"Männer haben Angst vorm Arzt"
Männer sind laut einer Studie von 2010 Gesundheitsmuffel. Um die Problemzielgruppe besser zu erreichen, setzt sich Lothar Weißbach von der Stiftung Männergesundheit für Zentren ein, in denen alle ärztliche Leistungen für den Mann unter einem Dach angeboten werden – wie in der Werkstatt fürs Auto.
Katrin Heise: Um Männer zum gesünderen Leben zu motivieren, hat sich der Freistaat Bayern im vergangenen Jahr für eine Aktionswoche Verstärkung beim FC Bayern München geholt, sonst hätte wahrscheinlich kein Mann da mitgemacht. So war, denke ich mal, die Befürchtung. Das entspricht ja auch allen Klischees, die wir haben, was Männer und ihren Blick auf ihre Gesundheit angeht. Ein Mann hat von Natur aus gesund zu sein, Vorsorge ist eher was für Weicheier, Hauptsache, das Auto ist gesund.
Dass tatsächlich was dran ist an den Klischees, das legt der morgige Männergesundheitskongress nahe, veranstaltet von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung und dem Bundesministerium für Gesundheit. Und da sollen sich all diejenigen Organisationen, die auf dem Gebiet tätig sind, mal treffen und ihre Erfahrungen austauschen.
Eine dieser Organisationen ist die Stiftung Männergesundheit, die hat 2010 auch den ersten Deutschen Männergesundheitsbericht herausgegeben, und ich begrüße jetzt Lothar Weißbach, er ist wissenschaftlicher Vorstand der Stiftung Männergesundheit. Schönen guten Tag, Herr Weißbach!
Lothar Weißbach: Guten Tag!
Heise: Ist es eigentlich, Herr Weißbach, tatsächlich statistisch belegbar, dass der Mann an sich ein Gesundheitsmuffel ist?
Weißbach: Das lässt sich statistisch beweisen, indem er sich an Früherkennungsuntersuchungen nicht in dem Umfang beteiligt wie die Frau. Und die Arztlücke, die entsteht zwischen der letzten Schuluntersuchungen und den ersten Symptomen, das sind 30 bis 40 Jahre, die ist beträchtlich. Die Frau ist fortwährend gesundheitlich betreut – das ist der Mann nicht.
Heise: Außer er hat irgendetwas, dann geht er zum Arzt.
Weißbach: Richtig. Er hat irgendwelche Beschwerden, wir sagen dazu Symptome, und nicht mal die führen ihn direkt zum Arzt, sondern die müssen dann schon heftiger werden, und dann geht er auf Anraten seiner Frau oder eines Freundes dahin.
Heise: Warum ist das so? Also, ist das Angst vor der Wahrheit, oder ist das, nee, ich muss gesund sein, also, ich bin der Kerl.
Weißbach: Es gibt verschiedene Gründe. Erstens sind die Barrieren in unserem Gesundheitssystem hoch. Es heißt ja, die männliche Gesundheit findet ja nicht in einem Organ statt, sondern in vielerlei Hinsicht ist die gesundheitliche Einschränkung möglich, und diese verschiedenen Etappen, die der Mann zurücklegen muss, verschiedene Ärzte anlaufen muss, Termine vereinbaren, die sind für ihn nicht zu bewältigen. Er hat seinen Beruf, den versorgt er mit hoher Empathie, er hat seine Familie, und so kommt es, dass die Frau Vorteile hat in unserem jetzigen Gesundheitssystem. Zweitens, er hat auch Angst vor den …
Heise: Weil ihr Körper ja auch ein vielgestaltiger ist und auch ihre Anforderungen in Gesellschaft und Familie nicht weniger sind.
Weißbach: Ja, aber die Gesundheit des Mannes im Herz-Kreislauf-System ist sehr fragil, die der Frau ist viel stabiler, wenn man nur dieses Organ nimmt. Die der Leber, das hatten Sie schon angesprochen, Alkohol, ist ebenfalls beim Mann viel anfälliger, und so gibt es eine Reihe von Gründen, dass Männergesundheit – wir sagen, multidisziplinär –, also in verschiedenen Fachrichtungen stattfindet. Zweitens hat er Angst vor den Untersuchungen selbst, die fürchtet er. Und drittens auch vor dem Ergebnis. Da ist die Frau viel mutiger.
