"Magische Werke"
Der Maler Balthus galt lange Zeit als Sonderling der Kunstszene. Gegenüber neuen Tendenzen in der Malerei zeigte er sich verschlossen und benutzte altmeisterliche Techniken für seine Werke. Nun zeigt das Museum Ludwig in Köln die erste umfassende Balthus-Retrospektive in Deutschland.
Junge Mädchen an der Schwelle zur Pubertät, bekleidet und später auch nackt, nicht selten in aufreizend-verträumten Posen, voller Erotik und dabei doch wie absichtslos, mit ernsten, weltabgewandten Gesichtern – Balthus hat sich größte Mühe mit den unverbrauchten Körpern gegeben, die er wegen ihrer unschuldigen Ausstrahlung bevorzugte. Im Paris der 30er Jahre, bei seiner ersten Ausstellung, nannte man ihn denn auch gleich einen Erotomanen in freudscher Manier, heute stünde er wohl bei manchem glatt unter Pädophilieverdacht. Unübersehbar speist sich Balthus’ frühe Malerei aus den sexuellen Obsessionen des französischen Surrealismus, kommt allerdings weniger surreal daher, sondern ganz realistisch-körperlich, die Orte, die Interieurs seiner Gemälde, all das gab es wirklich. Dazu zitierte er die Techniken und Bildmotive alter Meister vom Mittelalter bis zur Romantik. Balthus’ Werk in seiner scheinbaren Manieriertheit war vielen immer schon ein Rätsel, und das dürfte auch ein Grund dafür sein, dass nun seine erste Einzelausstellung in Deutschland überhaupt zu sehen ist, obwohl der Maler deutsche Wurzeln hatte. So vermutet Sabine Rewald vom Museum of Modern Art in New York als Gastkuratorin in Köln:
"Als Balthus 1934 seine erste Ausstellung hatte in Paris, da zeigte er, was man denkt, gewöhnliche Bilder, die mit einer großen Erotik fast Sadomasochismus waren. Diese Bilder haben einen Skandal ausgelöst, er hat leider nichts verkauft. Das war 1934. Wenn Sie überlegen, was war 1934 in Deutschland – seine etwas älteren Kollegen wie Otto Dix, Max Beckmann, George Grosz, Schlichter, Schad: deren Werke sind aus allen deutschen Museen entfernt worden als 'entartete Kunst' – also, die 30er Jahre waren keine Zeit für Balthus."
Und auch die Nachkriegszeit war es nicht, wie man hinzufügen muss. Stand figürliche Malerei in den 50er und 60er Jahren schnell unter Generalverdacht, rückwärtsgewandt und geradezu halbfaschistisch zu sein, galt der Bann für Baltus offenbar besonders, weil seine erotisch aufgeladenen Stoffe entweder als unsittlich oder frauenfeindlich interpretiert wurden. Balthus hat sich aber nie um Gesinnungsmoden gekümmert, er passte sozusagen in keine Zeit. Weshalb Kasper König, Direktor des Museum Ludwig betont:
"Wir waren sehr daran interessiert, eine Ausstellung zu machen, die ideologiefrei ist, die also zeigt, welche magischen Werke Balthus geschaffen hat und nicht sozusagen Balthus zu instrumentalisieren als die Figur, der gegen die Avantgarde ist. Und das ist in der letzten Zeit oft geschehen und ist furchtbar langweilig."
Insofern steckt Hintersinn hinter dem Ausstellungsuntertitel "Aufgehobene Zeit". Man möchte das Werk des Franzosen mit schlesischer Mutter um seiner selbst Willen zeigen, in zeitloser Pracht, befreit von modischen Sichtweisen, und das betrifft nicht nur die Kritiker, sondern auch das andere Extrem, den Kultstatus, den seine Verehrer Balthus seit Jahrzehnten zubilligten und sein Schweizer Chalet bis zu seinem Tod 2001 zu einem Pilgerort für Selbstdarsteller machten und sich in seiner schillernden Ungreifbarkeit gerne selbst bespiegelten. David Bowie war auch schon da. Zeitweilig erschien Balthus wie ein französischer Andy Warhol, eine Sicht, die er durch verschiedene Rollenspiele durchaus selbst beflügelte. Er lebte in alten Herrenhäusern, ließ sich von reichen Mäzenen aushalten, und allem Spott zum Trotz hielt er immer an der Behauptung fest, er sei adliger Abstammung, sei mit Rilke und Lord Byron verwandt, wovon natürlich nichts stimmte, und gab sich den noblen Namenszusatz "de Rola".
