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Fantasie vor dem Aus

Mark Wahlberg als John und Amanda Seyfried als Samantha Jackson in einer Szene der Kino-Komödie "Ted 2" (undatierte Aufnahme).
Romantische Komödie, rosarot angepinselt: Mark Wahlberg als John und Amanda Seyfried als Samantha Jackson in einer Szene von "Ted 2" © picture alliance / dpa / Universal Pictures
Von Hartwig Tegeler · 11.07.2015
Die heutigen Blockbuster sind in Genre-Standards und gern auch in Fortsetzungen erzählt - und damit akkurat auf den Markt zugeschnitten. Ein Angriff auf traditionelle Erzählwelten, und schlimmer noch: Es droht das Ende der Kreativität.
Ausschnitt "Der Dritte Mann": (Musik) "Projektor - Weiter!"
(Heftiges Klopfen an der Tür.) "Mach die Tür auf. – Hat deine Freundin dich aus dem Schneideraum rausgeschmissen? – Nein, mein Co-Finanzier! – Echt? Meine Jungs brechen die Tür für dich auf."
Platz 5: "Susan Cooper Undercover" von Paul Feig
Franchise mit Melissa McCarthy, die als toughe Übergewichtige die Kasse zum Klingeln bringt. 2011 schrieb der Film- und Filmgeschäft-Analytiker Georg Seeslen in der "Zeit" einen Text, der in gleicher Weise 2015 das Kinogeschäft beschreibt. Zitat, das ganz schön lang sein wird:
"Das Blockbuster-Sequel ist als Kern einer multimedialen Mehrfachverwertung dazu bestimmt, nicht nur eine Gefolgschaft (als Nachfolge eines Publikums) zu bilden, sondern auch alle kulturellen, sozialen und sprachlichen Grenzen zu überspringen, um kreuz und quer auf mehreren Märkten zu reüssieren. Daher gibt es natürlich Dinge, die es enthalten muss: etwa die Wiedererkennung, die Innovation, den größeren Spannungsbogen, die Selbstreflexion, das Errichten einer eigenen Bilder-Welt."
Platz 4: "Insidious. Chapter 3 – Jede Geschichte hat einen Anfang" von Leig Whannell
Zweite Fortsetzung. Weiter mit Georg Seeslen:
"Und so gibt es in den Multiplexen unserer Zeit offensichtlich nur noch fünf Arten von Filmen: Das Special-Effects-Bombardement mit Piraten, Zauberern, Vampiren, Superhelden und Robotern, den Animationsfilm für die ganze Familie, die 'transgressive' Komödie, in der man über alles lachen soll, was irgendwie mit Körpern, Ausscheidungen und sozialen Peinlichkeiten zu tun hat, die romantische Komödie, in der alle Probleme der sexuellen Ökonomie rosarot angepinselt werden. Und, im Saal fünf oder sechs, der Folter- und Metzelfilm für die drastischeren Geschmäcker. Aber nicht genug mit solcher Standardisierung, bei der jeder ordentlich erzählte und Menschen-affine Film schon eine kleine Sensation ist: Die Mehrzahl all dieser Filme sind Fortsetzungen, die sich schon einmal auf den globalen Bildermärkten bewährt haben, denn dieses Kino wird für einen Markt gemacht und nicht für Menschen; und ob es überhaupt noch von Menschen gemacht wird oder doch schon von digitalen Maschinen, die direkt an Marktanalysen und Zuschauer-Ratings gekoppelt sind – fraglich. So kann man das sehen. Unter unserem Lieblingsmotto: 'Früher war alles besser.'"
Platz 3: "TED 2" von Seth MacFarlane
Fortsetzung. Seeslen-Zitat. Weiter:
"Man kann es aber auch, wie so vieles, ganz anders sehen. Zweifellos haben in den globalen Traumfabriken in den letzten Jahren Veränderungen stattgefunden, die nicht allein mit den Folgen von Digitalisierung, 3-D-Hype, Kostenexplosionen und neuen Konkurrenzen durch DVD, Internet oder Computerspiel zu erklären sind. Natürlich hat jede wirtschaftliche Entwicklung ihre direkten und indirekten Auswirkungen auf die Bilder und Erzählungen des Kinos. Auch der Film reflektiert seine Globalisierung: Selbst ein erfolgreicher amerikanischer Film kann seine Produktionskosten auf dem heimischen Markt allein nicht mehr einspielen; für Hollywood, zum Beispiel, ist der Weltmarkt längst kein Zusatzgeschäft mehr, sondern die Existenzgrundlage."
Platz 2: "Jurassic World" von Colin Trevorrow
Vierter Teil des Dino-Franchise. Seesslen-Zitat weiter:
"Bilder, Erzählungen, Mythen und Marken sind keine unbegrenzte Ressource. Im Gegenteil: Es droht eine semiotische Katastrophe globalen Ausmaßes, viel mehr als nur der Zusammenbruch realistischer, traditioneller und geschlossener Erzählwelten in einem universalen Bilderbrei. Möglicherweise geht der Menschheit noch vor anderen Rohstoffen, Energie, Wasser, Böden, eine andere entscheidende Ressource aus: die Fantasie.
Gesetzt also den Fall, dass der Vorrat an Bildern, Zeichen, Erzählungen, Ideen und 'Sprachen' keineswegs unbegrenzt, sondern im Gegenteil beklagenswert gering ist, und gesetzt weiter den Fall, dass die Globalisierung des Bildermarktes auch eine bemerkenswerte Form der Verdrängung oder gar Vernichtung semiotischen Materials bedeutet, dann gibt es für einen nachhaltigen Umgang mit Bildern nur wenige Optionen. Einer davon, natürlich, ist der Weg jener Kunst, die uns an die Kostbarkeit der Bilder erinnert und nach den Macht-Bedingungen ihrer Produktion fragt. Ein anderer jener, den wir aus dem Umgang mit anderen Rohstoffen kennen: das Recycling."
Schrieb Georg Seeslen in der Zeit im Jahre 2011.
Platz 1: "Minions" von Pierre Coffin und Kyle Balda
Spin-Off von Figuren aus den "Ich - Einfach unverbesserlich" Teil 1 und 2-Animationsfilmen. Richard Jefferies, Drehbuchautor, sagt in einem Interview: Kreativität verschwindet ja nicht. Sie sucht sich nur neue Wirkungsstätten. Auch dieser Satz ist älter, auch dieser Satz gilt noch.
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