Schieflage im senkrechten Dorf
Das Colonia-Hochhaus in Köln ist 40 Jahre alt und muss dringend saniert werden. Doch viele Bewohner lehnen die Pläne ab. Sie fürchten die Kosten und um das Gesicht ihres Hauses. Der Denkmalschutz könnte ihnen zu Hilfe kommen.
Sven Gabler: "Jetzt könnten wir dann den Pförtner mal fragen: Herr Grabe liegt heute etwas Besonderes an, ist irgendwas Spezielles vorgekommen?"
Antwort: "Im Moment gar nichts, diese Woche auch nicht, Wochenende auch nicht. Im Moment ist alles ruhig."
Sven Gabler: "Dann gehe ich jetzt mal hoch und gucken, was die Zuluft macht von der Temperatur her. Da hatten wir in letzter Zeit ein bisschen Schwierigkeiten, und gucken uns das mal an, ob das läuft."
Für Sven Gabler läuft der Tag bisher ruhig. Er ist Hausmeister in Deutschlands höchstem Wohnhaus, dem Colonia-Hochhaus in Köln. Und damit zuständig für über 350 Parteien, die sich auf 44 Stockwerke verteilen. Er fährt ins Herz des Gebäudes nach ganz oben unters Dach in den Technikraum:
"Da haben wir vier sehr schnelle Aufzüge, die mit 3,5 Meter pro Sekunde fahren. Würde auch schneller gehen, aber wenn sie schneller fahren, wird den Leuten etwas schummrig im Bauch."
Keine 30 Sekunden später ist er oben. Zwar noch nicht ganz auf der kompletten Höhe von 147 Metern. Aber über den 44 bewohnten Stockwerken. Viel höher darf es in Köln auch gar nicht gehen, schließlich soll der Dom nicht überbaut werden. Das Colonia-Hochhaus bleibt genau zehn Meter unter dem Aushängeschild der Stadt. Der Dom ist vom Technikraum aus nicht zu sehen. Dafür allerhand Rohre für die Belüftungsanlage. Denn von hier weit über der Stadt wird das komplette Haus mit Luft und Wärme versorgt. Das muss Sven Gabler täglich kontrollieren.
"Es ist immer was Besonderes, weil es ist natürlich ein sehr hoher Arbeitsplatz. Es ist sehr viel Technik dahinter, die überwacht und überprüft werden muss. Ich persönlich bin zufrieden, wenn diese ganze Technik auch einwandfrei funktioniert, dann habe ich einen guten Job gemacht. Dann gehe ich auch immer noch gerne auf die Außenfläche und gucke morgens kurz über Köln."
Dann genießt er den überwältigenden Blick über die Stadt. Die Pferderennbahn weit im Norden kämpft sich aus dem Morgendunst, und auf der anderen Seite im Süden zeichnet sich hinter dem Flughafen das Siebengebirge ab. Dazu kommt der Blick auf das berühmte Kölnpanorama mit Dom und Altstadt. Der Rhein dampft an diesem kalten Herbstmorgen vor sich hin. Zum Fluss haben die Bewohner eine ganz besondere Verbindung, schließlich bietet das Haus von jeder der 352 Wohnungen Rheinblick.
Eine hohe fünfstellige Summe für jeden Einzelnen
Seit 40 Jahren steht es hier – direkt am Fluss – begrenzt sozusagen die Stadt im Norden. Der Vorgänger von Sven Gabler ist Hausmeister Schneider. Jeden Morgen, wenn sein Nachfolger oben den Blick über die Stadt genießt, geht er unten mit seinem Hund Gassi. Er kann sich noch gut an die Anfänge 1973 erinnern, wie er einer Nachbarin erzählt, die er unten getroffen hat:
"Am 17.7 bin ich als Erster eingezogen, 1973, und dann waren ab 20.7 jeden Tag drei, vier Einzüge. Das ging genau nach Plan. Bei einer 4-Zimmer-Wohnung, die hatten also fünf Stunden Zeit. Die mussten das Zeug ja hochbringen. Zwei Zimmer, zwei Stunden, drei Zimmer, drei Stunden. Das hat ja manchmal nicht geklappt, da kamen die aus Hamburg, und anstatt um 9 Uhr da zu sein, kamen die erst um 10. Und da haben die sich fast gekloppt, die Möbelpacker. Und dann ging das Schlag auf Schlag, da hatten wir jeden Tag fünf Einzüge."
