Luz Long und Jesse Owens

Olympische Legenden als Freunde für einen Tag

23:51 Minuten
Die Sportler Luz Long (links) und Jesse Owens unterhalten sich in einer Pause des Weitsprungwettbewerbs während der Olympischen Sommerspiele 1936 in Berlin.
Luz Long (links) und Jesse Owens unterhalten sich in einer Pause des Weitsprungwettbewerbs während der Olympischen Sommerspiele 1936 in Berlin. © dpa / picture alliance
Von Stefan Osterhaus |
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Luz Long und Jesse Owens waren bei Olympia 1936 in Berlin Konkurrenten im Weitsprung. Doch der Deutsche verstand sich – zum Ärger der Nazis - prächtig mit dem schwarzen US-Amerikaner. Welche Verbindung gab es zwischen den beiden Leichtathleten?
Berlin im August 1936. Das nationalsozialistisch regierte Deutschland richtet die Olympischen Spiele aus - mit einem gewaltigen Aufwand inszenieren die Nazis eine große Propagandashow.
Das Ziel: Die Welt zu täuschen über die eigentlichen kriegerischen Absichten, die Diktatur im Inneren zu stützen – und die Überlegenheit der arischen Rasse vor den Augen der Welt zu demonstrieren.
Sportlich geht der Plan auf. Deutsche Athleten brillieren. Mit 36 Goldmedaillen sind die Gastgeber die erfolgreichste Nation dieser Sommerspiele.
Der Star der Spiele ist jedoch kein Deutscher, sondern: Jesse Owens, der US-amerikanische Sprinter und Weitspringer. Im Jahr zuvor unterbietet er bei einem Wettkampf in seiner Heimat innerhalb von weniger als einer Stunde fünf Weltrekorde, einen weiteren stellte er ein.
Owens gilt als ein Weltwunder der Leichtathletik. Auch in Berlin ist er der Favorit im Sprint und im Weitsprung.
Der US-Amerikaner ist beim deutschen und beim internationalen Publikum der Spiele beliebt. Die Berliner jubeln ihm zu. Zudem halten sich die Nationalsozialisten zurück mit politischen Botschaften.

Die Propagandashow der Nationalsozialisten

Das hat einen einleuchtenden Grund, sagt der Sporthistoriker Hans-Joachim Teichler. Er beschäftigt sich seit Jahrzehnten als Wissenschaftler mit den Spielen von 1936. Aggressiv sei das Regime nicht aufgetreten.

Vielmehr war es so, dass der Besucher hier ein System vorfand, das Selbstverharmlosung betrieben hat, das von der eigenen Aufrüstung ablenken wollte. Die ‚New York Times‘ hat das als "the greatest Propaganda Stunt in History" bezeichnet. Und wenn man sieht, dass auch alle möglichen Negativmeldungen wie die Ausbürgerung von Heinrich Mann, die Erhöhung des Bierpreises, eine Hinrichtung eines Kindermörders in Bonn - alles durfte nicht gebracht werden.

Selbst die Stürmerkästen, die hatten eine Olympia-Sondernummer und die Inschrift 'Der Jude ist unser Unglück', die auf jedem Stürmer-Kasten prangte, die wurde während der Spiele übertüncht. Meine Grundthese ist, die Berliner Spiele, die haben so politisch gewirkt und funktioniert und propagandistisch ausgestrahlt, weil sie im Kern so sportlich einwandfrei und unpolitisch durchgeführt worden sind.

Sporthistoriker Hans-Joachim Teichler

Zwei Wochen im August 1936, in denen die nationalsozialistische Führung während der Olympischen Spiele ihre wahren Absichten verschleierte. Umso ärgerlicher für Hitler, Goebbels und Co, dass der Star der Spiele ein schwarzer US-Amerikaner war.
Jesse Owens, ein 22-Jähriger Student, war im Sprint damals nicht zu schlagen. Weder über 200 Meter noch in der Staffel - und erst recht nicht über 100 Meter.

