Märchenoper in frischen Farben

Von Robert Baag |
Am renovierten Bolschoi-Theater in Moskau wirkt Puschkins Oper "Ruslan und Ljudmila" wie durchgelüftet: strahlend frische Farben und Helligkeit dominieren das Dekor. Der Hauptdarstellerin Albina Shagimuratova ist die Spielfreude anzusehen.
Nein, eine Märchenoper für Kinder wird diese Inszenierung von Michail Glinkas "Ruslan und Ljudmila" bestimmt nicht werden, verrät schon einmal Titelheld und Bariton Michail Petrenko. Regisseur Dmitrij Tschernjakov habe das vor gut 170 Jahren vertonte Versepos von Alexander Puschkin ganz anders angelegt als im Marijnskij-Theater in St. Petersburg, dieser ewigen Konkurrenzbühne des nun wieder in frischem Glanz erstrahlenden Bolschoi-Operntheaters in Moskau:

"In St. Petersburg verwenden sie immer noch Dekorationen, die schon über 100 Jahre alt sind", lästert Petrenko. Dort zeige man "Ruslan und Ljudmila" ausschließlich um elf Uhr morgens, als reine Kinder-Matinee.

Auch Albina Shagimuratova, die Ljudmila der Premiere am Mittwochabend, verspricht bei dieser Neuinszenierung - ungeachtet all der im Libretto vorgesehenen Zauberer, Zwerge, Sklaven, Nymphen und Nixen - trotz mancherlei heidnisch-skurrilem Mummenschanz aufregende Unterhaltung auch für das reifere Publikum. Ihre schwarzen Augen blitzen dabei vor Vergnügen:

"Ljudmila sieht sich vielen Verführungsversuchen ausgesetzt. Die entspannende Thai-Massage, die ihr im vierten Akt in Tschernomors Zaubergärten verabreicht wird, dauert ja nur zwei Minuten. Die restlichen 50 Minuten dieses Aktes bedeuten ansonsten permanente Anstrengung für sie."

Dass Albina Shagimuratova Spaß hat an ihrer Heldin, dass sie sich freut, den Eröffungsabend auf der frisch hergerichteten historischen Bühne bestreiten zu können, ist ihrer Spielfreude und Stimmpräsenz in jeder Sekunde anzusehen und anzuhören:

"Ich werde die Ljudmila so kokett spielen, dabei vielleicht sogar ein bisschen übertreiben, exaltiert sein - ein wenig. Aber: Bei all dieser Neuinterpretation möchte ich dabei doch nie das spezifisch russische Gefühl verlieren. Denn diese Oper ist russisch, sie wird auf Russisch gesungen, auf einer russischen Bühne aufgeführt. Das darf man nie vergessen."

"Nein, nein, nein" - wehrt vorsorglich auch schon mal Dmitrij Tschernjakov beschwörend ab. Nichts liege ihm, dem Regisseur, ferner, als zu manipulieren und einen Skandal zu provozieren. Derlei sei nie sein Begehr und Ziel gewesen, versichert er. Und: Regietheater in des Wortes abwertend gemeinter Bedeutung ist in seiner Inszenierung nun tatsächlich nicht zu erkennen. So weit geht die Freiheit der Interpretation dann doch noch nicht.

Dennoch: Wie frisch gelüftet wirkt die räumlich beeindruckend vergrößerte Szene. Helligkeit dominiert, lässt den einstigen, berühmt-berüchtigten "Bolschoi-Plüsch-Charakter" vergessen. Es dominieren strahlend frische Farben das Dekor. Den an manchen Stellen noch unsicher wirkenden Beleuchtern fehlt vielleicht angesichts all ihrer neuen Hightech-Möglichkeiten ein wenig die Routine. Nur die bunte Üppigkeit der historisierenden, slawisch-folkloristischen Fantasie-Kostüme von Solisten, Chor und Komparserie lässt das Auge bald ermüden.

Und schließlich die hochgelobte neue Akustik in dem für offiziell umgerechnet eine halbe Milliarde Euro wieder auf den neuesten Stand der Technik gehievten runderneuerten Bolschoj-Theater: Premieren-Dirigent Vladimir Jurovskij klingt hier eher verhalten. Er habe das Orchester ausgedünnt, sagt er - der Werktreue wegen, aber...

"...wenn die Akustik tatsächlich so gut ist, wie alle sagen, dann müsste sie auch die kleinere Besetzung tragen", meint Jurovskij. Doch ganz sicher scheint er sich da nicht zu sein. Man experimentiere noch.