Jüdisches Sportfest startet erstmals in Berlin
Der Deutsch-Israeli Gijora Padovicz ist 63 Jahre alt, passionierter Marathonläufer - und hofft auf eine Medaille bei den diesjährigen Maccabi Games. Das jüdische Sportfest findet erstmals in Berlin statt. Für Padovicz hat das "eine enorme historische Bedeutung".
Gijora Padovicz läuft. Schnell. Über den Bürgersteig, an Cafébesuchern und feierabendlichen Einkaufsbummlern vorbei, über rote Ampeln und breite Straßen. Insgesamt 20 Kilometer an diesem Abend. Vier Mal die Woche trainiert er für den Halbmarathon bei den Maccabi Games. Er will bei den Spielen diese Woche unbedingt eine Medaille gewinnen, denn Gijora Padovicz ist sehr ehrgeizig.
"Und dieser Ehrgeiz, der treibt einen immer weiter. Man versucht, immer bessere Zeiten zu laufen und immer schneller zu werden. Aber es kann auch sein, dass psychologisch es ein Weglaufen vor dem Altern ist."
"Und dieser Ehrgeiz, der treibt einen immer weiter. Man versucht, immer bessere Zeiten zu laufen und immer schneller zu werden. Aber es kann auch sein, dass psychologisch es ein Weglaufen vor dem Altern ist."
Was zu funktionieren scheint. Gijora ist 63, grauhaarig, schmal, gutaussehend und in Topform. Trotzdem, so erzählt er, hat er keine Chance auf Gold, denn sein Bruder rennt auch mit und der war noch immer schneller als er. Gijora ist verheiratet, Vater von drei Kindern, Besitzer einer großen Immobilienfirma mit Büro am Kurfürstendamm. Bis er zehn ist, lebt er in Tel Aviv. Dann, 1961 beschließen seine Eltern nach Deutschland zu gehen. Das ist jetzt 53 Jahre her.
"Ich fühle mich in Berlin sehr wohl"
"Ich identifiziere mich in erster Linie mit Israel und erst in zweiter Linie mit Deutschland. Aber ich fühle mich in Berlin wohl, ich werde akzeptiert, ich werde respektiert, ich habe überhaupt keinen Grund, mich zu beschweren."
"Ich identifiziere mich in erster Linie mit Israel und erst in zweiter Linie mit Deutschland. Aber ich fühle mich in Berlin wohl, ich werde akzeptiert, ich werde respektiert, ich habe überhaupt keinen Grund, mich zu beschweren."
Seine Kinder sind erwachsen, haben gute Jobs, der Jüngste arbeitet in der väterlichen Firma mit. Jeden Freitag treffen sich alle zur gemeinsamen Shabbat–Feier. Warum er sich trotzdem wie ein Getriebener fühlt, hat sich Gijora schon oft gefragt und auch warum er ausgerechnet Marathon laufen muss?
"Ja und zwar jeder Kilometer stell ich mir die Frage, warum ich mir das antue? Warum die Folter? Wozu die Qual? Aber wenn ich fertig bin, dann ist es ein sehr befriedigendes Gefühl."
Zwölf Mal ist Gijora bereits einen Marathon gelaufen. Dennoch ist es ihm besonders wichtig, bei diesen ersten Maccabi Games in Deutschland dabei zu sein.
"Ja und zwar jeder Kilometer stell ich mir die Frage, warum ich mir das antue? Warum die Folter? Wozu die Qual? Aber wenn ich fertig bin, dann ist es ein sehr befriedigendes Gefühl."
Zwölf Mal ist Gijora bereits einen Marathon gelaufen. Dennoch ist es ihm besonders wichtig, bei diesen ersten Maccabi Games in Deutschland dabei zu sein.
"Definitiv, keine Frage, das hat eine enorme historische Bedeutung. Wir können mit diesen Maccabi Games dokumentieren, dass wir noch da sind, obwohl man unsere Leute weg haben wollte. Wir können zeigen, dass wir an einer Stelle sind, an der im Grunde die Idee geboren wurde, unser Volk zu vernichten. Das hat für uns schon einen erheblichen Stellenwert."
Natürlich kann Gijora auch verstehen, dass ein paar Sportler vom Berliner Olympiastadion nicht so begeistert sind.
"Man hat gemischte Gefühle. Einerseits zeigen wir, dass wir da sind und andererseits sind ganz sicherlich Zuschauer und Menschen dabei, die den Holocaust erlebt haben und die auch anders denken, als ich es gerade ausgedrückt habe. Und ich verstehe jeden, der nicht dabei sein will, weil er eben negative Gefühle hat."
"Ich denke, es wird uns nicht gelingen, diesen Antisemitismus zu eliminieren"
Angst hat Gijora Padovicz nicht, auch nicht vor Anschlägen auf die Makkabiade. Völlig entspannt läuft er an diesem Abend durch den fast menschenleeren Berliner Tiergarten. Persönlich hat er in allen den Jahren in Deutschland keinen einzigen antisemitischen Angriff erlebt.Trotzdem findet er es sehr wichtig, etwas gegen den vorhandenen Antisemitismus in der Gesellschaft zu tun. Lange Jahre war Padovicz deshalb ehrenamtlich im Vereinsvorstand von Makkabi Deutschland.
"Ich denke, es wird uns nicht gelingen, diesen Antisemitismus zu eliminieren, aber es sollte uns gelingen, junge Leute zur Toleranz, zur Fairness, zur Sportlichkeit, zur Liberalität zu erziehen. Das ist eine der wichtigsten Aufgaben von Sportvereinen."
Nach knapp zwei Stunden ist Gijora Padovicz fertig mit seinem Training, klatschnass geschwitzt, über alle Schmerzgrenzen und Atemprobleme hinweggerannt. Jetzt kann er endlich nach Hause gehen.
"Mein zweites Hobby neben Laufen und Sport ist meine Familie. Ich bin seit – ich glaube – 36 Jahren verheiratet und mit meiner Frau seit 46 Jahren zusammen. Die Familie ist sehr eng. Und im Grund genommen lebe ich diese drei Bereiche: Arbeit, Familie und Sport. Ich kann unter dem Strich sagen: ich bin definitiv ein sehr glücklicher Mann."