Heise: Was folgt daraus? Welche Probleme, welche vermeidbaren Krankheiten ergeben sich da?
Weißbach: Es folgt daraus, dass wir den Mann frühzeitig, schon im Schulalter oder über den Biologieunterricht an Gesundheitsbewusstsein heranführen müssen. Was folgt daraus? In meinem Verständnis muss der Mann eine Anlaufstelle haben, ob das ein Arzt ist, der Allgemeinarzt, oder ob das verschiedene Disziplinen sind, die sich an einem Ort zusammenfinden, um den Mann zu untersuchen, das ist noch in der Diskussion. Und ich erhoffe mir von dem morgigen Kongress eine Erklärung und Weiterführung.
Fest steht, wenn Sie das Klischee mit dem Auto bringen: Das Auto bringen wir morgens hin und holen es abends ab. Wir bringen es nicht an einem Tag zum Reifenwechsel, am nächsten Tag zum Ölwechsel und am dritten Tag lassen wir dann noch die Batterie nachschauen. Und das erwarten wir auch von einem Männergesundheitszentrum, wie wir es hier in Berlin anbieten. Er kommt morgens, der Mann, und geht mittags nach Hause, weiß seine Diagnose und hat mit verschiedenen Ärzten an einem Ort gesprochen.
Heise: Männergesundheit – drängendes Problem oder doch mehr Klischee? Ich spreche mit Lothar Weißbach von der Stiftung Männergesundheit. Jetzt hatte ich den Eindruck, viele Klischees sind gar keine Klischees, sondern die stimmen. Sie bringen jetzt tatsächlich auch das Auto ins Spiel und den Tag in der Werkstatt oder den Tag im Gesundheitszentrum. Das heißt, dieses Beispiel, das ich vorhin gesagt habe, ist es wirklich nötig, dass der FC Bayern eingekauft wird, um für Männergesundheitsaktionen zu werben? Oder: Ein Vortrag auf dem Kongress morgen heißt auch "Hauptsache, das Auto ist gesund". Diese Dinge greifen bei der Männergesundheit?
Weißbach: Wir fragen uns, wie wir den Mann ansprechen, wo wir ihn erreichen. Und das ist bisher nicht geklärt. Es ist für die englischen Fußballstadien geklärt, da gibt es eine Untersuchung, wo das gut funktioniert. Beim FC Bayern München hat das weniger gut gegriffen. Der deutsche Mann ist vielleicht mit dem englischen nicht ohne Weiteres vergleichbar, aber wir wissen, wir können den Mann erreichen, zum Beispiel in den Betrieben. Und die betriebliche Gesundheit wäre so ein Anker, an dem man den Mann dann erfolgreich ansprechen könnte.
Unsere Bemühungen als Stiftung sind bisher ins Leere gelaufen. Warum? Weil die Personalräte sich dann erbeten haben, nicht nur den Mann gesundheitlich zu betreuen, sondern auch die Frau. Und diese Art von Gleichberechtigung, die ich sehr schätze und auch vertrete, haben uns dann scheitern lassen in den Großbetrieben, Autoindustrie, Firma Siemens, um einige zu nennen. Und weiter müssen wir sagen, die Erreichbarkeit des Mannes ist sicher besser möglich, wenn wir sehr frühzeitig in der Schule beginnen, über Gesundheit aufzuklären. Und das wäre eine Maßnahme, die wir angreifen und die wir durchführen wollen.
Heise: Ist es nicht aber tatsächlich auch so, dass Sie Unterschiede beobachten bei jüngeren Männern zu älteren Männern? Da hat sich doch im Verhalten sicherlich eine Menge geändert?
Weißbach: Ja, ganz auffällig. Ich habe zunächst ein Männergesundheitszentrum seit 2006 in Fürth/Nürnberg betrieben. Das Durchschnittsalter der Männer war damals 69 Jahre, also da gab es auch viele Ältere, die gekommen sind. Die hatten auch meistens Krankheitszeichen. Und jetzt hier in Berlin in der Friedrichstraße in unserem Männergesundheitszentrum haben wir zurzeit ein Durchschnittsalter von 51 Jahren. Das macht uns stolz. Der junge Mann kommt, lässt sich untersuchen und aufklären.
Heise: Der junge Mann von 51?
