieder viele Milliarden kostet. Es wäre falsch, weil Kinder keine ökonomische Frage sind, sein dürfen. Kinder sind kein Produkt, der Staat kein Investor, Eltern keine Manager. Wenn dem so wäre, könnten wir als Gesellschaft gleich an die Börse gehen.
Katharina Döbler, Journalistin und Autorin in Berlin, Redakteurin bei "Le Monde diplomatique", schrieb für NZZ, FAZ, sowie immer noch für DIE ZEIT und den Rundfunk. Ein Roman ist gerade erschienen: "Die Stille nach dem Gesang".
Ein Freund, Vater von fünf Kindern, wurde beim Einwohnermeldeamt von der Beamtin entsetzt gefragt: "Wie viele Kinder? Fünf?" Auf die bejahende Antwort fiel ihr nichts ein als ein Achselzuckendes: "Na, wenn Sie sich das leisten können."
Kinder sind etwas, das man sich leisten muss: Wir leben in einer Gesellschaft, in der nach und nach alles Warencharakter annimmt, Bildung ebenso wie Sexualität. Wer es sich also leisten kann, investiert in sein Kind: Ein Platz im privaten Kindergarten, mehrsprachig, mit zwei Jahren; danach Privatschule mit fünf; Musik- und Sportunterricht, Führerschein mit 18, Business School mit 20. Die richtige Schule für das Kind ist inzwischen ein Statussymbol für Eltern, wie das Auto und die Wohnanschrift, ein Distinktionsmerkmal. Das Kind, das eine solche Bildungskarriere durchläuft – die entsprechende äußere Ausstattung inklusive -, ist ein hochwertiges Produkt mit ausgezeichneten Marktchancen.
Und dann gibt es eben die Kinder, in die nicht investiert wird: Kein Eltergeld, kein Kindergartenplatz, öffentliche Schule in heruntergekommenen Gebäuden und zu großen Klassen, für zusätzliche Bildung haben die Eltern kein Geld und kein Interesse. Diesen Kindern wird kein ökonomischer Wert beigemessen, und damit, das ist das Bittere daran, auch kein sozialer. Marktlogik eben. Sie werden wahrgenommen wie Billigprodukte, wie Massenware. Zynisch ausgedrückt: Ramsch. Dieser Zynismus ist die vielleicht zwangsläufige Folge, wenn eine Gesellschaft sich als Konsumgemeinschaft wahrnimmt und der Staat wie ein Unternehmen agiert.
Doch an den Kindern hängt die Zukunft, unser aller Zukunft. Und es wäre jetzt ganz falsch, zu sagen: wir können uns nicht leisten, so viele Kinder nicht zu unterstützen, zu bilden und auszubilden, weil das dann später wieder viele Milliarden kostet. Es wäre falsch, weil Kinder keine ökonomische Frage sind, sein dürfen. Kinder sind kein Produkt, der Staat kein Investor, Eltern keine Manager. Wenn dem so wäre, könnten wir als Gesellschaft gleich an die Börse gehen.
Katharina Döbler, Journalistin und Autorin in Berlin, Redakteurin bei "Le Monde diplomatique", schrieb für NZZ, FAZ, sowie immer noch für DIE ZEIT und den Rundfunk. Ein Roman ist gerade erschienen: "Die Stille nach dem Gesang".