Owens ist der Star der Spiele

Im Weitsprung allerdings hat Owens einen harten Konkurrenten: den deutschen Luz Long. Er ist seinerzeit der beste Weitspringer in Europa, ein filigraner Athlet, der vom Äußeren her dem Ideal des deutschen Athleten entspricht, wie ihn sich die Nationalsozialisten vorstellen.
Ein junger Mann aus gutem Hause, geboren in Leipzig, ein Amateur, der im Begriff ist, Jurist zu werden. Luz Long ist Teil einer gesellschaftlichen Elite. In seinem Elternhaus sprach man Englisch und Französisch. 
Er hatte einen hohen Anspruch an sich selbst. Sagt Ragna Long, die Schwiegertochter von Luz Long:

Luz war ein ganz bescheidener Mann. Er hatte sehr wohlhabende Eltern und bekam sehr viel Bildung. Er hat auch durch diese ganzen Wettkämpfe Erlebnisse gehabt, die man eben nur im Sport erleben kann. Er hat Persönlichkeiten getroffen. Er ist mit der Ju 52 geflogen. Das war damals eine Sensation. Er war ja Student. Wir hatten zu Hause Geld, aber jeder weiß, damals ist man mit dem Geld anders umgegangen. Er musste alles zu Fuß oder mit dem Fahrrad machen. Er wurde nicht gefahren, da wurde er nicht verwöhnt. Sie haben normal gegessen. Und er hatte selbst diesen persönlichen Ehrgeiz, sich zu quälen. Sein Gymnasium erzählte über ihn, in den Annalen, dass er die Lehrer geistig nicht hätte überzeugen können, und darum hatte er beschlossen, der schnellste Läufer von Leipzig zu werden.

Ragna Long, Schwiegertochter von Luz Long

Ragna Long hat es sich zur Aufgabe gemacht, an Luz Long zu erinnern. Zusammen mit ihrem 2021 verstorbenen Mann, Kai-Heinrich Long, veröffentlichte sie 2015 ein Buch über den Ausnahmeathleten.
Long musste sich zwar Jesse Owens geschlagen geben und holte Silber, aber es waren die Umstände, die den Weitsprung zu einem herausragenden Ereignis machten, das nicht nur Sport- sondern auch Zeitgeschichte ist. 
Vor allem wäre die Geschichte von Olympia ohne den Silbermedaillengewinner von Berlin um eine bemerkenswerte Episode ärmer.
Luz Long kümmerte sich nicht um die Rassenideologie der Nazis und begegnete seinem Gegner mit Respekt. Ein bekanntes Foto zeigt die beiden in einer Wettkampfpause freundschaftlich nebeneinander.
Dieses Bild gehört zu den Spielen wie der gesamte Wettbewerb. Zumal sich Legenden um den Kontakt der beiden Sportler ranken. Etwa diejenige, dass Jesse Owens Gefahr lief, das Finale zu verpassen, weil er am Balken übertrat.

Enges Duell zwischen Long und Owens

Und dann habe Long seinem Konkurrenten den Tipp gegeben: Er solle sein Handtuch als Markierung nutzen, sagt Ragna Long:
„In Amerika haben Sie die Möglichkeit, ein, zwei Probesprünge zu machen. Das dachte er, das hätte er hier auch. Und so war der erste Sprung schon einmal verloren, der zweite Sprung von ihm, der war so wütend angelaufen, dass der übergetreten war. Und dann stand der dritte Sprung für die Qualifikation noch im Raum. Und da ist es eben so, dass Jesse erzählt hat, dass Luz auf ihn zugekommen sei und ihm sagte: 'Hör mal, mein Junge, und mach mal hier, leg doch einfach ein Handtuch hin, ein bisschen davor. Du springst doch weiter als sieben Meter 15.' Ja, und das hat er gemacht, und so hat er sich qualifiziert.“
Die beiden Favoriten liefern sich ein enges Duell.
Long springt weiter, als er es je getan hat. In der „Neuen Leipziger Zeitung“ hat er die Ereignisse in einen Gastbeitrag beschrieben. Darin fasst er die Spannung des Wettkampfs zusammen:

7,87 Meter ist meine eigene Bestleistung und gleichzeitig Europarekord. Aber ich will weiterkämpfen. Owens springt wieder diesen Sprintersprung, der Sprung, der von hinten nach nichts aussieht und der doch 7,94 Meter weit ist. Ist es fassbar. Bei diesem Wetter? Ja, er hat es gesprungen.

