Malerei, Mode, Muster
Malerei, Stoffdesign, Typografie, Zeichnung und Mode - die 1885 geborene Künstlerin Sonia Delaunay versuchte mit ihrem Konzept von Farben und Formen nicht nur Kunstwerke sondern auch Gebrauchsgegenstände zu schaffen. Mit der Ausstellung "Sonia Delaunays Welt der Kunst" widmet die Kunsthalle Bielefeld der Allround-Künstlerin eine umfangreiche Retrospektive. Eine Schlüsselfigur der klassischen Moderne wird nun in Bielefeld wieder entdeckt.
Sonia und Robert Delaunay gingen gern ins Tanzlokal Bullier auf dem Montparnasse und beobachteten die Zeitgenossen bei Tango und Foxtrott - aber auf den in Bielefeld präsentierten großen Ölbildern Sonia Delaunays sind diese Tänzer aufgelöst und in ein Meer farbiger Flächen verwandelt. Allein die Dynamik der Komposition erzählt vom turbulenten Geschehen. Damals, um 1913, hatte die Künstlerin den Übergang zur Ungegenständlichkeit gewagt.
Während des Ersten Weltkriegs, als sie mit Robert an der portugiesischen Küste lebte, stellten sich auf ihren Bildern wieder deutlich erkennbare Figuren ein - Marktfrauen und Flamenco-Musiker -, sie werden aber konterkariert von abstrakten Elementen: von jenen Kreissegmenten, Scheiben, Halbkreisen und anderen geometrischen Formen, die im brillanten Spätwerk der Künstlerin die Oberhand gewinnen sollten.
Begonnen aber hatte es mit akkuraten Porträts, 1903 an der Kunstakademie in Karlsruhe. Und auch als Sonia Delaunay nach Paris, in die Hauptstadt der Moderne zog, blieb sie zunächst noch figürlich in ihrem Stil und arbeitete sich in heftigen Farben an großen Vorbildern ab. Thomas Kellein, Direktor der Bielefelder Kunsthalle:
"Bei Sonia Delaunay sieht man einen wunderbaren Ausgangspunkt, das ist die klare Bezugnahme auf Gauguin in der Porträtmalerei. Sie hat eine bestimmte Art, einen Kopf zu setzen und ihn mit Farbflächen zu ummanteln. Und dann geht sie mit Robert gemeinsam diesen Weg, der sich lange Zeit zwischen Abstraktion und Gegenständlichkeit, Farbe und Form bewegt - bis sie zum Schluss alles gemacht hat und uns mit satter Farbe beschenkt."
Wie ihr Mann dachte auch Sonia Delaunay über "simultane" Farbrhythmen, das Mit- und Gegeneinander von Kontrasten nach, auch wenn ihr Zugang zur Kunst eher intuitiv war und kein Produkt strenger Theorie.
Ihre Entwicklung als Malerin ist beileibe nicht das einzige Thema dieser Schau. Eine solche Retrospektive wäre unglaubwürdig, brächte sie nicht das ganze Spektrum dieser Künstlerin ins Spiel - und dazu gehört gerade bei Sonia Delaunay die angewandte Kunst. Anfangs waren es nur Gebrauchsstücke für den eigenen Haushalt, zum Beispiel eine Wiegendecke, und sie gestaltete die gemeinsame Wohnung. Nach 1917, als die an Immobilien gebundenen Einkünfte aus ihrer russischen Heimat ausblieben, orientierte sich Delaunay neu und stieg zur allseits gefragten Designerin auf, zunächst in Madrid, dann in Paris. Für reiche Kundschaft entwarf sie attraktive Garderobe: Fotos zeigen Kleider mit Spiralen, Kreisen, Rauten, Quadraten und dynamischen Linien. Sie wurde zur erfolgreichen Geschäftsfrau. Neben einem im Original erhaltenen Mantel, der für die Schauspielerin Gloria Swanson angefertigt wurde, hängt in der Kunsthalle ein Ölbild Sonia Delaunays, dass die geometrischen Muster dieses Mantels beinahe wiederholt. Jutta Hülsewig-Johnen, die Kuratorin dieser Ausstellung:
"Sonia Delaunay hat immer wieder betont, es habe für sie keinen Unterschied gemacht, ob sie in der freien Malerei tätig war oder in der angewandten Kunst. Sie hat als Künstlerin ihre Arbeit ausgeführt und auf allen Oberflächen gemalt. Und wenn man sich ihre Stoffentwürfe anschaut, dann sind das oft auch abstrakte Kunstwerke."
