Ein Stellvertreterkrieg?
Saudi-Arabiens Intervention im Jemen grenzt an eine Besetzung, sagt Ariela Groß von der Friedrich-Ebert-Stiftung. Der bedrohte Zugang zum Roten Meer und der wachsende Einfluss des Irans seien Anlass für die Militäraktion der "äußerst konservativen" Saudis.
Nana Brink: Der Jemen ist schon länger ein Failed State, wie es in der Fachsprache der Sicherheitspolitiker heißt, also ein gescheiterter Staat. Jetzt hat die Großmacht Saudi-Arabien mit Unterstützung der USA und einer Militärallianz in den Bürgerkrieg im Jemen eingegriffen.
Jürgen Stryjak mit den letzten Details.
(Audio)
In dem Land auf der Arabischen Halbinsel im Jemen, wo anscheinend jeder gegen jeden zu kämpfen scheint, sind die Trennlinien nicht immer gut auszumachen, so zum Beispiel die Linien zwischen Sunniten und Schiiten und ihren jeweiligen Schutzmächten. Wir wollen das aber jetzt doch versuchen, und zwar mit Ariela Groß, sie ist die Leiterin des Büros der Friedrich-Ebert-Stiftung im Jemen, seit Frühjahr 2014 allerdings sitzt sie in Beirut aus Sicherheitsgründen. Einen schönen guten Morgen, Frau Groß!
Ariela Groß: Guten Morgen!
Brink: Nun haben wir gehört, Saudi-Arabien mit einer Militärallianz bereitet eine Bodenoffensive vor. Wie ist denn die Rolle Saudi-Arabiens in diesem Konflikt?
Groß: Saudi-Arabien spielt natürlich seit jeher eine sehr große Rolle im Jemen und übt durch verschiedene Akteure im Jemen Einfluss aus. Saudi-Arabien unterstützt seit jeher verschiedene und auch wechselnde Akteure, da Saudi-Arabien natürlich in Bezug auf den Jemen unterschiedliche Interessen hat. Zum einen hat Saudi-Arabien eine sehr lange Südgrenze mit dem Jemen, und da ist man natürlich aus saudischer Perspektive interessiert, dass diese Grenze möglichst stabil und ruhig bleibt. Dann besteht das Interesse seitens Saudi-Arabiens, dass der Zugang zum Roten Meer geöffnet bleibt. Saudi-Arabien braucht diesen Zugang zum Roten Meer, um eben das Öl weiterhin exportieren zu können. Die Huthis haben sich inzwischen aber schon an die Meerenge Baath-el-Mandeb angenähert, und Saudi-Arabien hat die Befürchtung, dass die Huthis, die Rebellen, die dort auf dem Vormarsch sind, diesen Zugang zumachen.
Kampf um die regionale Vorherrschaft
Brink: Erklärt das auch die Rückendeckung der Saudis durch die USA, also diese strategische Bedeutung für den Welthandel?
Groß: Das erklärt es, es ist durchaus auch ein Grund, wieso die USA Saudi-Arabien Rückendeckung geben. Und dann natürlich ist Saudi-Arabien daran interessiert, die eigene Position in diesem regionalen Kampf um Vorherrschaft zu stärken, denn Saudi-Arabien fühlt sich durch den zunehmenden Einfluss des Iran im Jemen bedroht. Der Iran versucht, über die Huthi-Rebellen Einfluss auszuüben und eben die eigene regionale Machtposition zu stärken, und das stößt natürlich bei Saudi-Arabien nicht gerade auf Gegenliebe.
Brink: Erklärt das also alles diesen massiven Eingriff? Denn, wenn man mit Bodentruppen wirklich eingreift, dann kann man schon sagen, das grenzt ja nahe an eine Besetzung.
Groß: Das grenzt an eine Besetzung, das ist sicherlich auch eine Besetzung. Man muss sich vor Augen halten, dass Saudi-Arabiens Identität auf der Bewahrung der sunnitischen Gemeinschaft sozusagen beruht. Saudi-Arabien oder das saudi-arabische Königshaus versteht sich als der Hüter von Mekka und Medina, also den zwei wichtigsten sunnitischen Wahrzeichen. Und wenn jetzt an der Südgrenze der Iran versucht, seinen Einfluss auszubauen, dann ist das natürlich erst mal ein großes Schreckgespenst für Saudi-Arabien. Darüber hinaus ist Saudi-Arabien natürlich an Stabilität interessiert. Saudi-Arabien steht für ein äußerst konservatives Herrschaftssystem, und jegliche populäre Formen der Regierungsausübung werden aus saudischer Perspektive nicht für gut geheißen.
Lokale Konflikte sollen konfessionelle Konflikte werden
Brink: Sie haben also jetzt uns erklärt, dass ist eigentlich auch ein großer Stellvertreterkrieg, der da stattfindet zwischen Saudi-Arabien und dem Iran. Wie ist denn die Rolle von Al-Kaida und anderen Terrorgruppen?
Groß: Al-Kaida und andere radikalislamistische Kräfte versuchen seit einigen Jahren, den jemenitischen Konflikt – denn es ist eigentlich ein lokaler jemenitischer Konflikt, bei dem es um Zugang zu Ressourcen und Macht geht –, diese radikalislamistischen Kräfte versuchen seit einigen Jahren, diese lokalen Konflikte für die eigenen Ziele auszunutzen und diesen politischen Konflikt in einen konfessionellen Konflikt umzuwandeln.
Brink: Sie haben ja nun mir berichtet, als wir uns vor diesem Gespräch verabredet haben, dass Sie noch Kontakt haben zu Ihren Mitarbeitern im Jemen. Was berichten die Ihnen denn über diese Offensive jetzt, über diesen beginnenden, sich abzeichnenden Krieg?
Groß: Meine Mitarbeiter sind sehr, sehr besorgt über diese jüngsten Entwicklungen, vor allem auch, weil die Situation sehr unklar ist. Es ist nicht klar, wie weit Saudi-Arabien die militärische Offensive noch weiter vorantreibt, ob es zum Beispiel zum Einsatz von Bodentruppen kommt. Da sind alle sehr besorgt drüber. Gleichzeitig macht sich eine große Enttäuschung auch breit, dass dieser Eingriff in den Jemen, auf die jemenitische Souveränität sozusagen, dass das nicht zu einer größeren Verurteilung von internationaler Seite her führt.
Brink: Ariela Groß, die Leiterin des Büros der Friedrich-Ebert-Stiftung im Jemen. Sie sitzt aber seit Frühjahr 2014 aus verständlichen Sicherheitsgründen in Beirut. Frau Groß, sehr herzlichen Dank für Ihre Zeit!
Groß: Gerne!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.