Luz Long

Kein Zweifel: Hier siegt ein Jahrhundertathlet.
Luz Long: „Der Sieg ist weg. Also Zweiter für all diese Mühe. Die Menge seufzt hörbar, Sportlerschicksal. Dann nochmals Owens, der ja gewonnen hat. Frei von Konkurrenzangst springt er, fliegt und landet unter Jubelschrei der Menge bei 8,06 Meter. Diese fast märchenhafte Weite bei diesem Wetter. Ich kann nicht anders, ich laufe zu ihm, bin der Erste, der ihn beglückwünscht, umarmt. Er antwortete mir: ‘You forced me, to give my best!’ Es ist für mich die höchste Anerkennung eines Sportsmannes, ihn zum Äußersten gezwungen zu haben."
Jesse Owens (Mitte), Luz Long (rechts) und Naoto Tajima (links) bei der Siegerehrung bei den Olympischen Spielen in Berlin 1936
Jesse Owens (Mitte) und Luz Long (rechts) bei der Siegerehrung bei den Olympischen Spielen in Berlin 1936© dpa / picture alliance
Der Kampf der Farben ist beendet. Schwarz war der Beste, einwandfrei der Beste mit 19 Zentimeter vor Weiß, und Weiß wieder 13 Zentimeter vor Gelb. Die drei Studenten der drei verschiedenen Farben stehen auf dem Sockel, die Hymne der USA ertönt.“
Auch die „Nordwestdeutsche Zeitung“ berichtet über den besonderen Umgang der beiden jungen Athleten miteinander: 

Kaum hatte Jesse Owens seinen letzten Sprung getan, da eilte Luz Long auf ihn zu und gratulierte dem Amerikaner zu seinem zweiten Sieg. Minuten später folgte die Siegerehrung. Owens erhielt das Eichbäumchen für seinen Sieg, Long und der Japaner Tajima wurden mit den schlichten Lorbeerkränzen geschmückt. Nach dem Verklingen der amerikanischen Nationalhymne verließen Long und Owens Arm in Arm den Innenraum.

„Nordwestdeutsche Zeitung“ über den Umgang der beiden Athleten

Eine Geste, die noch heute couragiert erscheint. Denn der Kontrast hätte nicht größer sein können zwischen der NS-Ideologie und dem, was die beiden Sportler lebten, sagt Sporthistoriker Hans-Joachim Teichler:  
„Ich meine, das war von dem Luz Long ziemlich mutig, sich mit ihm da Schulter an Schulter hinzulegen und die Sportkameradschaft zu demonstrieren angesichts der damaligen Rassenpolitik.“
Auch Owens begriff sofort, dass diese Begegnung eine ganz Außergewöhnliche war - obwohl sich die beiden Männer nur ein einziges Mal trafen. 

Owens schrieb von einer "24-Karat-Freundschaft"

Jahre später schrieb er: „Selbst wenn man alle meine Medaillen und Pokale einschmelzen würde, könnten sie die 24-Karat-Freundschaft, die ich in diesem Moment für Luz Long empfand, kein bisschen goldener machen. Hitler muss wahnsinnig geworden sein, als wir uns umarmten.“
Auch Ragna Long teilt diese Ansicht:

Darum hat sich an diesem 4. August wirklich auch was getan in den Herzen der beiden. Und hätte Luz überlebt, dann wären es die dicksten Freunde aller Zeiten geworden, weil da ist etwas passiert, wie man sieht, hier die strahlenden Gesichter auf dem Bild, wo sie auf dem Rasen liegen und strahlen, weil sie wirklich so viel erreicht haben. Und auch ich denke mal in Jesse so ein Glücksgefühl aufkam, dass er ja wirklich auf Augenhöhe war mit den weißen Sportlern. Dieses Gefühl, das war auch eine gewisse Dankbarkeit bei ihm, dass er so was überhaupt erleben durfte.