Auch die in Paris, im Umfeld der dadaistischen Künstlerszene, entstandenen Gewänder mit Wörtern und ganzen Versen werden in der Kunsthalle gezeigt - Plakate, Buchumschläge, Kostüm- und Bühnenbild-Entwürfe, Skizzen für Wandbilder auf der Pariser Weltausstellung von 1937, und gleich am Eingang wird ein von ihr mit farbigen Rechtecken überzogener Sportwagen zum unbestreitbaren Blickfang. Das künstlerische Prinzip bei all den Aktivitäten Sonia Delaunays:
"Das ist schon die Auseinandersetzung mit der Farbe. Sie sagt ganz früh von sich selbst, sie habe sich nicht so sehr - wie Robert - mit der Farbtheorie beschäftigt, sondern die Farbe erlebt. Sie hat sich mit der Farbwahrnehmung auseinandergesetzt und das in ihrer Kunst sehr unmittelbar umgesetzt."
Über Jahre und Jahrzehnte arbeitete sie als Designerin auch mit dem Kaufhaus "Metz & Co" in Amsterdam zusammen, so dass Matteo de Leeuw - de Monti, der Nachfahre der damaligen Eigentümer, ein Konvolut an Original-Stoffen und - Entwürfen Sonia Delaunays nach Bielefeld mitbringen konnte:
"Sie hat damals über 200 Stoffentwürfe für unsere Firma gemacht. Ich habe sie zum ersten Mal im Alter von dreieinhalb Jahren erlebt, als ich mit meinen Eltern in Paris war und sie besuchte - diese für mich ältere Dame mit der ganz dunklen, brummenden, etwas asthmatisch, aber herzlich klingenden Stimme. Und als ich auf der Treppe stand und diese Bilder mit ihren bunten Kreisen sah, war es wie eine Explosion von Farben, und ich bin fast die Treppe heruntergestürzt."
In späten Jahren hat Sonia Delaunay immer mal von der Möglichkeit gesprochen, sich vielleicht in der Breite ihrer Aktivitäten verzettelt zu haben - es klang, als hätte sie ihr Engagement für die angewandte Kunst bereut. Jutta Hülsewig-Johnen:
"Ja, sie sagte damals, sie habe zu viele Kräfte gehabt und sie nicht genügend aufgespart für die eine geliebte Sache: die Malerei. Und das ist das Motto ihres Spätwerks. Als sie um die 70 ist, nimmt sie sich als Künstlerin ganz wichtig und schafft noch ein fulminantes Werk."
Die späten, großformatigen, leuchtenden Ölmalereien mit den Scheiben und Halbkreisen sind Abschluss und Höhepunkt der Ausstellung. Wer Delaunays "Welt der Kunst” mit den vielen Kontinenten kennen lernen und wiederentdecken möchte, sollte sich auf den Weg nach Bielefeld machen, in diese üppig bestückte Schau.
Während des Ersten Weltkriegs, als sie mit Robert an der portugiesischen Küste lebte, stellten sich auf ihren Bildern wieder deutlich erkennbare Figuren ein - Marktfrauen und Flamenco-Musiker -, sie werden aber konterkariert von abstrakten Elementen: von jenen Kreissegmenten, Scheiben, Halbkreisen und anderen geometrischen Formen, die im brillanten Spätwerk der Künstlerin die Oberhand gewinnen sollten.
Begonnen aber hatte es mit akkuraten Porträts, 1903 an der Kunstakademie in Karlsruhe. Und auch als Sonia Delaunay nach Paris, in die Hauptstadt der Moderne zog, blieb sie zunächst noch figürlich in ihrem Stil und arbeitete sich in heftigen Farben an großen Vorbildern ab. Thomas Kellein, Direktor der Bielefelder Kunsthalle:
"Bei Sonia Delaunay sieht man einen wunderbaren Ausgangspunkt, das ist die klare Bezugnahme auf Gauguin in der Porträtmalerei. Sie hat eine bestimmte Art, einen Kopf zu setzen und ihn mit Farbflächen zu ummanteln. Und dann geht sie mit Robert gemeinsam diesen Weg, der sich lange Zeit zwischen Abstraktion und Gegenständlichkeit, Farbe und Form bewegt - bis sie zum Schluss alles gemacht hat und uns mit satter Farbe beschenkt."
Wie ihr Mann dachte auch Sonia Delaunay über "simultane" Farbrhythmen, das Mit- und Gegeneinander von Kontrasten nach, auch wenn ihr Zugang zur Kunst eher intuitiv war und kein Produkt strenger Theorie.
