Macht der Sprache
Oskar Pastiors Gedichte muss man nicht nur gelesen, man muss sie gehört haben: Pastior ist der große Klangkünstler unter den deutschsprachigen Lyrikern. Unter dem Titel "Lesen gehn..." sind nun einige Kostbarkeiten aus Pastiors reichem Werk erschienen.
"Wer kommt denn da so morgenschön?
Wer morgent da so schön heran?
Wer schönt heran so morgenda?
Dat wär schön so am Morgen?
Wer kömmt da mor wer dennt da schön?
Wer gent so mör wer sot so kömm?
Wer hert wer wert denn sö?
Kömmt da wer?
Mört wer dä?
Wer dä!
Mörg"
Wer Gedichte von Oskar Pastior zum ersten Mal hört, drückt irritiert die Replay-Taste. Das Ohr findet schnell Gefallen an dieser Akustik, in der es schnalzt, klirrt und zischt. Unter Pastiors Regie mutiert selbst Charles Baudelaires Gedicht "Les fleurs du mal" zu einem Buchstabenlabyrinth. Zungenakrobatik, angeführt durch den Konsonanten "l":
"Les fleurs du mal/ slam dur elf lues/ feldlasur um sel-/ mas luderfell su-/ mar des feusl lul-/ um full dress ale/ als urfelsmulde/ des sulfur: allem/ leder maulfluss/ leuslflaum: dres-/ surfall edelmus/ der emulus falls/ erldulft samuels/ lemurfassduell/ es urfle –(...)"
Ernest Wichner, Lyriker, Freund Pastiors und Herausgeber seiner Werkausgabe, hat das Hörbuch konzipiert. Es führt durch eine Lautdichtung, die von mundartlicher Musikalität lebt. Doch in den zum lustvollen Nachsprechen provozierenden Versen steckt ein ernster, existentieller Kern. Den Siebenbürger Sachsen angehörig, einer deutschsprachigen Minderheit in Rumänien, wird Pastior 1945 – da ist er 17 Jahr alt - in ein ukrainisches Arbeitslager deportiert. Was ihm bleibt, ist die Muttersprache. Sein Körper wird zum Resonanzraum. Weil Machtmissbrauch und Ideologisierung sich auch in der Sprache spiegeln, zerlegt Pastior fortan Wörter, vertauscht Silben und Buchstaben, um Distanz zu schaffen. Die "Ballade vom defekten Kabel" wird so zum absurd-realen Hörstück.
"Adafactas
Cowlbl Ed rumplnz kataraktasch-lych
Uotrfawls
aachabrawnkts Brambl
aachr dohts ...
Schlochtehz ihm
schlochtehz ihm
ehs klaren Zohn
Ihn Uotrfawls (...)"
Pastiors Poesie hat viele Dichterkollegen, Übersetzer, Verleger in den Bann gezogen. Einige von ihnen kommen in diesem Hörbuch ebenfalls zu Wort – lesen Texte Pastiors und sprechen über das Faszinosum dieses einzigartigen deutschsprachigen Dichters. So berichtet der Verleger Michael Krüger von Pastiors kindlicher Neugier, die ihn beim Übersetzen von Petrarcas Sonetten in eine fremde "Zeitfalte" schlüpfen lässt. Für Michael Lentz, selbst Lautpoet und Literaturtheoretiker, ist Pastior ein "Existentialist der Poesie" - was er mit seiner Performance des Gedichts "erfahrendse" belegt.
"ischuschterbs / ein schtirren / schtorb / ischuschtamblns schäm / ischugrollans schwieg / ischublindins schtümm / ischutauppns schtein / ischuscheuhasts schwieg / ischumühelens schrie - / ischudein / ischudeins"
Über sein Leben hat Pastior wenig gesprochen. Ernest Wichner verweist auf einige biographische Partikel, die im Werk zu finden sind. Pastiors IM-Tätigkeit für den rumänischen Geheimdienst Securitate, die erst nach seinem Tod 2006 bekannt wurde, bleibt unerwähnt. Liest man Pastiors Texte als "Medium der Selbsterkundung" spiegeln sich darin aber auch existentielle Not und Fehltritte. Ein Höhepunkt dieses spannend arrangierten Hörbuches ist das von Pastior und Herta Müller gelesene Gedicht "Tas Illusiun". Blendet man beide Lesungen, die auf verschiedenen CDs zu hören sind, ineinander, erklingt ein poetischer Dialog von anrührender Nähe.
"Tas Illusiun
statisfiziert
die mengliche
Schraufe
läumstens
kollekt
aber
das
Eibliche
urmelt
wacholder
wardeinisch
frontäl -
Minze
Minze
flaumiran
Schpektrum"
Besprochen von Carola Wiemers
Oskar Pastior: Lesen gehn... Gedichte gelesen und teilweise kommentiert von Oskar Pastior, Urs Allemann, Oswald Egger, Péter Esterházy, Michael Krüger, Michael Lentz, Herta Müller, Ulf Stolterfoht und Ernest Wichner
Hörbuch Hamburg 2013
Gesamtlaufzeit 142 Minuten, 2 CDs, 14,99 Euro.
