Ein Seehotel noch ohne See
Noch laufen die Löcher des ehemaligen Tagebaus voll, aber mancherorts in der Lausitz ist schon zu erahnen, was in ein paar Jahren Europas größte künstliche Wasserlandschaft und Deutschlands viertgrößtes Seengebiet werden soll.
Die Szenerie ist bizarr. Die Seestraße in Großräschen endet an einer Baustelle: Hier soll ein mondäner Stadthafen entstehen, verrät eine große Informationstafel. Unten in der Baugrube fahren Bagger herum, 50 Meter vom Ufer des langsam wachsenden Sees entfernt. Der entsteht seit einigen Jahren mit Hilfe des Wassers der Schwarzen Elster an Stelle des ehemaligen Tagebaues, der die Kleinstadt mehr als 100 Jahre geprägt hat.
Gleich gegenüber der Baustelle liegt schwanenweiß das elegante "See-Hotel Großräschen" mit Freitreppe und Park. Am Anfang hätten alle den Investor ausgelacht, erzählt der ambitionierte junge Küchenchef Tobias Vogel.
"Wir sind das einzige Seehotel ohne See. 2007 ist das Hotel eröffnet worden und da hat man natürlich in den Tümpel hineingeguckt. Ganz weit weg hat es ein bisschen geschimmert, da hat man das Wasser ahnen können. Jetzt hat man schon die Konturen, man sieht schon, wo es hingehen wird. Es fehlen noch zirka acht Meter in der Höhe, dass es dann ein richtiger See wird."
Zukunftsvision Seenland
Schon heute kommen Gourmets aus Berlin und Dresden. Vogels Schaumsuppe vom wilden Bärlauch, seine marinierten Jacobsmuscheln an fermentierten Fenchel ziehen die Gäste ebenso an, wie die Neugierde, eine Landschaft entstehen zu sehen.
"Hier beginnt das Seenland, hier öffnet sich dann eine Zukunftsvision größte Seenfläche Europas, die über Kanäle beschiffbar ist, was man nicht erwartet und nicht kennt. Es ist was Neues."
Dieses Pioniergefühl hat auch den heimatverbundenen Lausitzer Koch in die sich wandelnde Region zurück getrieben.
"Man erlebt was mit, man sieht was wachsen, man kann was mitgestalten."
Bis 2017 soll der neue See komplett geflutet in der Sonne funkeln. Und die so genannte Verockerung, vor der sie im nahen Spreewald zittern? Die rot-braune Brühe, die entsteht, wenn in ehemaligen Tagebauen der Grundwasserpegel wieder steigt und der eisensulfidhaltige Abraum sich zersetzt?
Der Schlamm muss mit Kalk neutralisiert oder weg gebaggert und entsorgt werden. Kein großes Problem, meint Tobias Vogel, und führt in einen Pavillon.
"Ich denke mal, da ist auch schon viel Panikmache dabei. Wenn man hier mal rausguckt: Von hier aus hat man nachher den besten Blick auf Stadthafen und See."
In Senftenberg wurde schon Ende der 60er geflutet
In Senftenberg, 15 Kilometer weiter südlich, ist die Zukunft schon Gegenwart: Wellen plätschern ans Ufer des Senftenberger Sees, der auch einmal ein Tagebau war, aber schon Ende der 60er Jahre geflutet wurde. Mit einer Fläche von 1.300 Hektar gehört er zu den größten künstlich angelegten Seen Deutschlands. An Anlegestegen dümpeln Boote, auf einer Bank sitzt der braun gebrannte Rentner Günther Pänz und weist dorthin, wo früher eine 100 Meter tiefe Grube klaffte.
"Ich hab hier gearbeitet. Hier unten drinnen hab ich Lok gefahren, E-Lok hier drin, 1959. Na ja, so alt sind wir schon. Kann man zufrieden sein, hier ringsrum. Ist egal, wo man hinfährt, ob nun Nimsch oder Koschen oder Geierswalde oder so, da ist überall viel und schön gemacht. Wir fühlen uns hier wohl. Ist gut, dass die Wende gekommen ist. Die hätten das nicht so in Griff gekriegt, obwohl die ja mit dem See schon zu DDR-Zeiten angefangen haben, wa? Aber jetzt, was sich hier jetzt getan hat, ist unwahrscheinlich, das ist gut."
Im Sommer schwimmt Günther Pänz jeden Tag im See. Von der Verockerung lässt er sich nicht abschrecken.
"Damals, wo noch das Kraftwerk war und das Kohlen: Da war ja so hoch ne Dreckschicht, wa? Aber jetzt ist ja das Wasser picobello sauber, gibt’s nichts, ist schön, kann man baden. Hätte ich nie gedacht, dass sie das noch so mal in Griff kriegen."
Ein paar Meter weiter genießt eine Gruppe junger Leute den warmen Tag am Wasser. Noch braucht man zwar viel Fantasie, um sich die künftige "Märkische Riviera" vorzustellen. Doch die ersten Sommerfrischler kommen schon.
600.000 Touristen kommen jetzt schon
"Die Besucher sind hier stark angestiegen. Also wenn man mal den Spreewald sieht, da sind die Zahlen gleich geblieben und hier steigt das pro Jahr um mehrere Prozent."
Etwa 600.000 Touristen sind es im Jahr, angepeilt sind doppelt so viele. Das bringt immerhin ein paar von den tausenden Arbeitsplätzen zurück, die weg gebrochen sind, als der Kohleabbau hier endete.
In einem Shop direkt am Stadthafen verleiht Andre Peter den Ausflüglern Boote und Fahrräder. Der junge Unternehmer In Flip-Flops und kurzer Hose erwartet viel von der neuen Lausitzer Landschaft.
"Ich hoffe, dass die nächsten Seen doch rechtzeitig aufmachen, damit wir auch den Wassertourismus hier ein bisschen mehr fördern können und auch noch mehr Gäste hierherziehen können."
Natürlich kommen die nicht, um in rot-brauner Brühe zu baden. Andre Peter winkt ab: Man müsse Geduld haben, meint er. Zur Not noch ein paar Jahrzehnte lang. Bis der Traum von der Riviera im Revier vielleicht Wirklichkeit wird:
"Wir machen das seit über 40 Jahren hier am Senftenberger See, also wir kennen uns ein bisschen aus, was die Wasserqualität angeht. Natürlich sind andere Seen erst im Entstehen. Man darf halt nicht vergessen: Wir haben hier Kohle abgebaut und die Seen sind erst in der Entwicklung. Wir werden in 40 Jahren genau solche schönen Seen haben, wie wir es hier am Senftenberger See ja auch schon sehen."