Ihre Entwicklung als Malerin ist beileibe nicht das einzige Thema dieser Schau. Eine solche Retrospektive wäre unglaubwürdig, brächte sie nicht das ganze Spektrum dieser Künstlerin ins Spiel - und dazu gehört gerade bei Sonia Delaunay die angewandte Kunst. Anfangs waren es nur Gebrauchsstücke für den eigenen Haushalt, zum Beispiel eine Wiegendecke, und sie gestaltete die gemeinsame Wohnung. Nach 1917, als die an Immobilien gebundenen Einkünfte aus ihrer russischen Heimat ausblieben, orientierte sich Delaunay neu und stieg zur allseits gefragten Designerin auf, zunächst in Madrid, dann in Paris. Für reiche Kundschaft entwarf sie attraktive Garderobe: Fotos zeigen Kleider mit Spiralen, Kreisen, Rauten, Quadraten und dynamischen Linien. Sie wurde zur erfolgreichen Geschäftsfrau. Neben einem im Original erhaltenen Mantel, der für die Schauspielerin Gloria Swanson angefertigt wurde, hängt in der Kunsthalle ein Ölbild Sonia Delaunays, dass die geometrischen Muster dieses Mantels beinahe wiederholt. Jutta Hülsewig-Johnen, die Kuratorin dieser Ausstellung:
"Sonia Delaunay hat immer wieder betont, es habe für sie keinen Unterschied gemacht, ob sie in der freien Malerei tätig war oder in der angewandten Kunst. Sie hat als Künstlerin ihre Arbeit ausgeführt und auf allen Oberflächen gemalt. Und wenn man sich ihre Stoffentwürfe anschaut, dann sind das oft auch abstrakte Kunstwerke."
Auch die in Paris, im Umfeld der dadaistischen Künstlerszene, entstandenen Gewänder mit Wörtern und ganzen Versen werden in der Kunsthalle gezeigt - Plakate, Buchumschläge, Kostüm- und Bühnenbild-Entwürfe, Skizzen für Wandbilder auf der Pariser Weltausstellung von 1937, und gleich am Eingang wird ein von ihr mit farbigen Rechtecken überzogener Sportwagen zum unbestreitbaren Blickfang. Das künstlerische Prinzip bei all den Aktivitäten Sonia Delaunays:
"Das ist schon die Auseinandersetzung mit der Farbe. Sie sagt ganz früh von sich selbst, sie habe sich nicht so sehr - wie Robert - mit der Farbtheorie beschäftigt, sondern die Farbe erlebt. Sie hat sich mit der Farbwahrnehmung auseinandergesetzt und das in ihrer Kunst sehr unmittelbar umgesetzt."
Über Jahre und Jahrzehnte arbeitete sie als Designerin auch mit dem Kaufhaus "Metz & Co" in Amsterdam zusammen, so dass Matteo de Leeuw - de Monti, der Nachfahre der damaligen Eigentümer, ein Konvolut an Original-Stoffen und - Entwürfen Sonia Delaunays nach Bielefeld mitbringen konnte:
"Sie hat damals über 200 Stoffentwürfe für unsere Firma gemacht. Ich habe sie zum ersten Mal im Alter von dreieinhalb Jahren erlebt, als ich mit meinen Eltern in Paris war und sie besuchte - diese für mich ältere Dame mit der ganz dunklen, brummenden, etwas asthmatisch, aber herzlich klingenden Stimme. Und als ich auf der Treppe stand und diese Bilder mit ihren bunten Kreisen sah, war es wie eine Explosion von Farben, und ich bin fast die Treppe heruntergestürzt."
In späten Jahren hat Sonia Delaunay immer mal von der Möglichkeit gesprochen, sich vielleicht in der Breite ihrer Aktivitäten verzettelt zu haben - es klang, als hätte sie ihr Engagement für die angewandte Kunst bereut. Jutta Hülsewig-Johnen:
"Ja, sie sagte damals, sie habe zu viele Kräfte gehabt und sie nicht genügend aufgespart für die eine geliebte Sache: die Malerei. Und das ist das Motto ihres Spätwerks. Als sie um die 70 ist, nimmt sie sich als Künstlerin ganz wichtig und schafft noch ein fulminantes Werk."
Die späten, großformatigen, leuchtenden Ölmalereien mit den Scheiben und Halbkreisen sind Abschluss und Höhepunkt der Ausstellung. Wer Delaunays "Welt der Kunst” mit den vielen Kontinenten kennen lernen und wiederentdecken möchte, sollte sich auf den Weg nach Bielefeld machen, in diese üppig bestückte Schau.