Martin Bossenbroek: Tod am Kap. Geschichte des Burenkrieges
Aus dem Niederländischen von Andreas Ecke
C.H.Beck Verlag, München 2016
624 Seiten, 29,95 Euro
Geschichte eines zerrissenen Kontinents
Eine Geschichte Afrikas jenseits alter Denkschablonen hat Adam Jones verfasst. Er zeigt: Der Kontinent war schon vor dem Kolonialismus durch Kriege zerrissen, die einen Wirtschaftsaufschwung verhinderten. Eines unserer Bücher in der Kurzkritik.
Ein neuer Blick auf den afrikanischen Kontinent – vermittelt ohne steile Thesen oder ideologische Polemik. Zwei Geschichts- und Kulturwissenschaftler haben sich an diese Aufgabe herangewagt: Der in London geborene Adam Jones lehrt an der Universität in Leipzig, sein Kollege Martin Bossenbroek unterrichtet an der Universität von Utrecht.
Wie Buren und Briten die schwarze Bevölkerung ausbeuteten
Der niederländische Historiker widmet sich in seinem voluminösen Werk der Geschichte des Burenkrieges 1899-1902, der anhand aufgefundener und kritisch gesichteter Dokumente, Briefe, Tagebücher und Zeitungsartikel (zahlreiche aus der Feder des damals jungen Winston Churchill) komplex erzählt wird - jenseits der vor allem von weißen Südafrikanern seit über einem Jahrhundert kolportierten Leidesgeschichte von edel-wackeren Buren im Kampf gegen ein massenmörderisches britisches Imperium.
Nicht, dass es die berüchtigten "concentration camps" nicht gegeben hätte. Jedoch waren in ihnen auch 115.000 Nichtweiße interniert, von denen aufgrund schlimmster Lebensverhältnisse über zehn Prozent starben. Genauso viele burische Zivilopfer waren zu beklagen.
Freilich machten danach die ehemaligen Kriegsgegner gemeinsame Sache bei der weiteren Entrechtung der schwarzen Bevölkerung - einer der Gründe, weshalb 1912 als Protest dagegen der ANC entstand.
Faktentreue anstatt politisch korrektem Furor
Adam Jones' Geschichte des Kontinents bis 1805 greift ungleich weiter aus, beschenkt jedoch den Leser mit einer ähnlichen Einsicht: Eine Ethnisierung der Wahrnehmung ist von Übel, stattdessen gilt es die Geschichte der namenlosen Oper zu erzählen – mit Faktentreue anstatt politisch korrektem Furor.
Selbstverständlich stellt auch er die Entrechtung der Zivilbevölkerung und deren Versklavung in den Mittelpunkt. Es waren Stadtstaaten wie jene der Hausa, die bereits lange vor Ankunft der Europäer durch Sklavenhandel reich geworden waren; später gingen dann afrikanische Groß- und Kleinherrscher Portugiesen und Engländern willig zur Hand, um Sklaven aus dem Inneren des Kontinents an die Küste zu verschleppen und dort zu verkaufen.
Keine Relativierung des Sklavenhandels
In keiner Zeile relativiert Adam Jones damit den Horror des transatlantischen Sklavenhandels. Er zeigt jedoch auf, wie zu allen Zeiten die wirkliche Konfliktlinie zwischen Machthabern und Machtlosen verlief und auch die Strukturen des vorkolonialen Afrika ein Recht auf genaue Beschreibung haben.
Schon zuvor nämlich war der Kontinent durch Kriege zerrissen, die nachhaltigen wirtschaftlichen Aufschwung verhinderten. All dies den "Weißen" zur Last zu legen, so eine der Überlegungen dieses ebenso umfangreichen und gut lesbaren Buchs, wäre nichts anderes als ein wohlmeinender Rassismus, der Afrikanern selbstbestimmtes Handeln abspricht.
Fazit: Wer sich jenseits alter Denkschablonen für die Geschichte des Kontinents interessiert, kommt nicht an diesen beiden Standartwerken vorbei - weder an dem von Adam Jones noch an dem von Martin Bossenbroek.
Adam Jones: Afrika bis 1850
S. Fischer Verlag, Frankfurt 2015
464 Seiten, 26,99 Euro, auch als E-Book