Machtkampf unter Puderschichten
Mit psychologisch geschultem Blick und fundiertem historischen Wissen porträtiert Anka Muhlstein in einem bunt bewegten Panorama die ungleichen Königinnen Maria Stuart und Elisabeth I. Die Darstellung der Machtkämpfe im Europa der Renaissance gelingt ihr so spannend und plastisch wie ein historischer Roman.
Als Königin des Herzens ist sie dank Friedrich Schiller in die Geschichte eingegangen, als eine leidenschaftliche Frau, die in uneingeschränkter Hingabe an die Liebe alle Konventionen missachtete: Maria Stuart. Eine Legende der Romantik. Wie an ein Idol erinnert man sich seither an die schöne, junge Königin, die von ihrer Gegenspielerin Elisabeth I., einer "arglistigen und boshaften Spinne", grausam beseitigt wurde.
Zweifellos zwei faszinierende Charakterbilder, die allerdings, wie die Historikerin Anka Muhlstein zeigt, nur die halbe Wahrheit enthüllen. Um uns das wirkliche Drama dieses Zweikampfes nahe zu bringen, fächert sie in einem bunt bewegten Panorama das Zeitalter der Renaissance auf.
Die eine Prinzessin, Elisabeth, erlebt eine Kindheit und Jugend voller Erniedrigungen und voller Lebensgefahr. Hochintelligent und umfassend gebildet, haftet ihr der Makel der illegitimen Geburt an, ihre Mutter wird auf Geheiß des Vaters, Heinrichs VIII., enthauptet.
Die andere Prinzessin, Maria Stuart, Thronfolgerin in Schottland, wird am französischen Hof, zusammen mit ihrem späteren Gatten, dem Dauphin, in einer Atmosphäre sorgloser Heiterkeit erzogen. Ihre Bildung macht sie zu einer guten Königsgemahlin, von Politik versteht sie wenig.
Ein halbes Jahrhundert herrscht Elisabeth I. über England, Maria Stuart nur wenige Jahre über Schottland. Sie sind Cousinen, aber alles trennt sie: die Religion, - die eine ist Protestantin, die andere Katholikin -, ihre Ambitionen, ihre politischen Ansichten und besonders ihr privates Leben. Gemeinsam aber ist ihnen das Problem, ob und wie sie sich verheiraten, um einen Erben zu hinterlassen.
Elisabeth, die Frau der politischen Macht, zieht es vor, sich keinem Mann unterzuordnen und heiratet nicht. Die "Virgin Queen", die der Epoche ihren Namen gab, ist eine begabte Schauspielerin, ihre Rollen reichen von der Verliebten bis zur Jungfrau, von der Koketten, die männliche Reize durchaus zu schätzen weiß, bis zur vernunftbegabten Regentin.
Maria Stuart hingegen geht drei Ehen ein, zwei davon ihrer Neigung folgend. Ihr Leben vollzieht sich im Taumel zwischen Machtansprüchen, die sie zu einem tollkühnen Komplott gegen ihre Widersacherin verführen, und heftigen Liebesanfällen, an deren Ende sie regelmäßig zur Beute machthungriger Männer wird.
Anka Muhlstein, 1935 in Paris geboren, hat bereits ein Porträt über französische Herrscherinnen aus dem Zeitalter der absoluten Monarchie verfasst: "Königinnen auf Zeit". Sie verfügt über reichhaltiges Quellenmaterial und historisches Wissen zu dieser Epoche. Kenntnisreich zeichnet sie die Lebensläufe beider Königinnen nach und spannt so den Bogen über das gesamte 16. Jahrhundert.
Aus der Nahperspektive der beiden Rivalinnen stellt sie die Religions- und Bürgerkriege in England dar sowie die Machtkämpfe im Europa der Renaissance. Politik erlebt der Leser in Ballsälen und Boudoirs, in zugigen Schlössern und in Tète-à-tètes vor dem Kamin. Strumpfbänder spielen als diplomatisches Instrument eine Rolle; Männerkleider kommen als Maskerade auf abenteuerlichen Fluchten zum Einsatz.
Mit psychologisch geschultem Blick schaut Anka Muhlstein hinter die Kulissen der Macht, voller Engagement und mit Gespür für die sinnfällige Episode charakterisiert sie beide Königinnen, die wir immer wieder unter der Pracht der Perücken, unter der Puderschicht erröten und erschrecken sehen. Auf höchst unterhaltsame Weise erzählt sie deren Lebensläufe - ein historischer Roman könnte nicht spannender sein.