40 Jahre später sieht es hier immer noch fast so aus wie zur Eröffnung. Der Namensgeber klebt allerdings schon lange nicht mehr an der Fassade, das Logo einer anderen Versicherung leuchtet nun von hier über Köln. Dennoch ist der erste Name für das Haus geblieben, auch weil bei der Eröffnung in den 70ern das Colonia-Haus noch Europas höchstes Wohnhaus war.
Zuerst wurden die Wohnungen nur vermietet, Ende der 90er-Jahre dann mehrheitlich in Eigentum umgewandelt. Auch Ex-Hausmeister Schneider hat damals gekauft. Doch jetzt drohen ihm und allen anderen Eigentümern hohe Kosten für die nach vier Jahrzehnten anstehende Sanierung. Das Haus ist auf seiner gesamten Länge mit einer Außenfassade aus Waschbeton ausgestattet. Das gibt ihm seine unverwechselbare Optik. Doch diese fängt langsam an zu bröckeln. Über die Art und Weise der Sanierung gibt es seit geraumer Zeit Ärger. Denn die Verwaltung will dem Haus eine neue Fassade und Glasbalkone verpassen, damit würde die ohnehin schon teure Maßnahme noch kostenintensiver.
"Wenn man diese Fassade abreißt, das würde schon neun, zehn, 15 Millionen kosten, über den Daumen gepeilt. Genau kann ich das ja nicht sagen. Und eine Restaurierung der Fassade, also eine Reparatur, würde jetzt vielleicht 1,9 Millionen kosten. Geplant ist also von Seiten unserer Verwalter und Beirat, dass man einfach diese Fassade aus Waschbeton abreißt, die Sanierung vielleicht jetzt zu aufwendig ist, und aus Glas die Balkonbrüstung machen soll.
Als die Verwaltung ihre Pläne den Eigentümern präsentierte, war die Idee mit den Glasbalkonen eine von mehreren Varianten. Aber wohl auch die bevorzugte – entsprechend beworben in einem Prospekt. Tatsächlich ist sie sogar mit 17 Millionen Euro veranschlagt, die auf die 352 Parteien umgelegt werden. Da kann für jeden Einzelnen schon eine hohe fünfstellige Summe zusammenkommen. Die Pläne machten erst nach und nach im Haus die Runde.
Und so dauerte es ein wenig, bis den Bewohnern klar wurde, welche enorme finanzielle Beteiligung mit der Variante "Glasbalkone" auf sie zukommen würde. Daraufhin organisierten sich viele Eigentümer in dem neu geschaffenen "Forum Colonia", um die Pläne zu verhindern. Bettina Hurrelmann ist emeritierte Professorin, lebt seit Ende der 90er-Jahre hier, und engagiert sich im Forum aktiv für den Erhalt des Hauscharakters – es geht ihr weniger um die Kosten:
"Die baulichen Besonderheiten bestehen darin, dass das ganze Haus bei allen Wohnungen ringsherum Balkone hat. Und das sind insgesamt fünf Kilometer Balkone. Und die Balkone betonen natürlich bei der enormen Höhe des Hauses zugleich die Waagerechte. Und das ist ein Charakteristikum des Hauses, dass es also nicht nur wie ein hoher Turm wirkt, sondern die Waagerechte durch die Balkone ständig auch betont."
"Das bringt viele Bewohner hier im Hause in große Probleme"
Bettina Hurrelmann lebt knapp über den Baumwipfeln im sechsten Stockwerk. Jedes Stockwerk ähnelt dem anderen. Es sind immer neun Parteien pro Etage. Von der Einraumwohnung bis zu vier Zimmern mit 120 Quadratmetern wie bei Bettina Hurrelmann ist hier alles zu finden.
