Männerarbeit in der evangelischen Kirche

Ein Motorsägenschein für ein Halleluja

Ein Mann mit einer Motorsäge.
Pastor Ralf Schlenker will mit seinen Angeboten jüngere Männer ansprechen. © imago/Westend61
Von Tim Zülch |
Pastor Ralf Schlenker möchte mehr junge Männer für die Kirche gewinnen. Mit ausgefallenen Ideen: Bei ihm kann man in Mecklenburg-Vorpommern seinen Motorsägenschein machen und demnächst auch seinen eigenen Sarg bauen.
Volkshochschule Grevesmühlen in Mecklenburg Vorpommern. Hans Michel, 73 Jahre alt, Backenbart und Holzfällerhemd, steht vor einer Gruppe von acht Männern:
"So, dann fangen wir an. Mein Name ist Michel, ich bin Forstwirtschaftsmeister und führe die Einweisungslehrgänge hier durch."
Die Teilnehmer erhalten eine Einweisung für Kettensägen.
"Und ich komm jetzt hier mit der Spitze irgendwo gegen einen anderen Stamm, der da liegt, dann kann es passieren, dass die Motorsäge hochschlägt."
Auch Pastor Ralf Schlenker hat an einem der Tische Platz genommen. Er ist 53 Jahre alt, trägt Dreitagebart und eine schwarz gerandete Brille. Er ist allerdings kein Teilnehmer, sondern der Organisator dieses Kurses, der sich speziell an Männer richtet. Schlenker wird nicht bis zum Ende bleiben, denn er hat den Kettensägenschein bereits. Für die Teilnehmer an dem Kurs hingegen ist der Schein wichtig. Sie dürfen damit im öffentlichen Wald Bäume fällen, oder – im Fachjargon – "Holz werben". Für Schlenker waren mehrere Gründe ausschlaggebenden, dieses Seminar im Rahmen der Kirche zu organisieren.
Schlenker: "Das eine ist, dass ich mit meinen Angeboten jüngere Männer ansprechen will. Andererseits weiß ich, dass viele mit der Kettensäge arbeiten aber diese Ausbildung nicht gemacht haben. Es geht also auch um Sicherheit und gute Handhabung dieser Geräte."

An der Basis unterrepräsentiert

Schlenker erhofft sich auch eine bessere Bindung an die Kirche. Denn Männer fühlen sich von Kirchenangeboten oft nicht angesprochen. Dabei ist Männerarbeit in beiden großen christlichen Kirchen seit Jahrzehnten verankert. Im Mai 1946 gründete sich die Männerarbeit in der Evangelischen Kirche Deutschlands. Dennoch sind bis heute in der Gemeindearbeit Männer unterrepräsentiert – auch wenn sich das Verhältnis langsam verschiebt. Zahlen aus dem Jahr 2011 zufolge existieren rund 15.000 Frauenkreise in der evangelischen Kirche, denen nur 2.800 Männerkreise gegenüberstehen. Über 200.000 Frauen nahmen an solchen Kreisen teil, doch nur knapp 40.000 Männer. Zahlen, die Ralf Schlenker als Auftrag sieht.
Schlenker: "Die geistlichen Angebote für Männer sind einfach aus meiner Sicht nicht ausreichend. In meinen Begegnungen ist mir aufgefallen, dass ein großes Interesse der Männer daran besteht, Themen nur unter Männern zu besprechen. Das ist eine gute Möglichkeit, auch heikle Themen einmal anzusprechen. Die geistliche Dimension besteht darin, dass die Frömmigkeit von Männern möglicherweise andere Formen sucht als die von Frauen. Das erlebe ich sehr direkt, dass da nicht lange um ein Thema herumgeredet wird, sondern es geht sofort zur Sache."

