"Männer verdrängen sehr viel"
Der Androloge Wolfgang Harth glaubt, dass Potenzprobleme bei Männern zu lange ein Tabuthema gewesen sind. Hart leitet in Berlin ein Zentrum für Männergesundheit, wo Männer über Probleme der Sexualität unbefangen reden können. Hauptursache bei Potenzstörungen seien psychologische Probleme. Wichtig sei es, der Leidenschaft mehr Stellenwert einzuräumen, so Harth.
Liane von Billerbeck: Jetzt, könnte man sagen, geht es um des Mannes Kern, um den Penis. Anders als bei den Frauen war die Sorge um das beste Stück medizinisch lange unterbelichtet. Und erst seit einem Dreivierteljahr kann man in Deutschland Männerarzt, Androloge also werden. (... )
Am Telefon ist jetzt der Berliner Androloge Dr. Wolfgang Harth, der im Vivantes-Klinikum ein Zentrum für Männergesundheit leitet. Warum, und damit guten Tag, hat die Medizin so lange gebraucht, um sich mit dem Teil in Gänze zu befassen, von dem doch angeblich jeder Kerl gesteuert wird?
Dr. Wolfgang Harth: Ja, guten Tag. Also Andrologen haben sich so nicht genannt, aber es gab viele Ärzte, die sich schon längere Zeit auch mit diesem Thema beschäftigt haben, nur das war in der Öffentlichkeit noch nicht so bekannt. Und es wurde eher beim Urologen oder beim Dermatologen gemacht, dass hier spezielle Sprechstunden waren. Aber dass es so eine breite Qualitätssicherung mit einem speziell erworbenen Zusatztitel gab, das ist tatsächlich jetzt neu.
Von Billerbeck: Frauen gehen ja sehr selbstverständlich zu ihrem Gynäkologen, warum braucht Er denn nun einen Andrologen?
Harth: Es ist so, dass andrologische Probleme für Männer ein ganz spezieller Bereich sind, der bis jetzt eben meistens tabu gewesen ist. Und es ist in einer solchen speziellen Anlaufstelle möglich, tabulos, also ohne dass jetzt irgendwie ihm das komisch erscheinen muss, auch über Probleme der Sexualität oder Probleme der Impotenz, was ja kein Mann gerne zugibt, dass er dort eine Schwäche hat, zu sprechen. Und dort weiß halt eben dann vom Pförtner bis hin zur Anmeldekraft, bis hin zum Arzt jeder Bescheid, dass man da ganz normal mit umgehen kann, weil ja eigentlich irgendwann jeder Mann zum Beispiel mal eine Impotenz schon erlebt hat. Das ist etwas, was dort nicht in irgendeiner Art und Weise als unnormal angesehen wird.
Von Billerbeck: Aber solche Schwächen, die sind doch eigentlich menschlich. Warum ist das bei allem Unterleibigen für Männer noch immer so ein Tabu?
Harth: Männer möchten gerne stark sein, also das ist eins sozusagen der männlichen Attribute. Das wird schon in der Kindheit, in der Schule, in der ganzen Sozialisation des Mannes wird das eigentlich ihm schon beigebracht. Und da sind wir auch schon bei der Problematik. Es ist eben nicht, wie man dachte, nachdem Viagra auf den Markt kam, einfach getan mit einer blauen Pille, die die Durchblutung stärkt, also den Körper stärkt, sondern es ist tatsächlich auch ein psychologisches Problem. Es ist ein Problem des Kontaktes mit dem Partner oder auf der Partnersuche oder auch letztendlich überhaupt ein psychosoziales Problem. Und das ist durch die Einnahme einfach einer blauen Pille oftmals nicht gelöst.
Dadurch wird die Sache deutlich komplizierter. Wir sehen dies als ein erweitertes sogenanntes bio-psychosoziales Problem, wo also ganz viele Faktoren, von der Konstitution bis zur Psyche bis hin zum Kontakt zu anderen, halt eben die Rolle spielen. Und all die Bereiche, die müssen angeschaut werden. Und das ist etwas aufwendig.
Von Billerbeck: Wenn Männer über Probleme reden und tatsächlich den Weg zu Ihnen finden, wie reden Sie dann mit Ihnen?
Harth: Das ist ganz unterschiedlich. Das hängt natürlich von der Erziehung, von der eigenen Kultur ab. Es gibt einen Anteil von Männern, die kommen in die Sprechstunde und sagen, es klappt nicht, und mehr ist ihnen erst mal nicht zu entlocken. Das heißt, hier muss man ganz gezielt nachfragen. Andere wiederum haben sich ganz ausführlich schon vorinformiert, haben vielleicht auch schon andere aufgesucht, wissen schon genau, was sie wollen. Und ganz andere sehen die einfachen Dinge des Lebens gar nicht so als das, wie zum Beispiel sportliche Aktivität, Gewichtsreduktion, also ihr Lebensstil, der vielleicht da ursächlich sein kann, und wollen das auch gar nicht wahrnehmen. Also es ist tatsächlich für jeden ein individuelles Konzept, was erstellt werden muss. Es ist jedes Mal, jeder Patient hat da seine eigene Geschichte.