"Wenn ich hier um die Ecke kam, und sah dann das Kölnpanorama. Das hat was erhebendes, da weiß man, wo man ist. Das erschöpft sich überhaupt nicht, das finde ich auch erstaunlich."
Sie fühlt sich wohl in ihrer Wohnung zur Domseite, und will hier - wie so viele im Haus - ihren Lebensabend verbringen. Die Kosten für die Sanierung schrecken sie nicht, ihr ist bewusst, dass großer Handlungsbedarf besteht:
"Wenn man so sanieren muss nach 40 Jahren, wenig geschehen ist an der Fassade, dann muss man davon ausgehen, dass das ordentlich Geld kostet. Das kostest richtig Geld. Und das bringt viele Bewohner hier im Hause in große Probleme. Gerade Ältere, die auch gedacht haben, dass ist ihre Alterssicherung, dass sie sich eine Eigentumswohnung gekauft haben. Die stehen plötzlich vor dem Problem, sie müssen da Zigtausende aufbringen, eventuell Kredite aufnehmen, oder erst einmal einen Kredit kriegen. Das macht Schlaflosigkeit, oder Gesundheitsprobleme. Das bringt die Menschen richtig in Schwierigkeiten, das muss man sagen."
Und da spricht Bettina Hurrelmann nur von der normalen Sanierung des Hauses, nicht von der Variante mit Glasbalkonen. Darüber hinaus sind Rücklagen dafür praktisch kaum vorhanden. Momentan stehen die bei 700.000 Euro, damit wird man für die Fassade nicht weit kommen. Gerade deshalb hat sich die Hausverwaltung verpflichtet gefühlt, Finanzierungswege für die verschiedenen Varianten der Fassadensanierung aufzuzeigen, wie der Geschäftsführer Michael Petr erläutert:
"Erst einige Zeit, als den Leuten wahrscheinlich bewusst wurde, wenn es zu dieser großen Erneuerung kommt mit sagenhaften 17 Millionen Euro, dass es dann auch zu einer extremen Belastung kommt für den einen oder anderen Bewohner. Das ist natürlich nicht für jeden finanzierbar. Dafür haben wir dann auch noch Finanzierungsmöglichkeiten aufgezeigt. Wenn ein 75-Jähriger auf einmal 25.000 Euro finanzieren muss, und in dem Alter selber will man ja keine Schulden mehr haben, ist das eher meines Erachtens ein Kopfproblem. Weil die Wohnung ist dann ja auch mehr Wert."
Hausmeister Sven Gabler beschäftigt sich eher mit den kleineren Problemen, die er täglich im Colonia-Hochhaus bewältigen muss. Auch wenn die Sanierung wie ein Damokles-Schwert über den 44 Stockwerken schwebt, der Alltag muss ja auch funktionieren:
"Da war der Mitarbeiter von der Rhein-Energie, da weiß ich gar nicht, wo der jetzt hinfährt. Da müssen wir jetzt mal nachfragen. Herr Grabe, der Mitarbeiter von der Rhein Energie, wo ist der jetzt hingefahren?"
"In die 24. Etage, nach dem Stromzähler gucken."
"Dann kann ich ja direkt mitfahren, und höre mal, was da los ist."
Die Bewohner im "Forum Colonia" fühlen sich übergangen
Wieder geht es in den Aufzug für den Hausmeister. Einer ist eigentlich immer da von den Vieren. Wie oft Sven Gabler täglich damit fährt, weiß er nicht. Anstrengend wird es, wenn die Anlage komplett ausfällt. Dann nimmt er sich eine halbe Stunde Zeit, um die Treppen von unten bis nach ganz oben unterm Dach zur Steuerung der Aufzüge zu laufen. Heute geht es allerdings ganz normal mit dem Fahrstuhl zum Strom-Monteur:
"So jetzt müssen wir mal gucken, guten Morgen."
"Guten Morgen. Ich hab' leider die undankbare Arbeit, heute den Zähler abzuschalten, weil die Stromrechnung nicht bezahlt wurde."