Trotz der historischen Ferne mutet dieses Doppelporträt außerordentlich modern an, macht es doch mit dem dramatischen Zündstoff zwischen Liebe und Pflicht bekannt, mit dem sich Frauen an der Macht seit jeher konfrontiert sehen.
Anka Muhlstein: Die Gefahren der Ehe. Elisabeth von England und Maria Stuart.
Aus dem Französischen von Ulrich Kunzmann.
Insel-Verlag 2005, 352 Seiten, 19,80 Euro
Zweifellos zwei faszinierende Charakterbilder, die allerdings, wie die Historikerin Anka Muhlstein zeigt, nur die halbe Wahrheit enthüllen. Um uns das wirkliche Drama dieses Zweikampfes nahe zu bringen, fächert sie in einem bunt bewegten Panorama das Zeitalter der Renaissance auf.
Die eine Prinzessin, Elisabeth, erlebt eine Kindheit und Jugend voller Erniedrigungen und voller Lebensgefahr. Hochintelligent und umfassend gebildet, haftet ihr der Makel der illegitimen Geburt an, ihre Mutter wird auf Geheiß des Vaters, Heinrichs VIII., enthauptet.
Die andere Prinzessin, Maria Stuart, Thronfolgerin in Schottland, wird am französischen Hof, zusammen mit ihrem späteren Gatten, dem Dauphin, in einer Atmosphäre sorgloser Heiterkeit erzogen. Ihre Bildung macht sie zu einer guten Königsgemahlin, von Politik versteht sie wenig.
Ein halbes Jahrhundert herrscht Elisabeth I. über England, Maria Stuart nur wenige Jahre über Schottland. Sie sind Cousinen, aber alles trennt sie: die Religion, - die eine ist Protestantin, die andere Katholikin -, ihre Ambitionen, ihre politischen Ansichten und besonders ihr privates Leben. Gemeinsam aber ist ihnen das Problem, ob und wie sie sich verheiraten, um einen Erben zu hinterlassen.
Elisabeth, die Frau der politischen Macht, zieht es vor, sich keinem Mann unterzuordnen und heiratet nicht. Die "Virgin Queen", die der Epoche ihren Namen gab, ist eine begabte Schauspielerin, ihre Rollen reichen von der Verliebten bis zur Jungfrau, von der Koketten, die männliche Reize durchaus zu schätzen weiß, bis zur vernunftbegabten Regentin.
Maria Stuart hingegen geht drei Ehen ein, zwei davon ihrer Neigung folgend. Ihr Leben vollzieht sich im Taumel zwischen Machtansprüchen, die sie zu einem tollkühnen Komplott gegen ihre Widersacherin verführen, und heftigen Liebesanfällen, an deren Ende sie regelmäßig zur Beute machthungriger Männer wird.
Anka Muhlstein, 1935 in Paris geboren, hat bereits ein Porträt über französische Herrscherinnen aus dem Zeitalter der absoluten Monarchie verfasst: "Königinnen auf Zeit". Sie verfügt über reichhaltiges Quellenmaterial und historisches Wissen zu dieser Epoche. Kenntnisreich zeichnet sie die Lebensläufe beider Königinnen nach und spannt so den Bogen über das gesamte 16. Jahrhundert.
Aus der Nahperspektive der beiden Rivalinnen stellt sie die Religions- und Bürgerkriege in England dar sowie die Machtkämpfe im Europa der Renaissance. Politik erlebt der Leser in Ballsälen und Boudoirs, in zugigen Schlössern und in Tète-à-tètes vor dem Kamin. Strumpfbänder spielen als diplomatisches Instrument eine Rolle; Männerkleider kommen als Maskerade auf abenteuerlichen Fluchten zum Einsatz.
Mit psychologisch geschultem Blick schaut Anka Muhlstein hinter die Kulissen der Macht, voller Engagement und mit Gespür für die sinnfällige Episode charakterisiert sie beide Königinnen, die wir immer wieder unter der Pracht der Perücken, unter der Puderschicht erröten und erschrecken sehen. Auf höchst unterhaltsame Weise erzählt sie deren Lebensläufe - ein historischer Roman könnte nicht spannender sein.
Trotz der historischen Ferne mutet dieses Doppelporträt außerordentlich modern an, macht es doch mit dem dramatischen Zündstoff zwischen Liebe und Pflicht bekannt, mit dem sich Frauen an der Macht seit jeher konfrontiert sehen.
Anka Muhlstein: Die Gefahren der Ehe. Elisabeth von England und Maria Stuart.
Aus dem Französischen von Ulrich Kunzmann.
Insel-Verlag 2005, 352 Seiten, 19,80 Euro