Macht's nach, aber macht's genau nach!

Rezensiert von Susanne Billig · 04.05.2005
Zum Jubiläumsjahr der Homöopathie ist "Die Geburt der Homöopathie" als CD-ROM erschienen. Sie versammelt die Werke von Samuel Hahnemann, dem Begründer der homöopathischen Lehre, der in diesem Jahr seinen 250. Geburtstag feiert. Der Rat, den seine Schüler bis heute befolgen: Macht's nach, aber macht's genau nach!
" Indem ich der Welt diese großen Funde mittheile, bedauere ich, zweifeln zu müssen, ob meine Zeitgenossen die Folgerichtigkeit dieser meiner Lehren einsehen, oder ob sie, durch das Unerhörte mancher dieser Eröffnungen zurückgeschreckt, sie lieber ungeprüft und unnachgeahmt, also ungenutzt lassen werden. "
Seine Sorgen waren unbegründet: Die homöopathische Lehre von Friedrich Christian Samuel Hahnemann ist nach wie vor höchst lebendig. Seit über 200 Jahren wird nun schon um die Homöopathie gestritten - doch bis vor kurzem waren Befürworter wie Kritiker selten in der Lage, das Werk im Original einzusehen. Die neue CD-ROM der "Digitalen Bibliothek" beendet diesen Missstand. Für nur 25 Euro sind hier - bis auf die vor-homöopathische Schrift "Das Apothekerlexikon" - alle großen Werke des Meisters vereint: "Versuch über ein neues Prinzip zur Auffindung der Heilkräfte der Arzneisubstanzen", "Heilkunde der Erfahrung", "Organon der Heilkunst", "Reine Arzneimittellehre", "Die chronischen Krankheiten".

Die CD-ROM kommt mit einer eigenen Software, deren Installation mit wenigen Mausklicken erledigt ist. An die Menüführung des digitalen Werkes muss sich die Nutzerin anfangs gewöhnen, manche Funktionen leuchten nicht gleich ein. Basisrecherchen gelingen dafür problemlos, in Sekundenbruchteilen stehen die Suchergebnisse zur Verfügung. Komplexe Anfragen sind ebenso möglich wie die dauerhafte Markierung von Textstellen. Ein ausführliches Register beginnt bei A wie Agaricus muscarius - dem Fliegen-Pilz. Der Begründer der Homöopathie erachtet ihn als:

" … hülfreich in Knochen-Schmerzen des Oberkiefers und bei Ermattung nach Beischlafe."
Und das Register endet bei Z wie "Zinnober", dessen innerer Gebrauch sich laut Hahnemann bei folgenden Symptomen empfiehlt:

" Ein stechendes Jücken am vordern Halse; es erscheinen rothe Pünktchen, beim Kratzen brennt der Ausschlag und jückt noch mehr. "
Die digital versammelten Werke zeigen den Begründer der Homöopathie als Menschen der Aufklärung mit Mut zur Rebellion gegen Aderlass und Klistier. Gut lässt sich anhand der Texte verfolgen, wie Hahnemann sein medizinisches System aufbaute und strukturierte. Am Anfang stand die harsche Kritik an der Medizin seiner Zeit:

" In dem Wahne, die Krankheit schwächen und materiell austilgen zu können, vermehrt sie aber die Leiden des Kranken und entzieht so die zum Heilen unentbehrlichen Kräfte. Sie greift den Körper mit starker Arznei an, deren fürchterliche Wirkungen sie nicht kennt, und bringt so noch zum Teil unaustilgbare Arznei-Krankheiten dem kranken Körper bei."

Aus einem Selbstversuch mit Chinarinde, die Malaria-ähnliche Symptome in ihm hervorruft, zieht Hahnemann dann sehr weit reichende Schlüsse, die er - wie man in seinem Werk deutlich nachverfolgen kann - selbst jedoch für zwingend hält:

" Jedes wirksame Arzneimittel erregt im menschlichen Körper eine Art von eigner Krankheit. Man wende in der zu heilenden Krankheit dasjenige Arzneimittel an, welches eine andere, möglichst ähnliche künstliche Krankheit zu erregen imstande ist und jene wird geheilet werden; Similia similibus. "

Bald schon spricht Hahnemann von einem "Naturheilgesetz", das er aufgespürt habe - die Frage nach dem pharmakologischen Mechanismus der homöopathischen Heilung beantwortet er ungern:
" Da die Thatsache also besteht, so kommt auf die scientifische Erklärung, wie dieß zugehe, wenig an und ich setze wenig Werth darauf, dergleichen zu versuchen. "

Wenn Hahnemann sich doch an einer Erklärung versucht, greift er auf vitalistische Prinzipien zurück: Die "künstliche Krankheits-Affection" rege die Lebenskraft des Patienten dazu an, sich mit der Krankheit siegreich auseinander zu setzen. Das Konzept einer Lebenskraft wurde von den Naturwissenschaftlern des achtzehnten und neunzehnten Jahrhunderts zwar untersucht, letztlich aber verworfen - zugunsten eines strengen Ursache-Wirkungsprinzips beim Ablauf von Naturprozessen. Hahnemanns Therapiesystem und die dahinter stehende Logik sind grundsätzlich nicht mit naturwissenschaftlichen Beweisverfahren vereinbar. Entsprechend strikt grenzt Hahnemann sich ab und fordert seine Schüler auf, allein seinen Anweisungen zu folgen:

" Macht's nach, aber macht's genau nach! "

Diese Werktreue hat sich bis heute in der klassischen Homöopathie erhalten - Hahnemanns "Organon" ist noch immer das Grundlagenwerk der klassischen Homöopathie. Neben Medizinhistorikern werden deshalb wohl vor allem gelernte Homöopathen den Nutzen des digitalen Nachschlagewerkes zu schätzen wissen.

Service:

Die CD-Rom "Die Geburt der Homöopathie" mit Samuel Hahnemanns gesammelten Werken ist in der Reihe "Digitale Bibliothek" des Berliner Verlags "Directmedia Publishing" erschienen und kostet 25 Euro.

Der Weltkongress der homöopathischen Ärzte findet vom 4. bis 7. Mai Berlin statt.