Kulturaustausch mit Hindernissen
Die Aufregung war groß: Letztes Jahr durften fünf afghanische Schauspieler nicht einreisen, obwohl sie bereits einen Arbeitsvertrag mit dem Kunstfest Weimar hatten. Jetzt sind die Afghanen in Weimar und proben mit ihren deutschen und französischen Kollegen das Stück "Malalai". Am 25. August ist Premiere.
Im Probensaal unterm Dach des Deutschen Nationaltheaters Weimar. Körper, Bewegung, Rhythmus stehen beim Projekt "Malalai" im Mittelpunkt. Die Premiere wird zum Kunstfest Weimar im Sommer sein. Malalai ist eine junge afghanische Frau, die ähnlich wie Jeanne d´Arc in Frankreich die Männer in den siegreichen Kampf geführt haben soll.
Für Regisseur Robert Schuster eine Gelegenheit, die nationalen Mythen zusammenzubringen.
"Auch in dem Dreieck zwischen Jeanne d´Arc, die ja mittlerweile in Frankreich stark vom Front National als große Ikone der antieuropäischen Bewegung genommen wird, hier Weimar mit Schiller und der Jungfrau von Orleans, also es ergab sich ein sehr sinnvolles Areal, um über die Fragen von Glauben, Geschlechtergleichstellung, nationalen Identitäten in einen lustvolles Gespräch miteinander zu kommen."
Vor einem Jahr die Einreise verweigert
Schon im letzten Jahr wollten die 13 Schauspieler der von Schuster gegründeten Kula-Compagnie aus Frankreich, Deutschland und Afghanistan in Weimar gemeinsam auf der Bühne stehen. Aber das Auswärtige Amt machte ihnen einen Strich durch die Rechnung und verweigerte den Afghanen die Einreise. Begründung: Das Risiko, dass die Künstler nicht in ihre Heimat zurückkehrten, sei zu hoch. Das Kunstfest Weimar protestierte, verhandelte, aber ohne Erfolg.
Homan Wesa, Schauspieler aus Afghanistan, erinnert sich an den Abend der Weimarer Premiere:
"Wenn du Schauspieler bist, willst du rausgehen und spielen. Stattdessen haben sie am Abend in Kabul zusammengesessen und mit den deutschen und französischen Kollegen, die gerade von der Bühne kamen, telefoniert. Sicher habe er sich über deren Erfolg gefreut, aber hat es ihn auch sehr geschmerzt, dass er eigentlich mit auf der Bühne im Applaus stehen sollte."
Nach einem Jahr weiterer Anstrengungen konnten die afghanischen Schauspieler nun rechtzeitig einreisen, um genug Zeit zum Proben und Spielen zu haben. Ihre Visa aber haben ihren Preis. Es mussten Menschen gefunden werden, die sich dafür verbürgen, alle Kosten für die Gäste aus Afghanistan zu übernehmen, sollten die nach Ablauf ihres Engagements nicht in ihre Heimat zurückkehren. Kunstfest-Chef Christian Holtzhauer wollte das eigentlich nicht:
"Unser Ziel war, das institutionell abzusichern, beziehungsweise eigentlich bin ich nach wie vor der Auffassung, dass ein Kulturaustausch möglich sein müsste, ohne dass es solcher Absicherungen bedarf."
Garantieerklärungen für die afghanische Theatertruppe
Der Regisseur der Weimarer Produktion, Robert Schuster, ist einer von denen, die eine Garantieerklärung abgegeben haben – obwohl er es kulturpolitisch für falsch hält:
"Da standen wir jetzt vor der Frage, zu sagen: Beharrt man jetzt auf diesem – aus meiner Sicht richtigen – politischen Standpunkt oder ermöglicht man mit diesem Kompromiss diese Produktion. Und so ist es jetzt, dass wir mit dem Verfahren Bürgen gesucht haben und für deren Schutz privatisiert bürgen."
Für die afghanische Theatertruppe ist es in der Tat schwierig, in ihrer Heimat überhaupt noch aufzutreten. Zwei Mal haben sie von Anschlagplänen auf ihre Vorstellungen erfahren, berichten sie, einmal habe sich bei einer Premiere ein Selbstmordattentäter in die Luft gesprengt. Es gab Tote und Verletzte. Der Vorfall machte weltweit Schlagzeilen. Christian Holtzhauer:
"Wir leben in einer Zeit, in der viel ins Rutschen gerät in der Welt, in der mehrere Millionen Menschen auf der ganzen Welt eine neue Heimat suchen und neues Glück suchen. Und gerade die wohlhabenden Länder in Europa und Nordamerika haben noch nicht richtig eine Antwort gefunden, wie sie mit diesem Phänomen umgehen sollen. Zugleich stellen wir fest: Deutschland ist seit vielen Jahren ein Einwanderungsland. Es sind völlig neue, zum Teil hybride Kultur- und Lebensformen, auch Kunstformen entstanden. Und da kann man nicht als Theater daneben stehen und zugucken, sondern da muss man selber herausfinden, wenn Angehörige verschiedener Kulturen einander begegnen – was können die einander zu sagen haben?"
Homan Wesa ist völlig begeistert von den Proben. Jeden Tag machten sie neue Erfahrungen, tauchten sich aus: Es sei, als kennten sie sich schon tausend Jahre!