Antjie Krog: "Körper, beraubt"
Aus dem Englischen und Afrikaans von Barbara Jung
Mit einem Nachwort von Marie Luise Knott
Reihe Spurensicherung/daad Berlin
Verlag Matthes & Seitz Berlin, Berlin 2014
203 Seiten, 17,90 Euro
Auf der Suche nach einer neuen Sprache
Mit "Körper, beraubt" ist jetzt der erste Gedichtband der Autorin Antjie Krog auf Deutsch erscheinen. Die aus einer Familie weißer Afrikaner stammende Lyrikerin ist eine maßgebliche Stimme des von der Apartheid befreiten Landes Südafrika.
Als die 1952 aus einer Familie weißer Afrikaner stammende Lyrikerin, Autorin und Journalistin Antjie Krog ab 1996 über die Arbeit der im gleichen Jahr von Nelson Mandela eingesetzten Wahrheits- und Versöhnungskommission zu berichten beginnt, wird sie rasch zur maßgeblichen Stimme des "neuen", von der Apartheid befreiten Südafrika.
Um das unermessliche Leid, das nach und nach ans Tageslicht kommt, zu verarbeiten, hält sie die Geschichten der Opfer und Täter fest: 1998 erscheint "Country of my skull", das berührende Dokument einer Nation, die um der Zukunft willen in den Spiegel der eigenen Vergangenheit zu blicken begann. Es folgten die Bände "A change of tongue" (2003) und "Begging to be black" (2009), letzterer eine luzide Reflexion über ihren eigenen Standort als Autorin in einer nun "schwarzen" Gesellschaft, in der "Weiße" wie sie bis zum Ende der Apartheit zur privilegierten Minderheit zählten. Kann man als Weiße "schwarz" werden, so fragt sich Krog darin. Und: In welcher Sprache kann sie davon schreiben? Wie kann sie als Weiße wieder in Afrikaans schreiben - jener Sprache, die ihre Muttersprache ist, die aber zur Zeit der Apartheid zum Instrument der Unterwerfung verkommen war?
Als Lyrikerin einen Namen gemacht
Alle drei Bände sind bis heute nicht ins Deutsche übertragen worden. Umso erfreulicher ist, dass mit dem nun aus den beiden Originalsprachen - dem Englischen und dem Afrikaans - übersetzten Gedichtband "Körper, beraubt" endlich die Gelegenheit besteht, einen Zugang zu finden zum Werk dieser exzeptionellen Autorin.
Tatsächlich machte Antjie Krog sich zuerst als Lyrikerin einen Namen: 1971 debütiert sie mit "Dogter van Jefta" (Jeftas Töchter). Schon darin verhandelt sie - ausgehend von weiblichen Erfahrungswelten - Fragen der eigenen Identität sowie derjenigen ihrer Heimat Südafrika. Über ein Dutzend Gedichtbände folgten - darunter "Körper, beraubt", das im Original 2006 erschien. In dieser Gedichtsammlung verwischt sie einerseits die Grenzen zwischen dem Privaten und dem Öffentlichen, andererseits die Grenzen zwischen dem Lyrischen und dem Bekenntnis.
Tatsächlich machte Antjie Krog sich zuerst als Lyrikerin einen Namen: 1971 debütiert sie mit "Dogter van Jefta" (Jeftas Töchter). Schon darin verhandelt sie - ausgehend von weiblichen Erfahrungswelten - Fragen der eigenen Identität sowie derjenigen ihrer Heimat Südafrika. Über ein Dutzend Gedichtbände folgten - darunter "Körper, beraubt", das im Original 2006 erschien. In dieser Gedichtsammlung verwischt sie einerseits die Grenzen zwischen dem Privaten und dem Öffentlichen, andererseits die Grenzen zwischen dem Lyrischen und dem Bekenntnis.
Was die Gedichte vereint, ist ein Gestus des zornigen Aufbegehrens auf der Grundlage einer moralischen Empörung - und die Suche nach einer "neuen" Sprache, um dieser Empörung und dem Aufbegehren dagegen Ausdruck zu verleihen: Empörung gegen das Alter, das ihren Körper heimsucht und verwüstet; Empörung über die Schändung der Justitia in ihrer Heimat Südafrika, wo der alte Schmerz von neuer Habgier und ethnischen Wahnsinn verdrängt zu werden droht.
Zertrümmerung der Sprache
Über die weibliche Menopause und die lose werdenden Glieder schreibt sie in teils wütenden, teils ironisch-zärtlichen Bildern. Angesichts eines Lebens inmitten unendlicher Gewalt und einer "brutalisierenden armut" war und ist ihr Vorsatz: "ein feuriger zeuge zu bleiben". Unverrückbarer Fixpunkt in dieser Bilanz sind zugleich die Landschaft und die Natur Südafrikas; den Tafelberg besingt sie in einem lautmalerischen Rondo, das wie kein anderes Gedicht in dieser Sammlung den stark oralen und performativen Charakter ihrer Lyrik hörbar macht. Einzig die den Band abschließenden Gedichte aus dem Afrikaans, in denen sie angelehnt an Celan und dessen Zertrümmerung der Sprache mittels Komposita und Worterfindungen den Tücken einer "ethnisierenden zunge" entkommen will, wollen nicht in Gänze überzeugen.
Dennoch hinterlässt "Körper, beraubt" ein langes Entzücken auf der eigenen Zunge.