Ragna Long

Ragna Long
Ragna Long ist die Schwiegertochter von Luz Long.© Stefan Osterhaus
Die Geschichte der Olympioniken fasziniert bis heute. Aber wird sie dem Sportler Luz Long gerecht, der damals eine der erfolgreichsten Sportler der europäischen Leichtathletik war?
Long, der Ausnahmeathlet: Der Familie Long, den Nachkommen, geht es auch darum, zu zeigen, dass es eben noch mehr gab als den 4. August 1936 im Berliner Olympiastadion, sagt Ragna Long:  
„Für uns ist es jetzt mal wichtig, neben all dem Schönen, was er mit Jesse erlebt hat, aber seine persönlichen Leistungen zu würdigen. 1937 war das stärkste Jahr von Luz. Da hat er sieben Meter 90 beim ISTAF gesprungen. Das war ein Riesenerfolg. Er hat in dem Jahr alles gewonnen, und 1938 ging es auch noch gut weiter. Aber da hatte er schon sein Examen zum Gerichtsreferendar gemacht und hatte auch nicht mehr so viel Zeit. Und dann hat 1939 seine Doktorarbeit geschrieben und ist trotzdem weiter gesprungen obwohl er sagte: Jetzt muss irgendwann auch mal Schluss sein.“
Vor allem aber hat Ragna Long eines festgestellt. Die Spiele sind die Referenz, von den Ereignissen aus dem Jahr 1936 lösen sich heutige Betrachtungen kaum.

Die politischen Ansichten von Luz Long

Und dann kommt oft noch die Frage hinzu, welche politischen Ansichten Luz Long hatte.
Als Ragna Long und ihr Mann Kai-Heinrich Long, die Biografie von Luz Long 2015 in Hamburg vorstellten, ging es gar nicht um den Sportler Luz Long und den Augenblick, in dem er Hitlers Rassenlehre ad absurdum führte.
Long war als angehender Jurist Mitglied der NSDAP. Die anwesenden Journalisten interessierten sich vor vor allem für eine schlichte Frage: War Luz Long ein Nazi oder nicht? Ragna Long war darüber sehr verärgert.
Julia Kellner-Long ist die Tochter von Kai-Heinrich und Ragna. Auch sie hat die Diskussion damals ebenfalls verwundert verfolgt:  

War Luz ein Nazi? Nein, war er nicht. Er war nicht linientreu. Er musste in bestimmte Organisationen eintreten, weil er Jurist werden wollte. Da gab es Vorgaben, und er musste an bestimmten Wettkämpfen teilnehmen. Das war eine Voraussetzung dafür. Das wissen viele nicht. Ja, welche Regeln damals gegolten haben, ja, oder viele wissen nicht, dass auch Luz große Herausforderungen hatte. Der hat kurz nach den Olympischen Spielen einen Anruf von Rudolf Heß bekommen, und ab dem Zeitpunkt stand er unter Beobachtung. Da wurde genau darauf geschaut, was Luz macht und wie er sich verhält.

Julia Kellner-Long

Die Nazis waren verärgert über den Kontakt der beiden Sportler. Julia Kellner-Long betont noch einmal, welche Rolle ihrem Großvater zugedacht war:
„Das heißt, diese Umarmung in der Sandgrube war nicht im Sinne von Adolf Hitler. So, und das vergessen viele. Mein Großvater stand vor vielen Herausforderungen, genau diesen Balanceakt zu schaffen, weil die viele vergessen. Sportler im Dritten Reich waren Repräsentanten.
Er war Amateursportler, aber er musste Werbung für diesen Sport machen, dass die Generation nach ihm auch zum Sport kommt, dass sie fit werden für den Krieg, ja, aber es ganz einfach ausgedrückt ja. Und er hatte Sammelkarten. Er war wie ein Fußballstar heute. Man glaubt es gar nicht. Aber das war damals Leichtathletik. Der war ein kleiner, großer Star.“

Regime spannte Athleten vor den Karren 

Luz Long war nicht der einzige prominente Athlet, auch Box-Weltmeister Max Schmeling spannten die Nationalsozialisten vor ihren Karren. Aber solche Biografien sind eben nicht selten ambivalent. Schmeling versteckte Juden während des Novemberpogroms von 1938 – und Long konterkarierte die Rassenlehre der Nazis vor den Augen der NS-Elite.
Nur geht es im Falle von Luz Long nicht nur um die politische Deutung der Karriere vor der Folie des NS-Regimes.
Es werden zudem allerhand Dinge kolportiert, die sich kaum so ereignet haben können, wie sie weitergetragen worden sind – vieles davon sind Legenden, und um deren Wahrheitsgehalt ist es bei genauerer Betrachtung nicht gut bestellt.
Dabei geht es gar nicht um die Situation im Wettkampf mit dem Handtuch, das Owens zur Markierung verwendet haben soll. Luz Long erwähnt sie zwar nicht in seiner Schilderung des Wettkampfes, aber es ist dennoch vorstellbar, dass es so war: Er wollte gegen die Besten springen.
Owens hat diese Geschichte, die von der Fairness des Konkurrenten handelt, mehrfach erzählt – unter anderen Longs Sohn Kai Heinrich bei einem Treffen in Berlin.