Von Billerbeck: Sie haben ja schon das Rollenbild, das männliche, erwähnt, dass Männer immer gern stark sein wollen und glauben, es auch sein zu müssen. Hat sich da im Laufe der Zeit etwas verändert, also zusammen kurz gesagt: Fragen junge Männer Sie anders als ältere Männer oder haben Sie eigentlich nur ältere Männer als Patienten?
Harth: Das Interessante ist, dass wir hier ein ganz neues gesellschaftliches Phänomen haben. Wir haben früher Patienten, die in Rente gingen, gesagt, Sexualität, das war's, das ist vorbei. Aber jetzt haben wir sehr viel ältere Patienten, die ihren dritten Frühling dort erleben. Sie sind noch fit, gehen in die Rente, haben noch 20 Jahre vor sich und wollen natürlich dann auch eine befriedigende Sexualität im Rahmen einer glücklichen Partnerschaft erleben.
Oder aber wir haben jüngere Patienten, das ist eine zweite große Gruppe, die total verunsichert sind. Wir kennen das aus Pornofilmen, wie die Männer dort gebaut sind, und da werden Schönheitsideale propagiert, auch in den Medien propagiert, die kein Mann oder nur ganz wenige letztendlich auch erfüllen können. Und wenn sie dann eine Selbstwertproblematik schon haben oder Minderwertigkeitsgefühle haben, solche Artikel dazu kommen, dann kann es durchaus sein, dass das auch zu einer Destabilisierung führt. Und das ist besonders bei Jüngeren oft der Fall, die nicht genau wissen, ist das jetzt noch normal, ist das nicht normal, und auch die, die kommen oft zum Andrologen und wollen hier eine ordentliche Auskunft haben, was ist jetzt normal oder was ist nicht normal.
Von Billerbeck: Wird Ihnen denn auch die Frage gestellt, ist mein Penis groß genug - so die Frage, die immer alle Jungs stellen in dem entsprechenden Alter oder vielleicht auch später noch?
Harth: Das ist richtig. Und hier muss man auch sehr genau nachfragen, was ist groß, also ist es die Länge, ist es die Breite oder Dicke oder was auch immer, und was stört genau. Und dann muss man halt eben auch sehen, was ist das statistisch Normale, was soll verändert werden.
Von Billerbeck: Das wollen wir jetzt wissen, was das statistisch Normale ist, Herr Dr. Harth.
Harth: Das statistisch Normale, das heißt, von der Länge oder von der Dicke her, meinen Sie?
Von Billerbeck: Beides.
Harth: Also normal kann man sagen, auf die Länge kommt es ja nicht an, sondern es ist eher, dass die Vagina, also die Scheide, zu der das beim Mann passt, in etwa elf Zentimeter lang ist, sodass Sie davon ausgehen müssen, alles, was dort drüber ist, ist ausreichend. Wenn Sie operativ vorgehen wollen, dann würde man das nur bei ganz kleinen Befunden, die weit unter sieben Zentimeter sind, machen. Diese Operationen haben ganz, ganz große Risiken. Dort können also wirkliche schwere Schäden, Abweichungen oder auch letztendlich Vernarbungen auftreten. Da sollte man zurückhaltend sein.
Von Billerbeck: Macht es für Männer eigentlich einen Unterschied, wenn der Männerarzt eine Frau ist?
Harth: Also das ist so, das hängt auch wieder etwas vom Alter ab. Viele ältere Patienten gehen lieber zu einem Mann mit solchen Problemen.
Von Billerbeck: Und bei den Jüngeren ist das entspannter?
Harth: Es ist manchmal entspannter, aber wie gesagt, auch dort, wir haben verschiedene ethnische Zugehörigkeiten, auch das ist mitentscheidend. Also es hängt sehr von der Kultur der einzelnen Personen ab.
Von Billerbeck: Wissen eigentlich, und das als letzte Frage, Herr Dr. Harth, wissen eigentlich Männer heutzutage genug über ihren eigenen Körper und hören sie auf ihn, wenn er Signale sendet?
