Der Journalist Marc Brost, geboren 1971 in Mannheim, ist Ressortleiter im Hauptstadtbüro der Wochenzeitung "Die Zeit". Er studierte Wirtschaftswissenschaften an der Universität Hohenheim und arbeitete neben dem Studium als freier Mitarbeiter für die Stuttgarter Zeitung. Nach seinem Abschluss als Diplom-Ökonom absolvierte Brost ein Volontariat an der Georg-von-Holtzbrinck-Schule für Wirtschaftsjournalisten in Düsseldorf. Anschließend begann er 1999 als Redakteur im Wirtschaftsressort der Zeit und arbeitete ab 2007 als wirtschaftspolitischer Korrespondent im Hauptstadtbüro. Seit Februar 2010 leitet er das Hauptstadtbüro, seit 2013 gemeinsam mit Tina Hildebrandt. Er wurde für seine journalistische Arbeit mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, unter anderem 2006 mit dem Theodor-Wolff-Preis.
"Jetzt ist Merkel wirklich Mutti"
Seit die CDU/CSU bei der Bundestagswahl ihr schlechtestes Ergebnis seit 1949 einfuhr, ist auch Angela Merkels Autorität gebrochen. Der Glaube an ihre Macht schwinde und ihr Amt habe Patina bekommen, sagt der "Zeit"-Journalist Marc Brost und fordert einen neuen Politikstil.
Die Bundeskanzlerin müsse derzeit abwarten, bis die SPD bei ihrem Parteitag am kommenden Sonntag auch über Angela Merkels politisches Schicksal entscheide, sagte der Zeit-Journalist Marc Brost im Deutschlandfunk Kultur. "Wer politische Macht hat, der kann andere warten lassen und diesmal muss Angela Merkel warten", zeichnete der Ressortleiter im Hauptstadtbüro der Wochenzeitung "Die Zeit" ein Bild der politischen Lage.
Abhängigkeit von der SPD
Es könne sein, dass die Sozialdemokraten das Sondierungspapier ablehnten. Dann sei Merkel in einer Situation, in der sie nicht sein wollte. "Sie ist dann noch mehr abhängig von anderen." Die Frage sei dann, ob sie im Bundestag antrete, ob Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sie nominiere und ob sie im ersten oder zweiten Wahlgang dann doch von Abgeordneten gewählt werde, die Neuwahlen ablehnten. "Wenn man die Fäden nicht mehr in der Hand hat, dann zerrinnt die eigene Macht", sagte Bros.
Patina des Amtes
Um an der Macht zu bleiben, brauche ein Politiker seine Gefolgschaft und das Vertrauen, dass da ein Zugpferd ist, mit dem man Wahlen gewinnen könne. "All das schwindet eben bei Merkel, dieser Glaube an ihre Macht", sagte Brost. Bei jeder Führungskraft gebe es solche Mechanismen. "Dazu gehört einfach, dass es Erschöpfungserscheinungen gibt, dass es Alterungserscheinungen gibt." Mit dem Auftauchen von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron mit einem jungen, dynamischen und anderen Politikstil, wirke Merkel plötzlich wirklich alt. "Jetzt ist Merkel wirklich Mutti", sagte der Zeit-Journalist. Er erinnerte daran, dass auch Bundeskanzler Konrad Adenauer sich einst mit dem jungen J.F. Kennedy konfrontiert sah oder Helmut Kohl dem jungen britischen Premierminister Tony Blair begegnete, der die Europäer begeisterte. "Nach acht, zehn, zwölf Jahren - da bekommt so ein Amt auch Patina ," sagte Brost. "Da muss man sich neu erfinden und das ist schwierig."
Neuer Politikstil und neue Sprache
Vielleicht werde vor allem ein neuer Politikstil benötigt, sagte der Journalist. Wenn es eine Entfremdung zwischen Politikern und Gesellschaft gebe und sich das Volk nicht mehr verstanden fühle, dann müsse man die Leute vermutlich anders ansprechen. Brost erinnerte daran, wie irritiert Merkel im Wahlkampf gewesen sei, als sie ausgepfiffen und beschimpft wurde. In Zeiten von sozialen Medien und anderen Kommunikationswegen, müsse auch die Politik anders kommunizieren. Da reiche es nicht aus, Pressemitteilungen zu twittern. "Wir reden heute anders als noch vor zehn oder zwanzig Jahren." Auch die Politik müsse eine andere Sprache finden und Dinge anders erklären.
Neue Art der Fragestunde
Brost begrüßte, dass auf der letzten Seite des Sondierungspapiers stehe, dass die Bundeskanzlerin in Zukunft drei Mal im Jahr den Bundestag Rede und Antwort stehen solle. "Das ist etwas, was Merkel überhaupt nicht mag." Es erinnere an die britische Tradition, wo der Premierminister oder die Premierministerin einfach nicht vorbereitete Fragen beantworten müsse. Das sei dann eine echte Fragestunde, bei der nicht vom Blatt vorgelesen werden könne. "Ich fände es interessant."
Die ganze Sendung mit dem Zeit-Journalisten Marc Brost hören Sie hier: Audio Player