Weißbach: Ja, Jugend ist relativ, aber es geht auch stellenweise weiter nach unten. Eine sinnvolle Untersuchung bieten ja die gesetzlichen Krankenkassen an in der U35, eine einmalige Rundum-Untersuchung. Der Nachteil ist, dass der Allgemeinarzt nicht genügend Zeit hat für die Betreffenden. Und dass er auch mehrere Etappen dort absolvieren muss. Da ist nicht immer alles in einer Hand, weil ein Allgemeinarzt dann mit den Untersuchungen überfordert ist.
Heise: Ich hatte aber – oder hätte gedacht, dass inzwischen auch wirklich jüngere Männer kommen, um sich auch mal im Voraus untersuchen, durchchecken zu lassen, weil doch auch seit Jahren jetzt junge Männer ganz selbstverständlich ihre Rolle als Vater hinterfragen beispielsweise, sich Gedanken darüber machen, wie sie mit Stressbelastung sich auseinandersetzen sollten. Also das heißt, die psychische Gesundheit ist ihnen doch wichtiger geworden, als das in früheren Generationen der Fall war.
Weißbach: Ein wichtiges Stichwort. Die psychische Gesundheit haben wir früher gar nicht erfragt. Das ist viel einfacher geworden, weil die Weltgesundheitsorganisation uns Bögen in die Hand gegeben hat, die der Mann selbst ausfüllt. Das ist ja eine Selbstwahrnehmung, die psychische Belastung. Die können wir einfach auswerten, diese Bögen haben wir, das ist ein Score-System, ein Punktesystem, seit vier Jahren jetzt in der Benutzung. Und wir erkennen tatsächlich das Burnout-Syndrom, wir erkennen Depression und können dann auch entsprechend den Mann hinlenken zu einem Kollegen, der sich damit besser auskennt als wir. Wir sind Internisten, Hautärzte und Urologen.
Heise: In Ihrem Gesundheitszentrum. Ihre Stiftung hat vor gerade mal zwei Jahren den ersten Männergesundheitsbericht herausgegeben. Das ist ja noch wirklich nicht lange her, aber es hat sich ja doch auf dem Gebiet, Sie haben es ja auch gesagt, einiges getan. Es haben sich auch mehrere, das sieht man, wenn man, dieser Kongress, der morgen angekündigt hat, wenn man die verschiedenen Organisationen sich anguckt, es haben sich mehrere Plattformen, Organisationen und Initiativen gegründet – kann es sein, dass man da auf so einem Weg mehr in eine Modeerscheinung ist, also eine Nische, die sich nutzen lässt? Besteht da nicht auch die Gefahr?
Weißbach: Also wir die Stiftung Männergesundheit gegründet haben 2006, war das eine solche Nische, die wenig beachtet wurde. Das hat sich im Lauf der letzten Jahre auch durch den ersten Männergesundheitsbericht geändert. Diesen ersten Gesundheitsbericht hat keine Geringere als Frau Schröder vorgestellt, hatte eine enorme Öffentlichkeitswirksamkeit, und auch die Presse hat das entsprechend begleitet. Ich nehme wahr, dass die Männergesundheit zunehmend ein Thema wird, sowohl bei den Knaben als auch bei den Frauen. Und ich freue mich darüber, dass mit dem ersten Männergesundheitsbericht von uns, der zweite folgt jetzt durch das Robert-Koch-Institut, die Öffentlichkeit auf dieses Problem aufmerksam gemacht worden ist.
Heise: Also Sie haben nicht die Angst, dass das jetzt irgendwie als Modeerscheinung ausgenutzt wird und eigentlich dann woanders hingeht, was weiß ich, irgendwelche trendigen – ja, Medikamente sind nicht trendig, aber Sie wissen schon, was ich meine, also irgendwas vielleicht, was eher an der Oberfläche bleibt, was dann eher in den Bereich Wellness abdriftet oder so was.
Weißbach: Es sind ja die Journalisten, die immer von Nachhaltigkeit sprechen. Ich bin ganz sicher, dass diese Initiativen nachhaltig wirken. Wir sitzen jetzt schon zusammen, insgesamt zwölf Experten, um einen dritten Männergesundheitsbericht zu erarbeiten, der sich ausschließlich mit der psychischen Gesundheit befasst. Und unsere Stiftung wird dafür sorgen, dass das keine Nische bleibt und auch keine Modeerscheinung.
