Mainz, Speyer und Worms

Hoffen auf die Anerkennung als UNESCO-Welterbe

Die Neue Synagoge Mainz ist seit dem 3. September 2010 der Nachfolgebau früherer Synagogen in Mainz.
Das Jüdische Gemeindezentrum des Architekten Manuel Herz, der sich in seiner Recherche wie kein anderer mit Wesen und Geschichte der europäischen Juden beschäftigt hat, ist das vielleicht weltweit interessanteste Synagogenprojekt. © imago / Sepp Spiegl
Von Katrin Kühne |
Die rheinischen Kathedral-Städte Mainz, Worms und Speyer sind berühmt für ihre romanischen Dome. In deren Schatten und Schutz entwickelten sich die drei vermutlich ältesten jüdischen Gemeinden Deutschlands. Die Städte streben an, Weltkulturerbe zu werden.
"SchUM, das sind die Anfangsbuchstaben der drei jüdischen Namen für Speyer, Worms, Mainz. Also ‚Sch‘ für Speyer, ‚W‘, englisch ‚doubleyou‘ für ‚U‘ und ‚M‘ für Magenza, Mainz."
Volker Gallé ist Kulturkoordinator von Worms, das alte Warmaisa, also das W bzw. U in dem Wort SchUM. Er war von Anfang an mit dabei, die drei Städte Mainz/Magenza, Speyer/Schpira und Worms/Warmaisa auf den langen Weg zur Anerkennung als Weltkulturerbe der UNESCO zu bringen.
Bereits 2012 hatten sich die drei SchUM-Städte am Rhein, die zwei Jüdischen Gemeinden von Speyer und Mainz-Worms, sowie das Land Rheinland-Pfalz zusammengetan, um gemeinsam einen Antrag für die Welterbe-Kommission zu erarbeiten. Letztes Jahr konnten sie eine erste Hürde nehmen. Sie sind auf die bundesdeutsche Vorschlagsliste gekommen.
Bereits um die erste Jahrtausendwende entwickeln sich die drei Jüdischen Gemeinden im Schatten und Schutz der damals drei im Bau befindlichen romanischen Dome und ihrer mächtigen Bischöfe.
Sie bilden das erste Mal in der Geschichte des aschkenasischen Judentums einen gesellschaftlichen wie kulturellen Verbund, mit Namen SchUM, als -
"Worms mit Speyer und Mainz die bedeutendsten jüdischen Gemeinden nördlich der Alpen hatte. Das ist der muttersprachlich deutsch sprechende Raum. Juden haben hier über Generationen gelebt, sodaß sie hier eine Muttersprache entwickelt haben."
Die sie später überall in die Diaspora, z.B. nach dem heutigen Polen mitnehmen, so Stella Schindler-Siegreich. Sie ist die Vorsitzende der nach dem Zweiten Weltkrieg neu gegründeten Jüdischen Doppelgemeinde Mainz-Worms.
Jüdische Gemeinden nach dem 14. Jahrhundert fast völlig erloschen
Nach Pogromen im 11.und 14. Jahrhundert erlöschen die Jüdischen Gemeinden von Speyer und Mainz knapp 200 Jahre später vollständig. Sie können erst in der Napoleonischen Besatzungszeit durch die neue Gesetzgebung - Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit – zu einer neuen Blüte gelangen - bis zum "Dritten Reich", wie auch Worms.
Die Stadt der Nibelungensage aber kann als einzige auf eine ununterbrochene mosaische Gemeindetradition bis zur Zerstörung durch die Nazis zurückblicken. Unweit der Domkirche besitzt sie den ältesten Jüdischen Friedhof Europas mit weit über 2000 Grabsteinen, der älteste aus dem Jahre 1076. Der sogenannte Heilige Sand hat sämtliche "Zeitläuffte", auch die Nazi-Planungen, dort Parteigebäude zu errichten, überlebt.
"Die Bedeutung der Jüdischen Gemeinden im Mittelalter hängt von der Gelehrsamkeit ab. Und auch Juden, die heute aus der ganzen Welt diese SchUM-Gemeinden besuchen, kommen, weil hier bedeutende Gelehrte beerdigt sind und weil sie auch mit Worms bestimmte Gelehrte verbinden."
