Männerbeine

Durchaus einen Blick wert

05:01 Minuten
Ein Paar Männerbeine in Treckingschuhen, im Hintergrund die Nadab Floodplains in Australien.
Nackte Männerbeine - da denken viele immer noch: Muss das sein? © imago / imagebroker
Von Katharina Kühn |
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Ironie beim Bekleiden ist erlaubt - aber auch nacktes Bein? "Bein zeigen", scheint in der Männermode das letzte Tabu zu sein. Das, wenn überhaupt, nur in der Freizeit gebrochen werden darf. Früher hingegen war das Männerbein durchaus en vogue.
In ihrem Ladengeschäft in Berlin-Mitte verkauft Wibke Deertz, Designerin und Gründerin vom Männermodelabel A.D.Dertz natürlich auch Shorts. Dunkle, unifarbene und bedruckte kurze Hosen.
"Jetzt habe ich eine Shorts rausgeholt, in 50 Prozent Baumwolle, 50 Prozent Leinen, also ist recht leichtes Material, schön zu tragen, wenn es total heiß ist", erklärt sie.
Diese Shorts sind klar für die Freizeit konzipiert. Natürlich könne jeder sich so anziehen, wie er will, sagt Wibke Deertz. Aber:
"Ich finde dieses Hitzeargument immer ein bisschen überbewertet: 'es ist so heiß, ich muss Shorts anziehen'. Also ich reise beruflich total viel und bin auch viel in Asien und Afrika unterwegs. Und da arbeiten ja auch die Leute überall und tragen keine Shorts."
Ganz abwegig ist es ja nicht, Männerwaden, -knie und sogar -oberschenkel zu zeigen, immerhin stellten Männer früher ihre Beine liebend gern zur Schau. Das ging schon in der Antike los, als römische Männer unter der Toga - ein großes Stück Stoff, das höhergestellte Römer um den Körper wickelten - nackte Beine präsentierten, und die auch gern rasiert!
Jahrhundertelang wurden dann die Männerbeine zwar in feingewebte Strümpfe gesteckt, das bedeutete aber nicht, dass Mann seine Beine nicht mehr zeigen wollte, erzählt Anja Meyerrose, Soziologin und Autorin des Buches: "Herren im Anzug":
"Männer versuchten allerdings in der Zeit, in der sie sehr enge Strümpfe trugen, die Beine eher maskulin auszustaffieren, also maskulin, muskulös auszusehen, nicht zu dünne Beine zeigen zu müssen."

Das Ideal: Beine wie eine antike Statue

Denn auch wenn es keine Fashionmagazine gab, hatten die modebewussten Männer im 18. Jahrhundert etwa Vorbilder: Marmorstatuen aus dem Nahen Osten und Italien, die beispielsweise nach Frankreich gebracht wurden. Und diese weißen Idealfiguren bewirkten bei den Männern Ähnliches wie retuschierte Magazin-Bilder, nämlich "dass sie aussehen wollten wie diese Männerstatuen, diese Idealbilder von Männern", erklärt Meyerrose.
"Und die Hosen, die weißen, Napoleon in knallengen weißen kurzen Hosen und weißen, engen Strümpfen: Das ist so eng, damit es an den weißen Marmor der Statuen erinnert. Es gab Männer, die dann auch sich künstliche Waden und künstliche Oberschenken in diese Strümpfe und Hosen gesteckt haben, damit sie männlicher wirken."
Natürlich lockern einige Büros ihre Kleidervorschriften. Dass wir geschlechtergetrennte Mode-Sehgewohnheiten aber noch nicht überwunden haben, beweisen Männer wie Werner Danz.
"Dass mal geschmunzelt wird, vielleicht, das kommt mal vor, ist aber auch die Seltenheit", sagt er. Er fällt mit seinem Kleidungsstil auf, denn er zeigt durchaus Bein – aber in Feinstrumpfhosen. Mal transparent, mal blickdicht in gedeckten Farben. Dazu sehr kurze Shorts. Seine Beine sieht man so natürlich deutlicher als beispielsweise in einer langen Jeans.
Seinen Stil können nicht nur die Bewohner in und um Würzburg sehen, sondern auch Instagram-UserInnen, auf Werner Danz‘ Account "tightsandbread". Mit dem Account will er auch anderen Männern Mut machen, "dass Mann Strumpfhose tragen kann, dass das jetzt nicht unbedingt blöd aussieht, dass das kein Fetisch sein muss, sondern ein ganz normales Kleidungsstück wie jedes andere auch".
Die Strumpfhose ist eben für die eine Hälfte der Bevölkerung völlig normal, für die andere ein Tabu. Aber da ja bekanntlich in der Mode alles irgendwann wiederkommt, stehen auch die Chancen für feingewebte Herrenstrümpfe – und somit auch für die Strumpfhose – vielleicht gar nicht so schlecht.
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