Wer morgent da so schön heran?
Wer schönt heran so morgenda?
Dat wär schön so am Morgen?
Wer kömmt da mor wer dennt da schön?
Wer gent so mör wer sot so kömm?
Wer hert wer wert denn sö?
Kömmt da wer?
Mört wer dä?
Wer dä!
Mörg"
Wer Gedichte von Oskar Pastior zum ersten Mal hört, drückt irritiert die Replay-Taste. Das Ohr findet schnell Gefallen an dieser Akustik, in der es schnalzt, klirrt und zischt. Unter Pastiors Regie mutiert selbst Charles Baudelaires Gedicht "Les fleurs du mal" zu einem Buchstabenlabyrinth. Zungenakrobatik, angeführt durch den Konsonanten "l":
"Les fleurs du mal/ slam dur elf lues/ feldlasur um sel-/ mas luderfell su-/ mar des feusl lul-/ um full dress ale/ als urfelsmulde/ des sulfur: allem/ leder maulfluss/ leuslflaum: dres-/ surfall edelmus/ der emulus falls/ erldulft samuels/ lemurfassduell/ es urfle –(...)"
Ernest Wichner, Lyriker, Freund Pastiors und Herausgeber seiner Werkausgabe, hat das Hörbuch konzipiert. Es führt durch eine Lautdichtung, die von mundartlicher Musikalität lebt. Doch in den zum lustvollen Nachsprechen provozierenden Versen steckt ein ernster, existentieller Kern. Den Siebenbürger Sachsen angehörig, einer deutschsprachigen Minderheit in Rumänien, wird Pastior 1945 – da ist er 17 Jahr alt - in ein ukrainisches Arbeitslager deportiert. Was ihm bleibt, ist die Muttersprache. Sein Körper wird zum Resonanzraum. Weil Machtmissbrauch und Ideologisierung sich auch in der Sprache spiegeln, zerlegt Pastior fortan Wörter, vertauscht Silben und Buchstaben, um Distanz zu schaffen. Die "Ballade vom defekten Kabel" wird so zum absurd-realen Hörstück.
"Adafactas
Cowlbl Ed rumplnz kataraktasch-lych
Uotrfawls
aachabrawnkts Brambl
aachr dohts ...
Schlochtehz ihm
schlochtehz ihm
ehs klaren Zohn
Ihn Uotrfawls (...)"
Pastiors Poesie hat viele Dichterkollegen, Übersetzer, Verleger in den Bann gezogen. Einige von ihnen kommen in diesem Hörbuch ebenfalls zu Wort – lesen Texte Pastiors und sprechen über das Faszinosum dieses einzigartigen deutschsprachigen Dichters. So berichtet der Verleger Michael Krüger von Pastiors kindlicher Neugier, die ihn beim Übersetzen von Petrarcas Sonetten in eine fremde "Zeitfalte" schlüpfen lässt. Für Michael Lentz, selbst Lautpoet und Literaturtheoretiker, ist Pastior ein "Existentialist der Poesie" - was er mit seiner Performance des Gedichts "erfahrendse" belegt.
"ischuschterbs / ein schtirren / schtorb / ischuschtamblns schäm / ischugrollans schwieg / ischublindins schtümm / ischutauppns schtein / ischuscheuhasts schwieg / ischumühelens schrie - / ischudein / ischudeins"
Über sein Leben hat Pastior wenig gesprochen. Ernest Wichner verweist auf einige biographische Partikel, die im Werk zu finden sind. Pastiors IM-Tätigkeit für den rumänischen Geheimdienst Securitate, die erst nach seinem Tod 2006 bekannt wurde, bleibt unerwähnt. Liest man Pastiors Texte als "Medium der Selbsterkundung" spiegeln sich darin aber auch existentielle Not und Fehltritte. Ein Höhepunkt dieses spannend arrangierten Hörbuches ist das von Pastior und Herta Müller gelesene Gedicht "Tas Illusiun". Blendet man beide Lesungen, die auf verschiedenen CDs zu hören sind, ineinander, erklingt ein poetischer Dialog von anrührender Nähe.
"Tas Illusiun
statisfiziert
die mengliche
Schraufe
läumstens
kollekt
aber
das
Eibliche
urmelt
wacholder
wardeinisch
frontäl -
Minze
Minze
flaumiran
Schpektrum"
Besprochen von Carola Wiemers
Oskar Pastior: Lesen gehn... Gedichte gelesen und teilweise kommentiert von Oskar Pastior, Urs Allemann, Oswald Egger, Péter Esterházy, Michael Krüger, Michael Lentz, Herta Müller, Ulf Stolterfoht und Ernest Wichner
Hörbuch Hamburg 2013
Gesamtlaufzeit 142 Minuten, 2 CDs, 14,99 Euro.