Der populärste Gelehrte von Worms ist hier zwar nicht begraben, aber sein Name ist noch immer allgegenwärtig in der Judengasse entlang der Stadtmauer, dem alten Jüdischen Viertel.
"Wir befinden uns hier im Raschi-Haus. Dieses Haus ist benannt nach dem jüdischen Gelehrten Raschi, der in der Zeit um 1060 herum in Worms an der Talmudschule studiert hat."
Irene Spille ist Leiterin des für die Jüdische Gemeinde immanent wichtigen Stadtarchivs im Raschi-Haus und des dort untergebrachten Jüdischen Museums.
Einige wenige Stücke haben den Brand der Wormser Synagoge 1938 überlebt und sind im Museum ausgestellt.
"Dieses Thora-Schild ist eine Silberarbeit, ganz filigran durchbrochen und in der Mitte ist ein Einsteckschildchen, das kann man auswechseln mit den Namen der entsprechenden Feiertage."
Die ausgebrannte Synagoge, mit dem Jahr 1034 in der Stifterinschrift, wurde mit Originalgestein rekonstruiert und 1961 neu geweiht.
"Das Besondere in Worms ist, von den ersten Anfängen vor knapp tausend Jahren bis heute hat die Synagoge niemals ihren Standort gewechselt."
Spektakuläre Synagogen-Neubauten
Im Gegensatz zu Mainz und Speyer, die heute mit spektakulären Synagogen-Neubauten an neuem Ort glänzen.
"Worms ist die erste Synagoge, die auch eine Frauensynagoge hatte. Und diese Frauensynagoge wurde in der Zeit um 1212,1213 angebaut."
Nicht weit davon das Rituelle Bad:
"Und auch heute wird diese Mikwe durchaus wieder genutzt, weil eben Worms so ein bedeutender Ort ist und deswegen ist es für viele selbstverständlich, dass man dann in der Synagoge betet und auch hier in dieses Ritualbad steigt."
Die älteste, bereits um 1120 errichtete Mikwe der SchUM-Städte, nach deren Vorbild die Wormser rund 60 Jahre später errichtet worden war, ist die von Speyer. Sie liegt im Judenhof-Komplex an der Kleinen Pfaffengasse. Die Stadt besitzt mit dem ehemaligen Zentrum der frühmittelalterlichen Gemeinde nicht weit vom Dom eine bedeutende historische Ausgrabungsstätte. Seit der zweiten Jahrtausendwende werden auf dem Gelände von der Stadt Grundstücke und Gebäudereste zurückgekauft und archäologisch aufbereitet.
"Die jüdische Gemeinde ist im 16.Jahrhundert untergegangen, aber wir wissen, dass diese Gebäude dann verpachtet worden sind an Christen, an Speyerer Einwohner, auch der jüdische Friedhof ist zu Beginn des 16. Jahrhunderts anderen Zwecken zugeführt worden."
Stadtarchivar Joachim Kemper betreut das gesamte Kulturelle Erbe Speyers einschließlich des Judenhofes. Gleich an dessen Eingang liegt das Museum SchPIRA. Davor breiten sich die eigentlichen, wiederhergestellten Grabungsfunde aus - :
"Die mit zu den bedeutendsten Jüdischen Stätten nördlich der Alpen gehören, also von den Überresten her. Vor allem das Judenbad und auch die Reste der Männersynagoge und des Frauenbethauses. Hier waren noch andere Gebäude untergebracht, die man nur noch archäologisch nachweisen kann an Hand schriftlicher Quellen. Ein Warmbad, also für hygienische Zwecke, natürlich eine Bäckerei, Metzgerei etc.."
Speyer mit seinem Judenhof, Worms mit seinem romanisch-gotischen Komplex aus Raschi-Haus, Synagoge und Mikwe, sowie Mainz mit seinem Denkmalfriedhof zählen zu den frühesten Zeugen jüdisch-aschkenasischer Kultur in Mitteleuropa.
Die drei rheinischen SchUM-Städte mit ihrem einzigartigen materiellen wie immateriellen Jüdischen Erbe wären es wert, in die UNESCO-Liste des Welterbes der Menschheit aufgenommen zu werden.
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