Malerei

Der Weg ins Licht

Ein Besucher steht vor einem Werk von Odilon Redon.
Ausstellung mit Werken von Odilon Redon im Schweizerischen Riehen. © dpa / picture alliance / Patrick Straub
Von Johannes Halder · 02.02.2014
Die Schau des französischen Symbolisten Odilon Redon feiert den Maler als Entdecker der Farbe und verweist auf die avantgardistische Dimension seiner Kunst. Die Fondation Beyeler in Riehen bei Basel zeigt fast 100 Gemälde, Pastelle, Zeichnungen und Lithografien.
Es sind düstere Schattenwelten, in die uns Odilon Redon in seinem Frühwerk entführt. Da wimmelt es von lächelnden Spinnen und kugelköpfigen Monstern, von schwebenden Augäpfeln und abgetrennten Köpfen; traurige Geschöpfe dämmern in öden Räumen – ein ziemlich gruseliges Werk, voll von alptraumhaften Ausgeburten.
Redon, so merkte ein Kritiker 1882 an, habe das Verdienst, "eine neue Art von Schauder" erfunden zu haben, ähnlich wie der Literat Baudelaire in seinen Schriften. Er bezog sich auf die sogenannten "Noirs", die schwarzen Kohlezeichnungen und Lithografien, die gleich zu Beginn der Schau vor dunkelvioletten Wänden hängen.
"Eine neue Art von Schauder"
Odilon Redon, 1840 geboren, im selben Jahr wie Claude Monet, war ein Epileptiker, ein Sonderling und melancholischer Einzelgänger, der – anders als seine Geschwister – von der wohlhabenden Familie in die Obhut eines Onkels abgeschoben wurde, auf ein verwildertes Weingut im Médoc.
"Die Ereignisse, die mich geprägt haben", sagte er, "spielten sich vor langer Zeit in meinem Kopf ab". Und während Impressionisten wie Monet ihr Auge auf das Licht und die sichtbare äußere Erscheinung der Dinge lenken, richtet Redon, der Schwarzmaler, den Blick nach innen, sagt Kurator Raphaël Bouvier:
"Das ist auch etwas, was ihn auszeichnet, dass er sich sehr stark auch für das Unsichtbare in der Natur interessiert. Das ist einer der ersten Maler oder Künstler, der dann auch mikroskopische Bilder, auch wissenschaftliche Bilder als Quellen für seine Bilder herbeigezogen hat. Und dann zugleich versucht er immer die oberflächliche Wiedergabe der Natur zu überwinden und lässt dann eben auch fantastische, visionäre Figuren in seine Welten einfließen."
Interesse für das Unsichtbare in der Natur
So einer also, der nach eigener Aussage "die Marter der Fantasie ausgehalten" habe, musste fast zwangsläufig solch düstere Visionen ausbrüten, gespeist aus der Lektüre von Edgar Alan Poe, Flaubert und Baudelaire – im Grunde eine Art weitergeträumte Literatur.
Er sei "der Mallarmé der Malerei" hatte ein Künstlerkollege über Redon gesagt, und in dem Vergleich mit dem gefeierten Dichter des Symbolismus ist auch die lyrische Dimension dieses Werks beschrieben, dessen alptraumhafte Erscheinungen und abgründig verspukte Botschaften nicht ohne Folgen auf spätere Künstlergenerationen blieben.
"Die Surrealisten haben sich natürlich auch für seine Traumwelten interessiert. Das ist auch ein Künstler gewesen, der sich sehr stark auch für das Unbewusste, eben auch das nicht Sichtbare interessiert hat. Man kann ihn als Vorbereiter des Surrealismus bezeichnen."
Und doch macht Redon, als "Literatenmaler" verschrien, gegen Ende des Jahrhunderts eine regelrechte Kehrtwende. Redon passt sich an und entdeckt die Farbe. Noch immer malt er geflügelte Pferde und gefallene Engel, symbolbeladene Boote und esoterisch angehauchte Erscheinungen, doch sie oszillieren in exzentrischen Farbkonstellationen: in Gold, Orange und Violett, in Türkisblau und leuchtendem Flaschengrün – schillernd, exotisch, opalisierend.
Mädchenprofile tauchen in Blütenmeere, Schmetterlinge flattern träge über die Leinwände, die wie mit Brokat besetzt erscheinen, krustig, pastos, phosphoreszierend wie Perlmutt. Ein farbiges Delirium.
Überraschende stilistische Kehrtwende
"Vielleicht ist das auch etwas, was in der Luft lag, eine Art Zeitphänomen, dass die Künstler wirklich da ein neues Interesse auf die Farbe gelegt haben, aber sicher vielleicht auch realisieren, dass man vielleicht mit bunten Bildern auch sich besser auf dem Markt platzieren kann."
Nach 1900 hat Redon fast nur noch Blumen gemalt, prächtige Öle und Pastelle, überaus erfolgreich. Matisse hat ihn gesammelt, die Fauvisten haben ihn gefeiert. Und seine großformatigen Wanddekorationen, auf denen sich florales Ranken- und Blütenwerk in farbige Flecken auflöst, sind fast am Rand der Abstraktion.
Es sind traumhaft heitere und schöne Bilder, buchstäblich aufgeblüht vor Glück, und die Ausstellung inszeniert das Werk aus der Dunkelkammer des Frühwerks heraus als Weg ins Licht. Allerdings – Redon als Vorläufer der Abstraktion zu propagieren, wie es die Schau nahelegt, ist doch etwas zu weit gegriffen. Sein Werk, aus Ängsten geboren, schwankt lange zwischen Bohème und Bürgerlichkeit und findet in der Farbe schließlich seine Freiheit und Erlösung.