Hören Sie hier auch das Gespräch mit Journalistin Nana Brink über das Buch "Die Hölle und andere Reiseziele. Eine Autobiografie im 21. Jahrhundert" von Madeleine Albright, das im September dieses Jahres erschienen ist:
Audio Player
„Wir müssen zuhören, was die Leute wollen“
06:44 Minuten
Madeleine Albright hält Versöhnung für eine der wichtigsten Aufgaben der künftigen Biden-Administration, sowohl innen- als auch außenpolitisch. Oberste Priorität müsse aber die Eindämmung der Pandemie haben, sagt die ehemalige US-Außenministerin.
Als Kind tschechischer Einwanderer ist Madeleine Albright (83) Ende der 1940er-Jahre in die USA emigriert. "Es kann eigentlich keine normalere Amerikanerin geben als mich. Ich bin sozusagen der Inbegriff der transatlantischen Beziehungen."
Amerika würde seine Wurzeln infrage stellen, wenn dieses Verhältnis nicht wieder "in Ordnung gebracht wird". Die ehemalige US-Außenministerin – erste Frau in diesem Amt von 1997 bis 2001 – hat nie einen Hehl aus ihrer Abneigung gegenüber dem amtierenden Präsidenten gemacht. Weitere vier Jahre unter Donald Trump hätten den Status der Weltmacht USA endgültig ruiniert.
"Ich kenne Joe Biden ziemlich gut. Er hat sich ein Leben lang für unsere Partner interessiert, er hat viele persönliche Kontakte und er wird unsere Beziehungen zu anderen Ländern wiederbeleben, aber nicht, um sie zu dominieren, sondern um ein Partner zu sein."
Keine Zeit für Charmeoffensive
Der gewählte Präsident Joe Biden hat bereits angekündigt, zur World Health Organisation (WHO) zurückzukehren und auch dem Pariser Klima-Abkommen wieder beizutreten.
Allerdings bleibt für die angekündigte Charmeoffensive wenig Zeit und Spielraum angesichts der großen Probleme, vor denen die neue Präsidentschaft steht. Sie müsse "als oberste Priorität" die Corona-Pandemie eindämmen und die ethnischen und sozialen Spannungen beruhigen.
Als größte Herausforderung sieht Madeleine Albright die Versöhnung im eigenen Land. Dafür könne ein Präsident Biden den "Ton setzen", aber im Alleingang sei das nicht zu schaffen.
"Amerika ist ein unglaublich großes und sehr unterschiedliches Land. Es muss deshalb viel mehr Austausch geben mit den Gouverneuren, mit den Bürgermeistern und kommunalen Verwaltungen, um wirklich zu verstehen, was die Menschen brauchen. Die Führung muss natürlich aus Washington kommen und sie muss signalisieren: Ja, wir wollen das Land wieder zusammenbringen. Aber das ist eine Menge Arbeit, keine Frage."
Chancengleichheit erhöhen
Ebenso wichtig sei es, dass die Menschen wieder an den "amerikanischen Traum glauben", der besagt: Es wird deinen Kindern besser gehen als dir.
"Ein wichtiger Punkt, den wir verstehen müssen: Es gibt eine enorme wirtschaftliche Ungleichheit in unserem Land. Es muss wieder mehr Chancengleichheit in wirtschaftlicher Hinsicht geben. Wir müssen zuhören, was die Leute wollen. Zuhören! Und ich glaube, darin ist das Team Biden und Harris wirklich gut."