Poetische Dienstleistungen sind durchaus gefragt
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Vom Dichten lässt es sich leben: Der Lyriker Lars Ruppel widmet sich seiner Kunst nicht nur im Verborgenen. Er arbeitet auch als Auftragspoet und bildet Pflegekräfte fort, die Gedichte dann im Alltag mit Demenzkranken nutzen.
Lars Ruppel hat das Dichten zum Beruf gemacht. Wenn der Lyriker nach seiner Tätigkeit gefragt wird, freut er sich sagen zu können, dass er davon leben kann.
"Man merkt, dass die Leute keine Ahnung haben, wie der Kulturbetrieb funktioniert", meint er. Die meisten Menschen wüssten, dass bei Dichterlesungen Eintritt bezahlt werde und auch verschiedene Lizenzeinnahmen flössen. "Da gibt es viele Möglichkeiten."
Ruppel nutzt diese Möglichkeiten für sich. Neben seiner rein künstlerischen Arbeit bietet er Dienste als Auftragsdichter an, zum Beispiel bei Hochzeiten oder Geburtstagen. "Das heißt, dass ich meine künstlerische Seele seit vielen Jahre verkauft habe", sagt er.
Auch Firmen wollen Lyrik
Firmen nutzen seine Dichtkunst für die Unternehmenskommunikation. Er nimmt auch an Seminaren und Konferenzen teil, bei denen er die Teilnehmer am Ende mit einer lyrischen Zusammenfassung der Veranstaltung überrascht.
"Das hat dann wenig mit dem zu tun, was ich schon immer geschrieben habe und als meine Kunst betrachte", sagt Ruppel. Das Einkommen als Auftragsdichter sei außerdem höher.
Schon mit 16 Jahren hat Ruppel als Poetry-Slammer begonnen und nie eine Schreibschule besucht. Stattdessen habe er bei den vielen Auftritten seine persönliche Ausbildung erlebt, sagt er.
Vor der Corona-Pandemie hatte der Dichter auch in Seniorenheimen ein Tätigkeitsfeld. Er leitete Fortbildungen für Pflegekräfte, bei denen diese lernten, Gedichte für Menschen mit Demenz vorzutragen.
"Da habe ich ihre Stimme gestärkt, habe ich ihr Auftreten gestärkt, hab' ihnen gezeigt, wie sie Gedichte so bearbeiten, dass sie für Menschen mit kognitiven Einschränkungen kompatibel sind."
Gedichte für Demenzkranke
Er habe den Pflegekräften verschiedene Techniken vermittelt, aber auch mit Bewegung und Körperkontakt gearbeitet. "Da gibt es ganz tolle Sachen, die man mit den Seniorinnen und Senioren machen kann." Praktisch erprobt wurde das bei Leseaufführungen in Seniorenheimen.
"Die Pflegefachkräfte konnten es nicht fassen, wie toll die zugehört haben und wie lange die sich konzentrieren konnten", erzählt Ruppel. Selbst Menschen, die lange keine Regung mehr zeigten, hätten auf einmal mitgemacht.
Hoffnung auf den Preisregen
Auch als Dichter könne man reich werden, sagt Ruppel. Wer das Glück habe als Lyrikerin oder Lyriker im Literaturbetrieb anerkannt zu werden, könne mit Preisen überhäuft werden – allerdings sei das Gewerbe immer noch sehr männerdominiert. Als Poetry-Slammer sei das Geldverdienen wiederum um einiges schwieriger, weil man wenig Bücher verkaufe. Und die meisten Dichter hätten keine Lust auf Auftragspoesie.
(gem)