Longs angeblicher Brief an Owen von der Front

Aber er hat auch noch andere Dinge über das Verhältnis zu Luz Long berichtet, die einer Überprüfung nicht unbedingt standhalten - etwa, dass Long ihm einen letzten Brief von der Front schrieb, ehe er 1943 im Krieg in Italien als Soldat getötet wurde.
Im Internet kursiert eine Version des Briefes. Dessen Text lautet: „Lieber Freund Jesse! Ich fürchte nur, für die falsche Sache zu sterben. Ich hoffe, dass meine Frau und mein Sohn überleben werden. Ich bitte dich als meinen einzigen Freund außerhalb Deutschlands, dass du sie eines Tages besuchen wirst, um ihnen zu sagen, warum ich dies tun musste und wie schön die Zeit war, die wir gemeinsam erlebten. Luz.“
Ragna Long hat Zweifel an der Echtheit des Briefes: „Das war eben ein Schreibmaschinen-Brief und der angeblich aus Tunesien kam. Aus Afrika, Nordafrika von Luz, wo er an Jesse geschrieben hat. Wir sind also der Meinung, dieser Last Letter, der einfach nicht mehr wegzuradieren ist, kann insofern schon nicht stimmen, weil Luz eben nie in Nordafrika war.“

"So würde Luz ihm nie einen Brief schreiben"

Zudem geht es um die Form. Die sei Luz Long stets wichtig gewesen:  
„So würde Luz ihm nie einen Brief schreiben. Er kommt ja aus dem Kaiserreich, da hatte man Füllhalter, und wir haben hier Briefe von Luz, wo er Einladungen schreibt, '38, '39, auf diesem Brief mit Füllhalter, formvollendet. Da geht es sogar noch darum, wie der Dresscode am Abend zur Geburtstagsfeier ist. Darum ist dieses Schreiben, was hier so völlig formlos ist, und das ist und dann auch eben, wie gesagt, von Tunesien, und Luz war auf Sizilien – einfach nicht möglich gewesen. Und dann die Feldpost. Und dann die Zensur der SS, SA, der Wehrmacht - die Briefkontrollen, das kann einfach nicht möglich sein.“
Einem amerikanischen Journalisten gegenüber soll Owens einmal gesagt haben, die Leute wollten solche Sachen hören, als es um die Episode mit dem Handtuch ging. Frei nach dem Motto: Wenn die Legende besser klingt als die Wahrheit, erzähle lieber von der Legende.
Und noch etwas berichtet Ragna Long: Anders, als es hier und dort zu hören war, sei Jesse Owens nicht der Trauzeuge bei der Hochzeit mit Kai-Heinrich Long gewesen:  
„Gerade die Amerikaner, die ich wirklich sehr schätze, die mögen natürlich solche Mythen. Alles, was da raus ist, oder 'Best Man', das finden die herzzerreißend. So sind die Menschen, die glauben das oder wollen es glauben und finden die Geschichte schön oder denken auch, dass die Journalisten einen guten Job gemacht haben."
Reporter: „Also um es noch einmal zu klären. An einen anderen Trauzeugen könnten sie sich erinnern, oder?"
Long: „Es wäre eine Ehre gewesen.“

Das Erbe der Familie Long

Das Erbe der Familie Long: Es sind nicht nur Geschichten von zeitgeschichtlicher  Bedeutung, sondern auch die Auszeichnungen, die Luz Long erhielt, die Urkunden und Medaillen, darunter auch die Silbermedaille aus Berlin.
Diese gab die Familie 2022 an ein spezialisiertes Auktionshaus in den USA, sagt Ragna Long: „Ich hatte 50 Jahre die Medaille. Ich weiß, wovon ich spreche. Es war ein wunderbar tolles Design, aber so, wahr – ein toter Gegenstand, bei dem ich immer aufpassen musste, wenn wir in Urlaub fuhren. Unter welchem Wäschestück verstecke ich das Ding, falls eingebrochen wird? Ja, das ist ja auch eine Verantwortung.“
488.000 Dollar brachte die Silbermedaille ein. Die Auktion trug den Titel „Beacon of Hope" – Leuchtfeuer der Hoffnung.

