"Er wird ein anstrengender Partner"
Mit Emmanuel Macron als französischer Präsident sei Deutschland auf der sicheren Seite, heißt es – zumal er als Premier einen Deutschlandkenner installiert. Doch Macron wird Deutschland auch einiges abverlangen, sagt der ehemalige Diplomat Joachim Bitterlich.
Dass der frisch gekürte französische Präsident Emmanuel Macron unmittelbar nach Amtsantritt nach Deutschland gekommen ist, bedeutet zunächst nicht viel, aufgrund des engen deutsch-französischen Verhältnisses ist das seit langem so üblich.
Doch nach Einschätzung des ehemaligen deutschen Diplomaten und Frankreich-Kenners Joachim Bitterlich leitet Macrons Besuch keinen Schmusekurs ein. Er werde vielmehr "ein anstrengender Partner" sein – denn der französische Präsident wisse ganz genau, was er wolle und was er von Deutschland erwarte:
"Emmanuel Macron kennt uns recht gut. Er ist Realist in europäischen Dingen – und gleichzeitig sehr ehrgeizig."
Édouard Philippe: Eine interessante Entscheidung
Als politischer Partner werde er zwar anstrengend sein, "aber nicht einer, der uns übervorteilen will, der uns in eine gewisse Ecke jagen will", betonte Bitterlich, der Ex-Bundeskanzler Helmut Kohl viele Jahre lang in Fragen der Europapolitik beraten hat.
Als interessante Entscheidung gilt, dass Macron mit Édouard Philippe einen Mann zum Premierminister ernannt hat, der erstens ein Konservativer ist und zweitens durchaus auch ein Deutschland-Kenner ist. Bitterlich bezeichnete dies als "glückliche Wahl: Er wird nicht mit uns fremdeln, wie manch anderer französischer Premierminister oder Politiker in der Vergangenheit."
Öffnung zur Mitte
Édouard Philippe, der in seiner Jugend ein Sozialisten-Anhänger gewesen sei, habe einen steilen Aufstieg hingelegt – vom Bürgermeister von Le Havre zum Abgeordneten und nun zum Premier.
Dass Macrons Wahl auf ihn gefallen ist, wertet Bitterlich als Zeichen dafür, dass er sich zur Mitte öffnen wolle.
Was die von Macron angekündigten Reformen anbelange, so traue er dem Präsidenten durchaus zu, dass er es schaffen werde, Arbeitsmarkt-, Renten- und Sozialreformen anzupacken – und damit französische Tabus zu brechen. Mit Macron könne nun "eine Renaissance für Frankreich" anbrechen – und alle Parteien würden gezwungen, sich neu zu erfinden.
(mkn)