Nimmerland mit prächtiger Kulisse
Ein Krokodil tapst niedlich durch das Stuttgarter Opernhaus und ein paar Stunden wird die Bühne selbst zu einem riesigen Krokodilsschlund. Mit einer aufwändigen Kulisse hat Frank Hilbrich "Peter Pan" als Oper inszeniert.
Kurz vor der Pause entwickelt die Oper ihre größte Poesie. Peter Pan, den es vorübergehend nach London verschlagen hat in das bürgerliche Heim der Darlings, hat das Fenster geöffnet und fliegt hinaus in den Nachthimmel, und mit ihm die Kinder der Darlings Wendy, Michael und John. Sie haben die Gängeleien durch ihre Eltern satt und wollen ein freies Leben führen wie Peter Pan auf seiner Insel Nimmerland. Richard Ayres hat dafür eine wahrhaft zauberhafte Musik komponiert.
Regisseur Frank Hilbrich führt diesen Zauber mit seinen Mitteln fort. An nahezu unsichtbaren Seilen hängend, scheinen die Figuren schwerelos im Raum zu schweben - ein Traum von einen Szenenbild! In Lavinia Greenlaws Libretto finden sich die wesentlichen Elemente von Barries Märchenerfindung: Die lost boys, man könnte auch sagen, elternlose Kinder, die Peter Pan auf seiner Insel versammelt hat, der böse Pirat Hook, und die rätselhafte Tiger Lily. Da weiß Ayres dem Orchester manchmal wahre Zauberklänge zu entlocken, und Dirigent Roland Kluttig lotet alle Facetten aus, von ätherisch duftig bis martialisch-gewaltsam.
"Eine Oper mit viel Potential"
Die Stärken dieser Partitur liegen vor allem im Orchestralen, hier entsteht Dramatik, hier entsteht Magie, in der Führung der Gesangsstimmen ist Ayres nicht so subtil. Da klaffen Sprachduktus und musikalischer Rhythmus häufig auseinander, das erschwert die Verständlichkeit, selbst für Erwachsene. Die können immerhin noch Hilfe bei den Übertiteln suchen, kleine Kinder können das nur bedingt. Nur bei Peter Pan gelingt Ayres auch im Gesang natürliche Artikulation - er hat die Partie übrigens mit einem Countertenor besetzt - schließlich ist Peter Pan ja ein Junge, der nicht erwachsen wird.
Für Verwirrung sorgt auch das Libretto, das überfrachtet ist mit allzu vielen Details. Uneingeschränkten Märchenzauber bringt Frank Hilbrichs Inszenierung: Die Piraten sind gruselig und komisch zugleich, das Krokodil tapst anfangs witzig über die Bühne, am Ende mutiert die Bühne dann zu einem riesigen Krokodilsschlund, der Piraten samt Schiff verschlingt. Es ist eine Oper mit viel Potential, doch sollte sie gestrafft, vor allem im ersten Akt, der unnötig lang die bürgerliche Tristesse der Darlings in London vorführt, und der Komponist sollte sich fragen, ob unbedingt jeder Satz hochdramatisch auskomponiert werden muß, als sei er der Inbegriff des Tragischen.