Neues E-Book über Luz Long

Die Pflege des Familienandenkens geht allmählich auf die Enkeltochter Julia Kellner-Long über. Im Oktober soll ein E-Book über Luz Long erscheinen.
Es heißt: „Luz Long – der Weitspringer, der unter Hitlers Augen Jesse Owens umarmte“.  Julia Kellner-Long ist gerade dabei, es ins Englische übersetzen zu lassen.
Julia Kellner-Long
Enkeltochter Julia Kellner-Long befasst sich in einem Buch mit Luz Long.© Stefan Osterhaus
Termine und Ehrungen aber nimmt sie schon länger wahr. Gemeinsam mit Owens' Enkelin Marlene Dortch eröffnete sie 2009 das Berliner Olympiastadion nach dessen Renovierung. Dass die beiden Familien aber auf eine ganz spezielle Weise miteinander verbunden sind, wurde Julia Kellner-Long erst durch einen Zufall bewusst:  
„Ein ganz besonderer Moment war 2012, als ich einen Anruf von einer sehr lieben Freundin bekam, die sagte: ‚Rate mal, wen ich getroffen habe?‘ Julia, ich habe den Enkel von Jesse Owens in München kennenlernen dürfen.

Treffen mit dem Enkel von Jesse Owens

Und meine Freundin kannte natürlich Luz Long. Und irgendwann zückte sie dann ihr Handy und sagte: "Ja, kennst du Julia Lang, die Enkelin von Lutz Long?"
Und über unsere Freundin haben somit Stuart und ich uns kennengelernt. Ein halbes Jahr später konnten wir uns dann in München auch persönlich treffen. Und das war einfach die Geschichte. So einen Zufall habe ich irgendwie selten erlebt. Ich glaube, Luz und Jesse hatten ihre Hände hiermit im Spiel. Irgendetwas war da.“
Kürzlich erst, vor den Olympischen Spielen in Paris, stand sie mit Owens Enkel Stuart Rankin für eine Dokumentation der Warner Brothers vor der Kamera. Und die nächste Generation ist schon dabei, sich mit den berühmten Vorfahren auseinanderzusetzen.
Im Falle von Luz Long tat Sohn Henry das sogar auf sehr spielerische und auch kreative Weise, wie Julia Kellner-Long erzählt: 
„Es gab noch einmal einen einen Moment, als unser Sohn sich hingesetzt hat und Jesse und Luz gemalt hat. Das war für mich irgendwie auch noch einmal ein ganz besonderer Moment. Das mag sentimental klingen, aber Jesse mit richtig großen Muskeln, ja, ich und Luz, sehr schmal und schlank und wie schön, wie die dann die vierte Generation dann ist, irgendwie auch schon verinnerlicht hat und sich darüber Gedanken macht.“

Auszeichnung bei Olympia in Paris

Im August reiste die Familie Long während der Olympischen Spiele nach Paris und folgte einer Einladung der World Olympians Association.
Dort traf Julia Kellner-Long erneut auf Marlene Dortch, die Enkelin von Jesse Owens. Posthum erhielten die Großväter die Auszeichnung „Olympians for Life“.
Sohn Henry war dabei: „Es war wieder sehr, sehr schön, sie zu sehen und natürlich besonders schön, dann unsere Großväter gemeinsam zu vertreten, was die Menschen auch berührt hat. Wir hatten entschieden, auch ein paar Worte zu teilen, und wir haben unseren Sohn mit auf die Bühne genommen, die vierte Generation. Das war einfach sehr stimmungsvoll und einfach sehr vertraut. Und man hat an der Reaktion der Olympioniken und der Besucher dieses Events tatsächlich auch angemerkt, dass sie sehr gerührt waren.‘“
Nun will Henry eine Weitsprunggrube im Garten haben. Wie Luz, der Urgroßvater, der daheim in Leipzig schon als Kind trainierte – ehe er 1936 durch seine couragierte Geste Weltruhm erlangte.

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