Lynn Margulis: "Der symbiotische Planet"

Bakterien werden alles überleben

Buchcover "Der symbiotische Planet", im Hintergrund mikroskopische Aufnahme von Bakterien
Buchcover "Der symbiotische Planet", im Hintergrund mikroskopische Aufnahme von Bakterien © Westend Verlag/dpa/picture alliance/Aribert Jung
Von Volkart Wildermuth |
Symbiosen sind für Lynn Margulis "Lichtblitze der Evolution". In ihrem Buch "Der symbiotische Planet" erklärt die US-amerikanische Biologin, wie wichtig symbiotische Kooperationen für unser Leben sind: im ganz Kleinen wie im ganz Großen.
"Wir Menschen sind nicht das Werk Gottes, sondern das Ergebnis der Milliarden Jahre währenden Wechselwirkungen zwischen höchst reaktionsfähigen Mikroben", sagt Lynn Margulis. Die amerikanische Biologin erhielt 1999 die "National Medal of Science" für den Nachweis, dass viele der kleinen Zellorgane ursprünglich frei lebende Bakterien waren. Vor vielen Jahrmillionen wurden sie von anderen Bakterien verschluckt aber nicht verdaut. Stattdessen kombinierten sich ihr genetisches Wissen zum gegenseitigen Vorteil und leiteten so entscheidende Sprünge in der Evolution ein.
Hochumstritten war diese Theorie anfangs. Heute, im Zeitalter der Mikrobiom-Forschung, gehört sie zum Schulbuchwissen. Sieben Jahre nach dem Tod von Lynn Margulis erscheint nun ihr Buch "Der symbiotische Planet" erstmals auf Deutsch. Eine Art späte Anerkennung, die zeigt, dass diese wegweisende Biologin hochaktuell ist.
Symbiosen sind für Lynn Margulis "Lichtblitze der Evolution" und die findet sie im ganz Kleinen wie im ganz Großen. Schon der Übergang vom Einzeller zum Mehrzeller sei Kooperation, schreibt Margulis, die Besiedlung des Landes war Pilzen und Pflanzen nur gemeinsam möglich und alle Lebensformen im Verbund stabilisieren Temperatur und Atmosphäre der Erde.

Eine streitbare, ungeduldige Person

Diese Gaia-Hypothese hat Lynn Margulis gemeinsam mit James Lovelock aufgestellt, in einer Symbiose unter Forschern. In ihrem Streifzug durch die Geschichte der Kooperation in der Evolution berichtet sie immer wieder privates und zeigt sich dabei als Forscherin mit ganz eignem Stil: "Ich zog die Gesellschaft von Babys, Schlamm, Bäumen, Fossilien, Hundewelpen und Mikroorganismen der normalen Welt der Erwachsenen vor". Streitbar war sie und hatte wenig Geduld für Kollegen, die die zentrale Bedeutung der Symbiosen nicht anerkennen wollten.
Das Buch bietet viele persönliche Anekdoten wie auch einen soliden Einblick in die Bedeutung der Kooperation in der Biologie und gewagte Thesen. Ob sich das Geheimnis der Nervenorganisation wirklich in bakteriellen Strukturen findet, scheint aus heutiger Sicht zumindest zweifelhaft.

Eine tröstliche Perspektive am Ende

Was den Band wirklich lesenswert macht, sind die vielen überraschenden Beobachtungen von Lynn Margulis. Ihr Motto lautet: "Man muss sich immer darum bemühen, den Unsinn vom Echten zu unterschieden". Wenn sie also etwa Raumschiff Enterprise Filme schaute, dann sah sie eine leere Technikphantasie, weil die Astronauten ohne Mikrobenpartner gar nicht überlebensfähig wären.
Sexualität, konkret die Verschmelzung von Ei- und Samenzelle, nennt sie einen Zellen-Kannibalismus in gegenseitigem Einvernehmen. Und im Angesicht des Klimawandels empfiehlt sie Gelassenheit: "Wir können der Natur kein Ende setzen, sondern nur zu einer Bedrohung für uns selbst werden."
Egal wie das Klima wird, die Bakterien werden gedeihen, sie werden kooperieren und dabei irgendwann sicher neue Innovationen erzeugen, so das Fazit der Biologin – eine tröstliche Perspektive am Ende dieses kurzen, aber lohnenden Buches.

Lynn Margulis: Der symbiotische Planet oder wie die Evolution wirklich verlief
Übersetzt von Sebastian Vogel
Westend Verlag, Frankfurt/Main 2018
208 Seiten, 20 Euro

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