Lyriksommer

Das Lied der Globalisierung

Der amerikanische Dichter Ezra Pound ("Pisan Cantos") am 18. April 1958 in Washington D.C.
Ezra Pound © picture alliance / dpa / UPI
Von Tom Peuckert |
Die Dichtung durchpflügt Kulturkreise und Historie, in der Monarchien vergingen, Diktatoren siegten und scheiterten, sie feiert Homer, Dante und die altchinesische Philosophie.
Ezra Pound gehört zu den umstrittenen Figuren des 20. Jahrhunderts. Trotz seiner politischen Nähe zur faschistischen Ideologie, der Internierung in einem amerikanischen Gefangenenlager 1945 und der Jahre in einer Irrenanstalt ist sein literarischer Rang unbestritten, sein Einfluss auf James Joyce, auf T.S. Eliot oder Ernest Hemingway, auf die literarische Moderne, verbürgt. Zwischen 1910 und 1960 hat Pound an seinem Groß-Gedicht "The Cantos" geschrieben, die gerade mal 117 Gesänge versammeln.
Monarchien vergingen, Republiken wurden gegründet, Diktatoren siegten und scheiterten. Zwei große Kriege verwüsteten die Erde. Die Dichtung durchpflügt alle Schichten der Historie und der Kulturkreise, beschreibt Wirtschaftverhältnisse, Politik, Krieg und Kunst. Mehr als ein Dutzend lebender und toter Sprachen werden in den "Cantos" verwendet. Zitate aus den Verwaltungsakten der Renaissance-Republik Venedig stehen neben Imitationen von Homers "Odyssee" und Dantes "Divina commedia", neben Nachahmungen des Minnesangs provenzalischer Troubadours und des bildreichen Philosophierens im Alten China. Tom Peuckert entdeckt in den "Cantos" ein Lied der Globalisierung, bietet seine Lesart der Gesänge.