"Aber das obliegt natürlich jedem Bewohner selber, sich bei dem jeweiligen Unternehmen anzumelden. Wenn das nicht passiert, wird der Strom gesperrt. Das kommt durchaus vor."
Bei der Außensanierung sitzen dagegen alle Eigentümer in einem Boot, und müssen zügig zusammen eine Lösung finden. Seit dem Jahr 2000 ist die Fassade in Kieselstein-Optik eigentlich großes Thema im Colonia-Hochhaus, erläutert Hausverwalter Michael Petr. Auch er besitzt ebenfalls eine hohe Identifikation mit dem Gebäude, schließlich betreut er es seit über 17 Jahren. Auch die Idee mit den Glasbalkonen sollte man seiner Einschätzung nach diskutieren. Trotz der hohen Kosten für die Eigentümer:
"Für die größte Wohnung würde man 70.000 Euro zahlen, dann hätte man nicht nur einen neuen Balkon, sondern man hätte auch eine neue Heizung gehabt, und auch neue Fenster gehabt. Das haben wohl verschiedene Eigentümer ausgeblendet. Wenn wir jetzt nur noch die Fassade machen, ist es natürlich schon deutlich günstiger. Trotzdem ist es noch ein hoher Betrag. Auch wenn es dann nur noch 30.000 oder 40.000 Euro wären, ist das eine immense Summe, die zu einem Wertzuwachs zur Wohnung gehört. Was sollen wir sonst machen?"
Dass die Verwaltung handeln muss, wissen auch die Vertreter des "Forum-Colonia", die sich seit der Veröffentlichung der Pläne gegen eine Luxussanierung engagieren. Denn sie fühlen sich einfach übergangen. Und geben hier dem so genannten Beirat des Hauses eine größere Schuld als der Verwaltung selber. Dieser hatte die Verwaltung mit den Planungen für die Luxussanierung sozusagen beauftragt. Denn im Beirat sitzen auch Eigentümer aus dem Colonia-Hochhaus, und sollen die Interessen der Gemeinschaft wahren. Allerdings werden sie auf mehrere Jahre fest dort reingewählt, und sind insgesamt nur zu siebt. Im Forum um Bettina Hurrelmann sitzen dagegen zurzeit mehr als zehnmal so viele Bewohner, und fühlen sich in diesem inoffiziellen Gremium besser vertreten als im eigentlich dafür vorgesehenen Organ:
Bettina Hurrelmann: "Der Beirat hat die Aufgabe, die Kommunikation herzustellen und die Verbindung darzustellen zwischen der Eigentümerschaft und der Verwaltung. Und das hat in diesem Hause nicht so zu unserer Zufriedenheit geklappt. Also die Eigentümer fühlten sich nicht alle gut vertreten, und sie fühlten sich vor allem nicht gut informiert, über das, was eben im Beirat dann beschlossen wurde, und was der Verwalter ausgeführt hat."
Das ging dann sogar soweit, dass schon einmal ein Glasbalkon an der Fassade als Muster angebracht wurde. Diese öffentlichkeitswirksame Maßnahme sollte die entsprechende Überzeugungsarbeit bei den Bewohnern im Haus leisten. Schließlich müssen bei einer solch baulichen Veränderung mit Modernisierungscharakter insgesamt drei Viertel der Eigentümer zustimmen. Würde die bisherige Optik bei der Sanierung beibehalten, reicht dagegen ein einfacher Mehrheitsbeschluss. Die Herausnahme eines Betonelements aus der Fassade förderte dann aber ganz andere Erkenntnisse zu Tage als gedacht, wie Verwalter Michael Petr berichtet. Denn so konnte festgestellt werden, wie schwer beschädigt sie eigentlich ist:
"Nachdem man dann dieses Element entfernt hat, hat man leider festgestellt, dass die Korrosion des Stahles in der Balkonplatte beziehungsweise in dem Brüstungselement stärker korrodiert war als vorher gedacht. Dann hat man dafür ein Glaselement eingesetzt, was aus optischen Gründen von jedem anders wahrzunehmen ist. Heute sage ich, dass sieht nicht schön aus. Das sehen ja auch viele andere so."