Harth: Also Männer verdrängen sehr viel, und letztendlich, Männer sind auch ungern beim Arzt. Und bei der Potenz ist es tatsächlich so, dass die Lust, die Leidenschaft eins der Hauptprobleme ist, mit der sich fast kaum jemand beschäftigt hat. Auch ich denke, dass das sogar eine der Herausforderungen unserer Zivilisation auch nicht nur für die Potenz ist, sondern dass man mit Leidenschaft dabei ist. Und es geht nicht nur darum, etwas zu beweisen oder halt eben nach dem äußeren Schein, sondern in etwa, was das Herz dazu sagt.
Am Telefon ist jetzt der Berliner Androloge Dr. Wolfgang Harth, der im Vivantes-Klinikum ein Zentrum für Männergesundheit leitet. Warum, und damit guten Tag, hat die Medizin so lange gebraucht, um sich mit dem Teil in Gänze zu befassen, von dem doch angeblich jeder Kerl gesteuert wird?
Dr. Wolfgang Harth: Ja, guten Tag. Also Andrologen haben sich so nicht genannt, aber es gab viele Ärzte, die sich schon längere Zeit auch mit diesem Thema beschäftigt haben, nur das war in der Öffentlichkeit noch nicht so bekannt. Und es wurde eher beim Urologen oder beim Dermatologen gemacht, dass hier spezielle Sprechstunden waren. Aber dass es so eine breite Qualitätssicherung mit einem speziell erworbenen Zusatztitel gab, das ist tatsächlich jetzt neu.
Von Billerbeck: Frauen gehen ja sehr selbstverständlich zu ihrem Gynäkologen, warum braucht Er denn nun einen Andrologen?
Harth: Es ist so, dass andrologische Probleme für Männer ein ganz spezieller Bereich sind, der bis jetzt eben meistens tabu gewesen ist. Und es ist in einer solchen speziellen Anlaufstelle möglich, tabulos, also ohne dass jetzt irgendwie ihm das komisch erscheinen muss, auch über Probleme der Sexualität oder Probleme der Impotenz, was ja kein Mann gerne zugibt, dass er dort eine Schwäche hat, zu sprechen. Und dort weiß halt eben dann vom Pförtner bis hin zur Anmeldekraft, bis hin zum Arzt jeder Bescheid, dass man da ganz normal mit umgehen kann, weil ja eigentlich irgendwann jeder Mann zum Beispiel mal eine Impotenz schon erlebt hat. Das ist etwas, was dort nicht in irgendeiner Art und Weise als unnormal angesehen wird.
Von Billerbeck: Aber solche Schwächen, die sind doch eigentlich menschlich. Warum ist das bei allem Unterleibigen für Männer noch immer so ein Tabu?
Harth: Männer möchten gerne stark sein, also das ist eins sozusagen der männlichen Attribute. Das wird schon in der Kindheit, in der Schule, in der ganzen Sozialisation des Mannes wird das eigentlich ihm schon beigebracht. Und da sind wir auch schon bei der Problematik. Es ist eben nicht, wie man dachte, nachdem Viagra auf den Markt kam, einfach getan mit einer blauen Pille, die die Durchblutung stärkt, also den Körper stärkt, sondern es ist tatsächlich auch ein psychologisches Problem. Es ist ein Problem des Kontaktes mit dem Partner oder auf der Partnersuche oder auch letztendlich überhaupt ein psychosoziales Problem. Und das ist durch die Einnahme einfach einer blauen Pille oftmals nicht gelöst.
Dadurch wird die Sache deutlich komplizierter. Wir sehen dies als ein erweitertes sogenanntes bio-psychosoziales Problem, wo also ganz viele Faktoren, von der Konstitution bis zur Psyche bis hin zum Kontakt zu anderen, halt eben die Rolle spielen. Und all die Bereiche, die müssen angeschaut werden. Und das ist etwas aufwendig.
Von Billerbeck: Wenn Männer über Probleme reden und tatsächlich den Weg zu Ihnen finden, wie reden Sie dann mit Ihnen?
Harth: Das ist ganz unterschiedlich. Das hängt natürlich von der Erziehung, von der eigenen Kultur ab. Es gibt einen Anteil von Männern, die kommen in die Sprechstunde und sagen, es klappt nicht, und mehr ist ihnen erst mal nicht zu entlocken. Das heißt, hier muss man ganz gezielt nachfragen. Andere wiederum haben sich ganz ausführlich schon vorinformiert, haben vielleicht auch schon andere aufgesucht, wissen schon genau, was sie wollen. Und ganz andere sehen die einfachen Dinge des Lebens gar nicht so als das, wie zum Beispiel sportliche Aktivität, Gewichtsreduktion, also ihr Lebensstil, der vielleicht da ursächlich sein kann, und wollen das auch gar nicht wahrnehmen. Also es ist tatsächlich für jeden ein individuelles Konzept, was erstellt werden muss. Es ist jedes Mal, jeder Patient hat da seine eigene Geschichte.