Heise: Danke schön. Morgen findet die erste Männergesundheitskonferenz statt. Für das Gespräch hier im Studio war Lothar Weißbach von der Stiftung Männergesundheit. Ich danke Ihnen ganz herzlich und wünsche Ihnen noch einen schönen Tag!
Weißbach: Ich danke Ihnen auch!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Mehr zu diesem Thema auf dradio.de:
Große Jungen weinen nicht - Erster deutscher Männergesundheitsbericht vorgestellt (2010)
Dass tatsächlich was dran ist an den Klischees, das legt der morgige Männergesundheitskongress nahe, veranstaltet von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung und dem Bundesministerium für Gesundheit. Und da sollen sich all diejenigen Organisationen, die auf dem Gebiet tätig sind, mal treffen und ihre Erfahrungen austauschen.
Eine dieser Organisationen ist die Stiftung Männergesundheit, die hat 2010 auch den ersten Deutschen Männergesundheitsbericht herausgegeben, und ich begrüße jetzt Lothar Weißbach, er ist wissenschaftlicher Vorstand der Stiftung Männergesundheit. Schönen guten Tag, Herr Weißbach!
Lothar Weißbach: Guten Tag!
Heise: Ist es eigentlich, Herr Weißbach, tatsächlich statistisch belegbar, dass der Mann an sich ein Gesundheitsmuffel ist?
Weißbach: Das lässt sich statistisch beweisen, indem er sich an Früherkennungsuntersuchungen nicht in dem Umfang beteiligt wie die Frau. Und die Arztlücke, die entsteht zwischen der letzten Schuluntersuchungen und den ersten Symptomen, das sind 30 bis 40 Jahre, die ist beträchtlich. Die Frau ist fortwährend gesundheitlich betreut – das ist der Mann nicht.
Heise: Außer er hat irgendetwas, dann geht er zum Arzt.
Weißbach: Richtig. Er hat irgendwelche Beschwerden, wir sagen dazu Symptome, und nicht mal die führen ihn direkt zum Arzt, sondern die müssen dann schon heftiger werden, und dann geht er auf Anraten seiner Frau oder eines Freundes dahin.
Heise: Warum ist das so? Also, ist das Angst vor der Wahrheit, oder ist das, nee, ich muss gesund sein, also, ich bin der Kerl.
Weißbach: Es gibt verschiedene Gründe. Erstens sind die Barrieren in unserem Gesundheitssystem hoch. Es heißt ja, die männliche Gesundheit findet ja nicht in einem Organ statt, sondern in vielerlei Hinsicht ist die gesundheitliche Einschränkung möglich, und diese verschiedenen Etappen, die der Mann zurücklegen muss, verschiedene Ärzte anlaufen muss, Termine vereinbaren, die sind für ihn nicht zu bewältigen. Er hat seinen Beruf, den versorgt er mit hoher Empathie, er hat seine Familie, und so kommt es, dass die Frau Vorteile hat in unserem jetzigen Gesundheitssystem. Zweitens, er hat auch Angst vor den …
Heise: Weil ihr Körper ja auch ein vielgestaltiger ist und auch ihre Anforderungen in Gesellschaft und Familie nicht weniger sind.
Weißbach: Ja, aber die Gesundheit des Mannes im Herz-Kreislauf-System ist sehr fragil, die der Frau ist viel stabiler, wenn man nur dieses Organ nimmt. Die der Leber, das hatten Sie schon angesprochen, Alkohol, ist ebenfalls beim Mann viel anfälliger, und so gibt es eine Reihe von Gründen, dass Männergesundheit – wir sagen, multidisziplinär –, also in verschiedenen Fachrichtungen stattfindet. Zweitens hat er Angst vor den Untersuchungen selbst, die fürchtet er. Und drittens auch vor dem Ergebnis. Da ist die Frau viel mutiger.
Heise: Was folgt daraus? Welche Probleme, welche vermeidbaren Krankheiten ergeben sich da?
Weißbach: Es folgt daraus, dass wir den Mann frühzeitig, schon im Schulalter oder über den Biologieunterricht an Gesundheitsbewusstsein heranführen müssen. Was folgt daraus? In meinem Verständnis muss der Mann eine Anlaufstelle haben, ob das ein Arzt ist, der Allgemeinarzt, oder ob das verschiedene Disziplinen sind, die sich an einem Ort zusammenfinden, um den Mann zu untersuchen, das ist noch in der Diskussion. Und ich erhoffe mir von dem morgigen Kongress eine Erklärung und Weiterführung.