Der Denkmalschutz ist aufmerksam geworden
Weitere Untersuchungen sollen jetzt erst einmal helfen, Lösungsvorschläge für die Fassadenrestaurierung zu liefern. Erst danach soll es dann in einem zweiten Schritt noch einmal um die Optik gehen. Aber nicht nur deshalb ist die Luxussanierung zurzeit erst einmal in den Hintergrund getreten. Dabei spielt neben dem großen Widerstand aus dem "Forum Colonia" und dem Musterfall eines Glasbalkons auch noch eine andere Entwicklung aus den letzten Wochen eine Rolle. Denn Kölns Denkmalschutz ist auf das Colonia-Hochhaus aufmerksam geworden, und lässt gerade vom Landeskonservator in Nordrhein-Westfalen prüfen, ob das Gebäude unter Denkmalschutz gestellt werden kann. Dann wäre eine bauliche Veränderung der Fassade mit Glasbalkonen eh vom Tisch. Der Chef der Denkmalbehörde, Dr. Thomas Werner, erklärt, was aus seiner Sicht das Haus so schützenswert macht:
"Beim Colonia-Hochhaus kommt es natürlich hinzu, durch seine Materialität, Waschbeton, also Sichtbeton, diese riesigen auskargenden Betonplatten, und die dahinter zurücktretende Front, die im Dunkeln liegt, die eigentlich die Fensterfront ausmacht. Das ist natürlich eine immense skulpturale Wirkung. Das ist wie eine Großplastik eigentlich anzusehen, und nicht wie ein Gebäude. Also das Besondere ist natürlich auch aus der gesellschaftlichen Sicht: Das sind über 350 Wohneinheiten, da wohnen Minimum 700 Bürger drin. Das ist eine Stadt in der Stadt, und die ist vertikal angelegt. Das ist schon 'ne Welt für sich.“
Das Dorf in der Senkrechten begeistert Kölns obersten Denkmalhüter. Vom Grabstein über den Grüngürtel bis hin zum Kölner Dom betreut Dr. Thomas Werner 9.500 Denkmäler in der Stadt. Das sind knapp zehn Prozent von ganz Nordrhein-Westfalen. Und jetzt will er die Dekade der 70er-Jahre städtebaulich erhalten. Und startet mit der Landmarke Colonia-Hochhaus. Doch er und seine Behörde müssen sich beeilen, weil all diese bis zu 40 Jahre alten Gebäude spätestens jetzt saniert werden. Ein Wettlauf gegen die Zeit:
"Für uns ist natürlich entscheidend, wenn solche Maßnahmen anstehen, die wir auch beobachten, gerade an so großen Gebäuden. Weil wir sagen, wenn es jetzt in eine Richtung saniert würde, ich sage jetzt mal: Wärmedämpfverbundsystem und weißer Putz drauf, oder riesige Glasbalkone, dann ist natürlich diese Qualität total verschoben. Und fällt für uns als Denkmal raus, denn dann ist es ein Gebäude des 21. Jahrhunderts und nicht mehr der 70er-Jahre. Aber man kann natürlich die Eigentümer wecken für ihr Gebäude, was es eigentlich ausmacht. Dass es ein Zeitzeuge ist, und warum es so aussieht, wie es heute aussieht. Und das ist glaube ich eine Kommunikationssache."
So wie es beim "Forum Colonia" um Bettina Hurrelmann der Fall war. Gerade durch den Austausch mit der Denkmalbehörde bekam die Initiative Rückenwind und stemmte sich aller Voraussicht nach erfolgreich gegen die Luxussanierung mit den Glasbalkonen. Denn es gilt als realistisch, dass zumindest die Fassade bis Anfang 2014 unter Denkmalschutz gestellt wird. Dann müsste die Verwaltung die bestehende Optik aus Waschbeton beibehalten. Auf jeden Fall sollen die Sanierungsarbeiten 2015 beginnen, um das Wohnen in Deutschlands höchstem Wohnhaus weiter zu ermöglichen.
