Männerfreundschaft auf Finnisch
Jussi und sein Onkel sind verwandtschaftlich und freundschaftlich eng miteinander verbunden. Allerdings sind sie ein auffallend ungleiches Paar. Mit doppelsinnigem Witz erzählt der Finne Petri Tamminen in seinem Roman von Männern, deren Leben aus dem Lot geraten ist und deren Gemüt nur noch durch den Wetterbericht beruhigt werden kann.
Der finnische Autor Petri Tamminen ist auf deutschen Lesebühnen kein Unbekannter. Nach dem Roman "Der Eros des Nordens" (2003) erschien 2005 ein Band mit Kurzprosa, in dem wir in die finnische Kunst des Versteckens eingeführt werden. In seinen skurrilen "Versteckgeschichten" ist Tamminen den verborgenen Sehnsüchten und Lastern des finnischen Mannes auf der Spur. "Zurück in den Mutterschoß gelangen Männer, indem sie sich Gummioveralls anziehen und für ein Wochenende beim Fischen schwelgen", ist zu lesen. Dadurch glauben sie, der Monotonie des Alltags und der Arbeit, vor allem aber sich selbst zu entkommen.
An dieses Grundmuster knüpft Tamminen in seinem Roman "Mein Onkel und ich" an. Jussi und sein Onkel Olli sind nicht nur verwandtschaftlich miteinander verbunden. Eng befreundet, stromern sie seit der Kindheit durch die Wälder und sammeln kuriose Geschichten, wie sie auch in Miguel de Cervantes Roman "Don Quijote" stehen könnten. Zudem sind sie ein auffallend ungleiches Paar. Jussi, ein eher schüchterner, in allen Lebenslagen vorsichtiger Mensch, sehnt sich nach häuslicher Harmonie, emotionaler Überschaubarkeit und materieller Sicherheit. Der zehn Jahre ältere Olli steht diesem Lebenskonzept äußerst skeptisch gegenüber. Er ist ein Heißsporn, dem jede in eine kurvenreiche Anatomie verpackte weibliche Seele zu Füßen liegt, und der sich nur ungern unter die zulässige Promillegrenze begibt. Sicherheit ist ihm ein Schimpfwort. Und während Jussi sich den Kopf über den Sinn des Lebens zerbricht, lautet seine Parole: "Du sollst gar nichts sein".
Beide eint jedoch die Gewissheit, wann immer es nötig ist, bedingungslos füreinander da zu sein. Zwischenzeitlich tarnen sie sich mit einem Leben, das wie geborgt erscheint und in dem sie Fremde sind.
In drei Kapiteln wird erzählt, wie die Männerfreundschaft immer wieder auf die Probe gestellt wird. Illustriert werden diese Geschichten von globalen TV-Ereignissen, in denen die Reichen und Schönen vom Kummer des Wohlstands berichten. Doch was sind diese Tragödien schon gegen jene Dramen, die sich in den düsteren Wäldern und unergründlichen Seen Nordfinnlands und, nicht zu vergessen, in den finnischen Saunen abspielen. Ein Angelwochenende wird für Jussi, der inzwischen mit seiner Familie in der Stadt lebt und als Stipendiat in seiner klimatisierten Uni-Box dahin dümpelt, zur moralischen Zerreißprobe. Danach hat sich die Welt einmal um sich selbst gedreht.
Petri Tamminen ist ein Meister des Details. In zarten Handlungsstrichen und derben Zoten entwirft er ein Tableau, das in Schärfe und Tiefe seinesgleichen sucht. Mit doppelsinnigem Witz erzählt er von Männern, deren Leben "schwer aus dem Lot" geraten ist und deren Gemüt nur noch durch den Wetterbericht beruhigt wird.
Rezensiert von Carola Wiemers
Petri Tamminen "Mein Onkel und ich". Roman.
Suhrkamp 2007. Aus dem Finnischen von Stefan Moser.
155 Seiten. 19,80 Euro.
An dieses Grundmuster knüpft Tamminen in seinem Roman "Mein Onkel und ich" an. Jussi und sein Onkel Olli sind nicht nur verwandtschaftlich miteinander verbunden. Eng befreundet, stromern sie seit der Kindheit durch die Wälder und sammeln kuriose Geschichten, wie sie auch in Miguel de Cervantes Roman "Don Quijote" stehen könnten. Zudem sind sie ein auffallend ungleiches Paar. Jussi, ein eher schüchterner, in allen Lebenslagen vorsichtiger Mensch, sehnt sich nach häuslicher Harmonie, emotionaler Überschaubarkeit und materieller Sicherheit. Der zehn Jahre ältere Olli steht diesem Lebenskonzept äußerst skeptisch gegenüber. Er ist ein Heißsporn, dem jede in eine kurvenreiche Anatomie verpackte weibliche Seele zu Füßen liegt, und der sich nur ungern unter die zulässige Promillegrenze begibt. Sicherheit ist ihm ein Schimpfwort. Und während Jussi sich den Kopf über den Sinn des Lebens zerbricht, lautet seine Parole: "Du sollst gar nichts sein".
Beide eint jedoch die Gewissheit, wann immer es nötig ist, bedingungslos füreinander da zu sein. Zwischenzeitlich tarnen sie sich mit einem Leben, das wie geborgt erscheint und in dem sie Fremde sind.
In drei Kapiteln wird erzählt, wie die Männerfreundschaft immer wieder auf die Probe gestellt wird. Illustriert werden diese Geschichten von globalen TV-Ereignissen, in denen die Reichen und Schönen vom Kummer des Wohlstands berichten. Doch was sind diese Tragödien schon gegen jene Dramen, die sich in den düsteren Wäldern und unergründlichen Seen Nordfinnlands und, nicht zu vergessen, in den finnischen Saunen abspielen. Ein Angelwochenende wird für Jussi, der inzwischen mit seiner Familie in der Stadt lebt und als Stipendiat in seiner klimatisierten Uni-Box dahin dümpelt, zur moralischen Zerreißprobe. Danach hat sich die Welt einmal um sich selbst gedreht.
Petri Tamminen ist ein Meister des Details. In zarten Handlungsstrichen und derben Zoten entwirft er ein Tableau, das in Schärfe und Tiefe seinesgleichen sucht. Mit doppelsinnigem Witz erzählt er von Männern, deren Leben "schwer aus dem Lot" geraten ist und deren Gemüt nur noch durch den Wetterbericht beruhigt wird.
Rezensiert von Carola Wiemers
Petri Tamminen "Mein Onkel und ich". Roman.
Suhrkamp 2007. Aus dem Finnischen von Stefan Moser.
155 Seiten. 19,80 Euro.