Die hier ausgestellten Gemälde und Zeichnungen zeigen seine Figuren gerade aus der wichtigen Pariser Phase der 30er Jahre bei aller zeitweiligen Anzüglichkeit immer auch puppen- und maskenhaft, entrückt, undurchdringlich, wie er sich selbst als Ästhetizist gern gab. Sein Sohn, Stanislas Klossowski de Rola erlebte ihn aber auch von seiner besessenen Seite.
"Über diese Phase in seinem Werk hat mir mein Vater einmal erzählt, dass er in den 30er Jahren zu einer Technik gefunden hat, die ihre Schatten weit voraus warf. Seine Malerei sah er mehr als eine Art zu zeichnen. Und als er in den 60er Jahren auf sein Werk zurückblickte, meinte er, es seien in den 30er Jahren zwar nur 16 Gemälde entstanden, in diesem aber habe er erkannt, was es wirklich heißt, zu malen. Die Sprache der Malerei musste neu erfunden werden, denn niemand wusste, wie es weitergehen sollte. Es war ein Handwerk, das erst wiederentdeckt werden musste."
Balthus galt, wie auch sein älterer Bruder, der Schriftsteller und Philosoph Pierre Klossowski, schon als Jugendlicher als hochbegabt. Mit 13 fertige er Illustrationen zu Rilkeversen an, großartige Miniaturen, die wenig später als "Mitsou" veröffentlicht und geradezu legendär wurden. Sein Ehrgeiz als Künstler, die großen Alten Meister wie Poussin, Courbet und Cézanne zu übertreffen, erreichte selbstquälerische Dimensionen, vor allem in der späteren Phase, in der Balthus Paris den Rücken gekehrt und in ein altes Herrenhaus im südfranzösischen Chassy übergesiedelt war. Hier lebte er von der Unterstützung von Mäzenen, denen er dafür Bilder versprach. Eine heikle Ausgangslage, wie sein Sohn Stanislas zu berichten weiß:
"Während der gesamten Zeit, die er in Chassy gearbeitet hat und die wunderbar war, weil er viele neue Motive entdeckt hat, Landschaften, die er zuvor kaum gemalt hatte, gab es lauter Bilder unvollendete Bilder. Das Syndikat von Gönnern, die ihm sein Leben ermöglichten, wollte immer neue Bilder für ihr Geld, und oft nahmen sie die Bilder schon mit, die nicht fertig gemalt waren. Mit zunehmendem Alter verschärfte sich das Problem für Balthus. Er sagte immer: Nicht die Kunden fehlten ihm, sondern Bilder. Er hatte solche Schwierigkeiten, etwas abzuschließen, dass er dauernd unzufrieden war, und im Alter brauchte er mitunter Jahre, um ein Bild fertig zu malen. Insofern müssen wir diesen Leuten und dem Druck, den sie ausübten, dankbar sein, andernfalls wäre nicht einmal eine Handvoll von Gemälde entstanden."
Service: Die Ausstellung "Balthus – Aufgehobene Zeit. Gemälde und Zeichnungen 1932 bis 1960" ist vom 18. August bis zum 4. November 2007 im Museum Ludwig in Köln zu sehen.
"Als Balthus 1934 seine erste Ausstellung hatte in Paris, da zeigte er, was man denkt, gewöhnliche Bilder, die mit einer großen Erotik fast Sadomasochismus waren. Diese Bilder haben einen Skandal ausgelöst, er hat leider nichts verkauft. Das war 1934. Wenn Sie überlegen, was war 1934 in Deutschland – seine etwas älteren Kollegen wie Otto Dix, Max Beckmann, George Grosz, Schlichter, Schad: deren Werke sind aus allen deutschen Museen entfernt worden als 'entartete Kunst' – also, die 30er Jahre waren keine Zeit für Balthus."
Und auch die Nachkriegszeit war es nicht, wie man hinzufügen muss. Stand figürliche Malerei in den 50er und 60er Jahren schnell unter Generalverdacht, rückwärtsgewandt und geradezu halbfaschistisch zu sein, galt der Bann für Baltus offenbar besonders, weil seine erotisch aufgeladenen Stoffe entweder als unsittlich oder frauenfeindlich interpretiert wurden. Balthus hat sich aber nie um Gesinnungsmoden gekümmert, er passte sozusagen in keine Zeit. Weshalb Kasper König, Direktor des Museum Ludwig betont:
"Wir waren sehr daran interessiert, eine Ausstellung zu machen, die ideologiefrei ist, die also zeigt, welche magischen Werke Balthus geschaffen hat und nicht sozusagen Balthus zu instrumentalisieren als die Figur, der gegen die Avantgarde ist. Und das ist in der letzten Zeit oft geschehen und ist furchtbar langweilig."
