Dave Zeltserman: "Killer"
Aus dem Amerikanischen von Ango Laina und Angelika Müller
Pulp Master, Berlin 2015
262 Seiten, 14,80 Euro
Schön deprimierend
David Zeltserman belebt ein Subgenre des Roman Noirs wieder: Den Kriminalroman. Er erzählt die Geschichte eines Killers, der seinen Boss verpfeift und dann um sein Leben fürchten muss. Alles steuert auf ein furchtbares Ende hin, bis Zeltserman alles Gewohnte auf den Kopf stellt.
Eine klassische Roman-Noir-Erzählung handelt meistens vom schlimmen Schicksal eines Menschen, dessen Lebensumstände nur tragisches Scheitern zulassen. Die Atmosphäre eines Noirs ist – idealtypisch – düster, klaustrophobisch und hoffnungslos. Frauen ist mit größtem Misstrauen zu begegnen. Es werden die "Schattenseiten" des menschlichen Daseins in einer kalten, feindseligen Welt ausgeleuchtet und die Abgründe der menschlichen Seele erforscht und gleichzeitig ein illusionsfreies Bild der gesellschaftlichen Zustände gezeichnet, die mit diesem Schicksal möglicherweise in Verbindung stehen. Berühmte Beispiele für Roman Noirs sind die Romane von Cornell Woolrich, James M. Cain oder David Goodis. Man kann dem klassischen Noir Kategorien wie Melancholie, Depression, Brutalität, Lakonie des Stils und völlig Abwesenheit von Komik und anderen brechenden literarischen Techniken zuordnen.
Seit einigen Jahren kann man eine kleine Renaissance dieses romantischen, oft trotz oder gerade wegen seiner Schmucklosigkeit pathetischen Subgenres der Kriminalliteratur beobachten. Der amerikanische Autor David Zeltserman und sein Roman "Killer" gehören deutlich in diese Tradition.
Die Geschichte ist, comme il faut, schön deprimierend. Die Hauptfigur ist ein Auftragsmörder der Mafia, der für seinen Boss 28 Menschen umgebracht hat, aber, als er am Ende wegen anderer Dinge, auffliegt, einen günstigen Deal mit der Staatsanwaltschaft hinbekommt. Er verpfeift seinen Boss und kommt dafür schon nach lächerlichen 14 Jahren Haft in einem eher gemütlichen Gefängnis wieder frei.
Ein Killer, der gut und gerne killt
Jetzt ist er ein alter, müder Mann, der für ein paar Dollar als Putzkraft arbeiten und in einem elend schäbigen Apartment hausen muss. Alles ist öd, fad und in fahlen, freudlosen Farben gehalten. Alle Leute hassen ihn, alle verachten ihn, seine eigenen Kinder sind von ihn angewidert und traumatisiert. Als er einen Raubüberfall verhindert, gerät seine Person in die Medien und wir wissen, dass jetzt die Jagd auf ihn eröffnet ist. Und natürlich ist da eine schöne Frau, die sich als Co-Autorin seiner Autobiographie andient, die angesichts der Un- und Heldentaten des Killers sicher eine Menge Geld bringen wird.
Alles wird, da ist man sich bei der Lektüre sicher, ganz furchtbar enden. Aber dann dreht Zeltserman die Standardkonstellation des Noirs um - das Schicksal ist nicht unausweichlich tragisch, es gibt Schlimmeres, als unbeliebt zu sein, Lebensfreude kann man sich auch kaufen. Vor allem, wenn man sich auf die Tugend besinnt, die man wirklich hat: Der Killer kann gut und gerne killen.
Zeltserman macht aus einem typischen Noir-Verlierer, ohne das Ambiente wesentlich zu ändern, etwas ganz anderes: Eine Art Neo-Liberalen der Branche, in der sich der durchsetzt, der sich von Gefühlsduselei nicht in seinem Handeln beeinflussen lässt. Nur eines bleibt übrig vom klassischen Konzept übrig: Dass schönen Frauen nicht zu trauen sei.
Zeltserman hat den Roman Noir damit grausam ironisiert und mit fröhlich-bösartigem Zynismus ausgestattet. Und – anders als bei Tom Ripley, dem charmanten Mörder bei Patricia Highsmith – ist es Zeltserman egal, dass auch kein Leser seine Hauptfigur mögen kann.