Die Schieflage ist ein wenig gerader gerückt
Damit es auch in Zukunft aus dem senkrechten Dorf so herrliche Anekdoten zu erzählen gibt wie sie der ehemalige und erste Hausmeister Schneider vom Richtfest zum Besten gibt:
"Und dann fuhr ja in einem Schacht ein Aufzug außerhalb des Hauses. Wie so ein Affenkäfig mit Draht oben und unten. Da hing der dran, und dann fuhr der hoch. Und dann war die ganze Hautevolee da, und wollte nach oben. Und zwischen 25 und 30 machte der Aufzug auf einmal "Bub, bub, bub", und wir bleiben hängen. Da wurden die schon alle blass. Und dann nahm der Bauleiter sein Funkgerät und sagte "Herr Pastor, bitte kommen, Herr Pastor". Da wurden die noch blasser, die dachten, die kriegen die letzte Ölung. Aber der andere Bauleiter hieß Pastor. Und der sollte mit dem anderen Aufzug eine Leiter hochbringen, fuhr noch einer, und da hat der die da hingestellt. Und das waren ja schon alles betuchte Herren, die Politiker, die sich das angesehen haben. Aber ich habe noch nie jemanden so schnell aus dem Aufzug herausklettern sehen, und keiner ist mit dem anderen mehr nach oben gefahren. Alle sind zu Fuß runtergelaufen."
Die Schieflage im senkrechten Dorf ist durch die letzten Entwicklungen jedenfalls ein wenig gerader gerückt. Denn die anstehende Sanierung hat auf jeden Fall noch einmal zu mehr Miteinander geführt, gerade die überwiegend älteren Bewohner sind mehr in Kontakt miteinander.
Gelernt haben aber die Beteiligten, dass alle Seiten kommunikativer werden müssen. Denn die größte Unruhe, so stellt Hausmeister Sven Gabler fest, kam durch das Gerede untereinander im vertikalen Dorf auf:
"Und der eine Bewohner erzählt irgendwie etwas, was dann vielleicht auch nicht ganz der Wahrheit entspricht. Der andere Bewohner nimmt das für bare Münze, und schon ist die Unruhe da. Und gibt das dann weiter, und das ist dann so wie stille Post. Jeder packt noch ein Schnippchen mit dazu, und dann ist der Ärger irgendwie vorprogrammiert, oder viel mehr die Ungewissheit ist vorprogrammiert."
Diese wird sich spätestens dann erledigt haben, wenn Deutschlands höchstes Wohnhaus ein Denkmal wird. Ruhe ist hier allen wichtig. Alles soll seine Ordnung haben, damit das Leben angenehm in dieser einmaligen Atmosphäre verläuft. Die Bewohner haben hier über die Jahre die Annehmlichkeiten schätzen gelernt. Das hauseigene Schwimmbad inklusive Sauna, das hauseigene Brauhaus, die hauseigene Kindertagesstätte, das hauseigene dreigeschossige Parkhaus, in dem Sven Gabler mittlerweile bei einem seiner Kontrollgänge angekommen ist. Hier gibt es unter anderem Einkaufswagen für die Bewohner, damit sie ihre Einkäufe nicht schleppen müssen, sondern ganz bequem vom Parkhaus aus damit in ihre Wohnung fahren können. Das Leben hier ist schon luxuriös, an fast alles ist gedacht. Auch wenn selbst das vertikale Dorf seine Bewohner nicht vor Einsamkeit schützen kann.
Sven Gabler:
"Es gibt tatsächlich den einen oder anderen Bewohner, der sagt, bei mir ist etwas defekt, und dann kommt man in die Wohnung rein, und dann ist bereits der Kaffeetisch gedeckt, das heißpt, da steht schon ein Stückchen Kuchen, ein Tässchen Kaffee, nehmen Sie doch erst einmal Platz. Dann hat man Käffchen getrunken, und ein Stück Küchen gegessen, und der Defekt, der Defekt, der war dann doch gar nicht so schlimm, oder hat sich von selbst behoben. Dann wollten die Bewohner einfach ein bisschen quatschen, das gehört hier einfach mit dazu."