Der Comic "Madaja Mom" ist hier frei zugänglich.
Die syrische Katastrophe als Graphic Novel
"Madaya Mom" ist keine Superheldin und dennoch Hauptfigur eines Comics des US-Verlags Marvel. Die Syrerin lebt mit Mann und fünf Kindern in der Stadt Madaya, die seit zwei Jahren von Regierungstruppen belagert wird. Der Comic beschreibt in etwa 30 Bildern das erschütternde Schicksal der Familie.
"Unsere heutige einzige Mahlzeit ware eine Suppe mit Reis und Bohnen. Unsere Körper sind es nicht länger gewohnt, Nahrung zu bekommen. Meine Kinder haben Hunger, aber sie leiden an schlimmen Bauchschmerzen. Sie sind gar nicht mehr in der Lage, die Nährstoffe aufzunehmen und zu verdauen, weil sie schon so lange hungern."
So lautet der erste Eintrag in der Graphic Novel "Madaya Mom”. Das Bild über diesen Zeilen ist in grauen und braunen Tönen gehalten. Darauf zu sehen ist eine Frau, die sich über ein von Schmerzen geplagtes Kind beugt, ein Mann berührt das Kind, ein älterer Junge hockt vor einem Radiogerät. Von den Wänden bröckelt der Putz, das Zimmer sieht karg aus.
"Madaya Mom” ist kein typischer Comic aus dem Hause Marvel. Axel Alonso ist dort Chefredakteur:
"Die meisten bringen Marvel mit den Avengers oder Spiderman in Verbindung. Diese übergroßen Figuren in engen Anzügen, die ihre Probleme mit einem kräftigen Faustschlag lösen. Bis zu einem gewissen Grad stimmt das schon, aber wir sind mehr als das."
Dass es nun aus dem Haus einen Comic über eine syrische Frau und ihre Familie in der besetzten Stadt Madaja gibt, liegt an simplen Eigentumsverhältnissen: Marvel gehört zum Unterhaltungs-Riesen Disney, wie auch der Fernsehsender ABC.
Rym Momtaz ist Redakteurin bei den Nachrichten von ABC. Über Monate hat sie den Kontakt zu "Madaya Mom" aufgebaut, einer Frau, Anfang 30, die mit ihrem Mann fünf Kinder hat. Sie leben in der Stadt Madaja, westlich von Damaskus. Seit Juli 2015 wird Madaja belagert, bis zu 40.000 Menschen leben unter katastrophalen Bedingungen. Über den Syrien-Konflikt zu berichten, ist unglaublich schwer, erzählt Rym Momtaz
"Kein Journalist hat es nach Madaja geschafft, seit die Belagerung begann. Die einzigen Nachrichten, die wir von dort erhalten, sind kurze Videos und Nachrichten von eingeschlossenen Bürgern."
Erinnerung an den Jugoslawien-Krieg
Wie Madaya Mom, die aus Angst ihren wahren Namen nicht benutzen will. Sie steht in fast täglichem Kontakt mit der Redakteurin, berichtet per SMS von ihrem Kriegsalltag. So entstand die Idee zu einem Comic. Gezeichnet wurden die rund 30 Szenen von Dalibor Talajic. Der Kroate ist bekannt für seine Zeichnungen für die Serie "Deadpool". Er hat nun die Botschaften der Madaya Mom in Szene gesetzt. Und wurde bei seiner Arbeit an seine eigenen Erlebnisse während des Jugoslawien-Krieges erinnert:
"Ein Handlungsstrang, der ganz viel in mir wieder wachgerüttelt hat, ist ihre Enttäuschung über die Vereinten Nationen, dass die sich lange zu keiner Entscheidung durchringen konnte. Sie war so wütend und fragte: Warum interessiert sich niemand für uns? Und ich erinnerte mich an den Kriegsbeginn hier, den niemand für möglich gehalten hat. Und dann sterben Menschen, Städte werden zerstört und dir wird klar: Es interessiert niemanden."
Absichtlich zeichnet Talajic viele Szenen so, dass der Leser aus einiger Entfernung das Geschehen betrachtet. Nahaufnahmen gibt es nicht. Die Verzweiflung, der Horror des Krieges, werden auch so deutlich, dafür sorgen die eindringlichen Nachrichten der Madaya Mom, die als Bildunterschriften dienen. Sie ist im besten Sinne eine Heldin, sagt Axel Alonso. Es sei eine einmalige Gelegenheit, dieser Frau zu helfen, ihre Geschichte zu erzählen:
"There are many types of different heroes, I think that’s where I see Madaya Mom. I saw a tremendous opportunity for us to help this woman tell her story."