Fest steht, wenn Sie das Klischee mit dem Auto bringen: Das Auto bringen wir morgens hin und holen es abends ab. Wir bringen es nicht an einem Tag zum Reifenwechsel, am nächsten Tag zum Ölwechsel und am dritten Tag lassen wir dann noch die Batterie nachschauen. Und das erwarten wir auch von einem Männergesundheitszentrum, wie wir es hier in Berlin anbieten. Er kommt morgens, der Mann, und geht mittags nach Hause, weiß seine Diagnose und hat mit verschiedenen Ärzten an einem Ort gesprochen.
Heise: Männergesundheit – drängendes Problem oder doch mehr Klischee? Ich spreche mit Lothar Weißbach von der Stiftung Männergesundheit. Jetzt hatte ich den Eindruck, viele Klischees sind gar keine Klischees, sondern die stimmen. Sie bringen jetzt tatsächlich auch das Auto ins Spiel und den Tag in der Werkstatt oder den Tag im Gesundheitszentrum. Das heißt, dieses Beispiel, das ich vorhin gesagt habe, ist es wirklich nötig, dass der FC Bayern eingekauft wird, um für Männergesundheitsaktionen zu werben? Oder: Ein Vortrag auf dem Kongress morgen heißt auch "Hauptsache, das Auto ist gesund". Diese Dinge greifen bei der Männergesundheit?
Weißbach: Wir fragen uns, wie wir den Mann ansprechen, wo wir ihn erreichen. Und das ist bisher nicht geklärt. Es ist für die englischen Fußballstadien geklärt, da gibt es eine Untersuchung, wo das gut funktioniert. Beim FC Bayern München hat das weniger gut gegriffen. Der deutsche Mann ist vielleicht mit dem englischen nicht ohne Weiteres vergleichbar, aber wir wissen, wir können den Mann erreichen, zum Beispiel in den Betrieben. Und die betriebliche Gesundheit wäre so ein Anker, an dem man den Mann dann erfolgreich ansprechen könnte.
Unsere Bemühungen als Stiftung sind bisher ins Leere gelaufen. Warum? Weil die Personalräte sich dann erbeten haben, nicht nur den Mann gesundheitlich zu betreuen, sondern auch die Frau. Und diese Art von Gleichberechtigung, die ich sehr schätze und auch vertrete, haben uns dann scheitern lassen in den Großbetrieben, Autoindustrie, Firma Siemens, um einige zu nennen. Und weiter müssen wir sagen, die Erreichbarkeit des Mannes ist sicher besser möglich, wenn wir sehr frühzeitig in der Schule beginnen, über Gesundheit aufzuklären. Und das wäre eine Maßnahme, die wir angreifen und die wir durchführen wollen.
Heise: Ist es nicht aber tatsächlich auch so, dass Sie Unterschiede beobachten bei jüngeren Männern zu älteren Männern? Da hat sich doch im Verhalten sicherlich eine Menge geändert?
Weißbach: Ja, ganz auffällig. Ich habe zunächst ein Männergesundheitszentrum seit 2006 in Fürth/Nürnberg betrieben. Das Durchschnittsalter der Männer war damals 69 Jahre, also da gab es auch viele Ältere, die gekommen sind. Die hatten auch meistens Krankheitszeichen. Und jetzt hier in Berlin in der Friedrichstraße in unserem Männergesundheitszentrum haben wir zurzeit ein Durchschnittsalter von 51 Jahren. Das macht uns stolz. Der junge Mann kommt, lässt sich untersuchen und aufklären.
Heise: Der junge Mann von 51?
Weißbach: Ja, Jugend ist relativ, aber es geht auch stellenweise weiter nach unten. Eine sinnvolle Untersuchung bieten ja die gesetzlichen Krankenkassen an in der U35, eine einmalige Rundum-Untersuchung. Der Nachteil ist, dass der Allgemeinarzt nicht genügend Zeit hat für die Betreffenden. Und dass er auch mehrere Etappen dort absolvieren muss. Da ist nicht immer alles in einer Hand, weil ein Allgemeinarzt dann mit den Untersuchungen überfordert ist.