Insofern steckt Hintersinn hinter dem Ausstellungsuntertitel "Aufgehobene Zeit". Man möchte das Werk des Franzosen mit schlesischer Mutter um seiner selbst Willen zeigen, in zeitloser Pracht, befreit von modischen Sichtweisen, und das betrifft nicht nur die Kritiker, sondern auch das andere Extrem, den Kultstatus, den seine Verehrer Balthus seit Jahrzehnten zubilligten und sein Schweizer Chalet bis zu seinem Tod 2001 zu einem Pilgerort für Selbstdarsteller machten und sich in seiner schillernden Ungreifbarkeit gerne selbst bespiegelten. David Bowie war auch schon da. Zeitweilig erschien Balthus wie ein französischer Andy Warhol, eine Sicht, die er durch verschiedene Rollenspiele durchaus selbst beflügelte. Er lebte in alten Herrenhäusern, ließ sich von reichen Mäzenen aushalten, und allem Spott zum Trotz hielt er immer an der Behauptung fest, er sei adliger Abstammung, sei mit Rilke und Lord Byron verwandt, wovon natürlich nichts stimmte, und gab sich den noblen Namenszusatz "de Rola".
Die hier ausgestellten Gemälde und Zeichnungen zeigen seine Figuren gerade aus der wichtigen Pariser Phase der 30er Jahre bei aller zeitweiligen Anzüglichkeit immer auch puppen- und maskenhaft, entrückt, undurchdringlich, wie er sich selbst als Ästhetizist gern gab. Sein Sohn, Stanislas Klossowski de Rola erlebte ihn aber auch von seiner besessenen Seite.
"Über diese Phase in seinem Werk hat mir mein Vater einmal erzählt, dass er in den 30er Jahren zu einer Technik gefunden hat, die ihre Schatten weit voraus warf. Seine Malerei sah er mehr als eine Art zu zeichnen. Und als er in den 60er Jahren auf sein Werk zurückblickte, meinte er, es seien in den 30er Jahren zwar nur 16 Gemälde entstanden, in diesem aber habe er erkannt, was es wirklich heißt, zu malen. Die Sprache der Malerei musste neu erfunden werden, denn niemand wusste, wie es weitergehen sollte. Es war ein Handwerk, das erst wiederentdeckt werden musste."
Balthus galt, wie auch sein älterer Bruder, der Schriftsteller und Philosoph Pierre Klossowski, schon als Jugendlicher als hochbegabt. Mit 13 fertige er Illustrationen zu Rilkeversen an, großartige Miniaturen, die wenig später als "Mitsou" veröffentlicht und geradezu legendär wurden. Sein Ehrgeiz als Künstler, die großen Alten Meister wie Poussin, Courbet und Cézanne zu übertreffen, erreichte selbstquälerische Dimensionen, vor allem in der späteren Phase, in der Balthus Paris den Rücken gekehrt und in ein altes Herrenhaus im südfranzösischen Chassy übergesiedelt war. Hier lebte er von der Unterstützung von Mäzenen, denen er dafür Bilder versprach. Eine heikle Ausgangslage, wie sein Sohn Stanislas zu berichten weiß:
"Während der gesamten Zeit, die er in Chassy gearbeitet hat und die wunderbar war, weil er viele neue Motive entdeckt hat, Landschaften, die er zuvor kaum gemalt hatte, gab es lauter Bilder unvollendete Bilder. Das Syndikat von Gönnern, die ihm sein Leben ermöglichten, wollte immer neue Bilder für ihr Geld, und oft nahmen sie die Bilder schon mit, die nicht fertig gemalt waren. Mit zunehmendem Alter verschärfte sich das Problem für Balthus. Er sagte immer: Nicht die Kunden fehlten ihm, sondern Bilder. Er hatte solche Schwierigkeiten, etwas abzuschließen, dass er dauernd unzufrieden war, und im Alter brauchte er mitunter Jahre, um ein Bild fertig zu malen. Insofern müssen wir diesen Leuten und dem Druck, den sie ausübten, dankbar sein, andernfalls wäre nicht einmal eine Handvoll von Gemälde entstanden."
Service: Die Ausstellung "Balthus – Aufgehobene Zeit. Gemälde und Zeichnungen 1932 bis 1960" ist vom 18. August bis zum 4. November 2007 im Museum Ludwig in Köln zu sehen.