Lyriksommer - Dichter empfehlen Gedichte (5)

    Roža Domašcyna: Die tödin kommt

    Die Schriftstellerin Kerstin Hensel beim Bücherfrühling 2016 von Deutschlandradio Kultur auf der Leipziger Buchmesse
    Die Schriftstellerin Kerstin Hensel © Deutschlandradio / Sven Crefeld
    Kerstin Hensel empfiehlt Roza Domascyna, weil ihr Gedicht ein "schönes Spiel mit der Spache ist, offen und gleichsam vorborgen".
    die sprache verröchelt
    ich benenne noch einmal die dinge
    im bilderbuch wie im anfang: swontschko
    die sonne gelegt in die wasser der flüssin nebenher
    die füchsin die zugleich fuchs ist
    und starka die gänsin
    zischelt mir zu
    hutschko soj
    das macht gänsehaut meiner köpfin
    daß meine mündin
    nur noch das geräusch des gähnens weiß
    frag nicht warum und wieso
    endet eine sprache
    jede sprache verendet mit einem menschen
    doch wenn du ihn nachahmst läßt du ihn
    auferstehn in deiner person
    was wichtig ob er noch lebt –
    und trachtenteile wie uniformteile
    sind sowieso aus dem gleichen nest
    aber wortflöz ist erdflöz
    ist das liegende und das hangende.
    an überhängen und bruchstellen
    nistet die füchsin
    sag hutschko sooj
    und sie fangen zu gähnen an
    alle gänse
    alle

    (Verlag Gerhard Wolf Janus Press, 1998)