Heise: Ich hatte aber – oder hätte gedacht, dass inzwischen auch wirklich jüngere Männer kommen, um sich auch mal im Voraus untersuchen, durchchecken zu lassen, weil doch auch seit Jahren jetzt junge Männer ganz selbstverständlich ihre Rolle als Vater hinterfragen beispielsweise, sich Gedanken darüber machen, wie sie mit Stressbelastung sich auseinandersetzen sollten. Also das heißt, die psychische Gesundheit ist ihnen doch wichtiger geworden, als das in früheren Generationen der Fall war.
Weißbach: Ein wichtiges Stichwort. Die psychische Gesundheit haben wir früher gar nicht erfragt. Das ist viel einfacher geworden, weil die Weltgesundheitsorganisation uns Bögen in die Hand gegeben hat, die der Mann selbst ausfüllt. Das ist ja eine Selbstwahrnehmung, die psychische Belastung. Die können wir einfach auswerten, diese Bögen haben wir, das ist ein Score-System, ein Punktesystem, seit vier Jahren jetzt in der Benutzung. Und wir erkennen tatsächlich das Burnout-Syndrom, wir erkennen Depression und können dann auch entsprechend den Mann hinlenken zu einem Kollegen, der sich damit besser auskennt als wir. Wir sind Internisten, Hautärzte und Urologen.
Heise: In Ihrem Gesundheitszentrum. Ihre Stiftung hat vor gerade mal zwei Jahren den ersten Männergesundheitsbericht herausgegeben. Das ist ja noch wirklich nicht lange her, aber es hat sich ja doch auf dem Gebiet, Sie haben es ja auch gesagt, einiges getan. Es haben sich auch mehrere, das sieht man, wenn man, dieser Kongress, der morgen angekündigt hat, wenn man die verschiedenen Organisationen sich anguckt, es haben sich mehrere Plattformen, Organisationen und Initiativen gegründet – kann es sein, dass man da auf so einem Weg mehr in eine Modeerscheinung ist, also eine Nische, die sich nutzen lässt? Besteht da nicht auch die Gefahr?
Weißbach: Also wir die Stiftung Männergesundheit gegründet haben 2006, war das eine solche Nische, die wenig beachtet wurde. Das hat sich im Lauf der letzten Jahre auch durch den ersten Männergesundheitsbericht geändert. Diesen ersten Gesundheitsbericht hat keine Geringere als Frau Schröder vorgestellt, hatte eine enorme Öffentlichkeitswirksamkeit, und auch die Presse hat das entsprechend begleitet. Ich nehme wahr, dass die Männergesundheit zunehmend ein Thema wird, sowohl bei den Knaben als auch bei den Frauen. Und ich freue mich darüber, dass mit dem ersten Männergesundheitsbericht von uns, der zweite folgt jetzt durch das Robert-Koch-Institut, die Öffentlichkeit auf dieses Problem aufmerksam gemacht worden ist.
Heise: Also Sie haben nicht die Angst, dass das jetzt irgendwie als Modeerscheinung ausgenutzt wird und eigentlich dann woanders hingeht, was weiß ich, irgendwelche trendigen – ja, Medikamente sind nicht trendig, aber Sie wissen schon, was ich meine, also irgendwas vielleicht, was eher an der Oberfläche bleibt, was dann eher in den Bereich Wellness abdriftet oder so was.
Weißbach: Es sind ja die Journalisten, die immer von Nachhaltigkeit sprechen. Ich bin ganz sicher, dass diese Initiativen nachhaltig wirken. Wir sitzen jetzt schon zusammen, insgesamt zwölf Experten, um einen dritten Männergesundheitsbericht zu erarbeiten, der sich ausschließlich mit der psychischen Gesundheit befasst. Und unsere Stiftung wird dafür sorgen, dass das keine Nische bleibt und auch keine Modeerscheinung.
Heise: Danke schön. Morgen findet die erste Männergesundheitskonferenz statt. Für das Gespräch hier im Studio war Lothar Weißbach von der Stiftung Männergesundheit. Ich danke Ihnen ganz herzlich und wünsche Ihnen noch einen schönen Tag!
Weißbach: Ich danke Ihnen auch!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Mehr zu diesem Thema auf dradio.de:
Große Jungen weinen nicht - Erster deutscher Männergesundheitsbericht vorgestellt (2010)