Von Billerbeck: Sie haben ja schon das Rollenbild, das männliche, erwähnt, dass Männer immer gern stark sein wollen und glauben, es auch sein zu müssen. Hat sich da im Laufe der Zeit etwas verändert, also zusammen kurz gesagt: Fragen junge Männer Sie anders als ältere Männer oder haben Sie eigentlich nur ältere Männer als Patienten?
Harth: Das Interessante ist, dass wir hier ein ganz neues gesellschaftliches Phänomen haben. Wir haben früher Patienten, die in Rente gingen, gesagt, Sexualität, das war's, das ist vorbei. Aber jetzt haben wir sehr viel ältere Patienten, die ihren dritten Frühling dort erleben. Sie sind noch fit, gehen in die Rente, haben noch 20 Jahre vor sich und wollen natürlich dann auch eine befriedigende Sexualität im Rahmen einer glücklichen Partnerschaft erleben.
Oder aber wir haben jüngere Patienten, das ist eine zweite große Gruppe, die total verunsichert sind. Wir kennen das aus Pornofilmen, wie die Männer dort gebaut sind, und da werden Schönheitsideale propagiert, auch in den Medien propagiert, die kein Mann oder nur ganz wenige letztendlich auch erfüllen können. Und wenn sie dann eine Selbstwertproblematik schon haben oder Minderwertigkeitsgefühle haben, solche Artikel dazu kommen, dann kann es durchaus sein, dass das auch zu einer Destabilisierung führt. Und das ist besonders bei Jüngeren oft der Fall, die nicht genau wissen, ist das jetzt noch normal, ist das nicht normal, und auch die, die kommen oft zum Andrologen und wollen hier eine ordentliche Auskunft haben, was ist jetzt normal oder was ist nicht normal.
Von Billerbeck: Wird Ihnen denn auch die Frage gestellt, ist mein Penis groß genug - so die Frage, die immer alle Jungs stellen in dem entsprechenden Alter oder vielleicht auch später noch?
Harth: Das ist richtig. Und hier muss man auch sehr genau nachfragen, was ist groß, also ist es die Länge, ist es die Breite oder Dicke oder was auch immer, und was stört genau. Und dann muss man halt eben auch sehen, was ist das statistisch Normale, was soll verändert werden.
Von Billerbeck: Das wollen wir jetzt wissen, was das statistisch Normale ist, Herr Dr. Harth.
Harth: Das statistisch Normale, das heißt, von der Länge oder von der Dicke her, meinen Sie?
Von Billerbeck: Beides.
Harth: Also normal kann man sagen, auf die Länge kommt es ja nicht an, sondern es ist eher, dass die Vagina, also die Scheide, zu der das beim Mann passt, in etwa elf Zentimeter lang ist, sodass Sie davon ausgehen müssen, alles, was dort drüber ist, ist ausreichend. Wenn Sie operativ vorgehen wollen, dann würde man das nur bei ganz kleinen Befunden, die weit unter sieben Zentimeter sind, machen. Diese Operationen haben ganz, ganz große Risiken. Dort können also wirkliche schwere Schäden, Abweichungen oder auch letztendlich Vernarbungen auftreten. Da sollte man zurückhaltend sein.
Von Billerbeck: Macht es für Männer eigentlich einen Unterschied, wenn der Männerarzt eine Frau ist?
Harth: Also das ist so, das hängt auch wieder etwas vom Alter ab. Viele ältere Patienten gehen lieber zu einem Mann mit solchen Problemen.
Von Billerbeck: Und bei den Jüngeren ist das entspannter?
Harth: Es ist manchmal entspannter, aber wie gesagt, auch dort, wir haben verschiedene ethnische Zugehörigkeiten, auch das ist mitentscheidend. Also es hängt sehr von der Kultur der einzelnen Personen ab.
Von Billerbeck: Wissen eigentlich, und das als letzte Frage, Herr Dr. Harth, wissen eigentlich Männer heutzutage genug über ihren eigenen Körper und hören sie auf ihn, wenn er Signale sendet?
Harth: Also Männer verdrängen sehr viel, und letztendlich, Männer sind auch ungern beim Arzt. Und bei der Potenz ist es tatsächlich so, dass die Lust, die Leidenschaft eins der Hauptprobleme ist, mit der sich fast kaum jemand beschäftigt hat. Auch ich denke, dass das sogar eine der Herausforderungen unserer Zivilisation auch nicht nur für die Potenz ist, sondern dass man mit Leidenschaft dabei ist. Und es geht nicht nur darum, etwas zu beweisen oder halt eben nach dem äußeren Schein, sondern in etwa, was das Herz dazu sagt.