Männer allein im Wald

Mittlerweile sind die Kursteilnehmer in ein Hotel gefahren. Schlenker moderiert eine kleine Vorstellungsrunde.
Schlenker: "Mir hat das vor zehn Jahren total Spaß gemacht, diesen Kurs zu machen. Einfach mit Männern im Wald unterwegs zu sein. Sich über die Kettensägen zu unterhalten, so nach dem Motto: Wer hat das längste – Schwert? Oder: Wer hat die beste Technik?"
Er liest die "Danksagung an die natürliche Welt" des Indianerhäuptlings Chief Jake Swamp und gibt eine Tüte mit Holzstücken in die Runde.
Schlenker: "Die geht jetzt mal rum, und jeder nehme sich bitte ein Stück. Meine Frage wäre, dass ihr mal sagt, warum ihr genau dieses Stück genommen habt und wie eure Beziehung zu dem Thema Holz und Kettensägen ist."
Teilnehmer: "Das dürfte eine gemeine Kiefer sein."

Intimer Austausch

Schlenker: "Das, was ich mir genommen habe, ist der Stachel im Fleisch. Paulus sagt das. Das erinnert mich an Dinge, an die ich nicht so gerne erinnert werden möchte. Als Mann brauche ich so einen Stachel im Fleisch. Was habt ihr denn so für Holz?"
Die Männer antworten reihum: der Mann einer Pastorin, ein Präventionsbeauftragter der Kirche – die meisten Teilnehmer haben eine enge Beziehung zur Kirche. Bernd Schröder war kirchlicher Jugendwart in Greifswald. Er hat sich einen Lehmofen bauen lassen und möchte nun das Holz dafür selbst aus dem Wald holen.
Schröder: "Dieses Holzstück hat mich an den letzten Terrassenbau erinnert. Das ist scheinbar Lärche, eine alte Terrassenbohle. Und Holz ist ein schöner Werkstoff. Ich finde es wichtig, verantwortlich damit umzugehen und sparsam auch."
Bernd Schröder schätzt den intimen Austausch in Männerseminaren der Kirche. Es ist nicht das erste Männerseminar, an dem er teilnimmt.
Schröder: "Diese Abenteuerlust, die gehört bei Männern mehr zum Sein dazu, zu ihrer Art, als bei Frauen. Etwas zu tun, was man noch nicht gemacht hat. Aber nicht aufgrund von Konkurrenz, sondern im Sinne von miteinander Sein."

Nächste Station: das Sargbauwochenende

Pastor Ralf Schlenker ist am Abend noch mit Christian Berg verabredet. Berg ist Bestatter und Sargbauer in Klütz, einer kleinen Ortschaft in der Nähe von Grevesmühlen. Schlenker plant, im kommenden Jahr einen Sargbaukurs für Männer anzubieten. Heute findet das erste Gespräch statt.
Berg: "Viele denken ja auch, sie können sich die Kiste nachher selber basteln."
Schlenker: "Ja, das sind ja so Sachen, die weiß keiner. Zum Beispiel dieses Gerücht, dass sich im Krematorium die Leiche nochmal aufrichtet."
Berg: "Das ist doch kein Gerücht. Das ist Physik."
Schlenker: "Oder die Geräusche, die eine Leiche macht."
Berg: "Das ist halt, wenn man den bewegt, den Leichnam. Wenn der jetzt gleich in die Kühlung kommt, dann passiert da auch nichts. Aber so wie in diesen Hospizen, wo die da zwei Tage liegen. Das ist nicht immer angenehm. Heutzutage mit der Medizin, die in die Körper gepumpt wird."
Schlenker: "Friedhof ist eigentlich kontaminiertes Gebiet, was da an Medikamenten drin ist."
Die beiden Männer verstehen sich auf Anhieb, dem Sargbauwochenende im nächsten Jahr steht nichts im Wege.
Schlenker: "Ich bin total motiviert. Da gibt es die Möglichkeit, dass die Männer auch vor Ort an einem Sarg bauen können. Es ist rundum ein gelungenes Gespräch gewesen. Eine Sympathie gegenseitig, denke ich. Der hat auch den richtigen Schlag drauf. Ich kann mir gut vorstellen, dass er mit den Männern gut ins Gespräch kommt. Auch bei dem schwierigen Thema Tod und Sterben."
Zurück in Grevesmühlen. Am nächsten Morgen können die Teilnehmer des Kettensägenkurses im nahen Kirchenwald zeigen, was sie gelernt haben. Jeder darf "seinen" Baum fällen und erhält das Zertifikat. Schlenker erhofft sich nun, dass die Männer auch bei der Pflege kircheneigener Wälder ihr Können einbringen werden.
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